Berlin. Die Drogeriemarktkette dm möchte ihren Gesundheitssektor ausbauen. Geschäftsführer Christoph Werner erklärt, was hinter dem Plan steckt.

Der Drogeriemarkt dm ist mit 2108 Filialen (im Geschäftsjahr 2022/2023) ein fester Bestandteil deutscher Fußgängerzonen und für viele Menschen nicht mehr wegzudenken. Ob Zahnpasta, Make-up oder Haarshampoo – das Sortiment umfasst eine große Bandbreite an verschiedenen Drogerieartikeln. Und könnte bald um einen elementaren Aspekt erweitert werden: Wie dm-Chef Christoph Werner im Interview mit dem „Tagesspiegel“ ankündigt, wird sich die Drogeriemarktkette in Zukunft verstärkt dem Themenbereich Gesundheit widmen, um Diagnosen und Medikamente anzubieten.

„Die Einführung einer elektronischen Patientenakte und das E-Rezept verändern die Rahmenbedingungen für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten“, erklärt Werner, der vor allem durch den demografischen Wandel eine zunehmende Relevanz des Gesundheitssektors beobachtet. Der 51-Jährige erklärt: „Jüngere werden wesentlich mehr ältere Menschen erleben und sich fragen: Was kann ich tun, um gesund ein hohes Alter zu erreichen?“

dm muss Gesetzesänderung abwarten, um Medikamente verkaufen zu können

In den USA ist es schon weitverbreitet, dass Drogeriemärkte sehr prominent im Gesundheitssektor aufgestellt sind. Diese „Drugstores“ haben dann in ihren Läden integrierte Apotheken und erzielen laut Werner „zwei Drittel ihres Umsatzes mit Produkten oder Dienstleistungen, die wir in Deutschland nicht anbieten dürfen.“

dm-Chef Christoph Werner möchte seine Märkte im Gesundheitssektor breiter aufstellen, wie er dem „Tagesspiegel“ in einem Interview erklärte.
dm-Chef Christoph Werner möchte seine Märkte im Gesundheitssektor breiter aufstellen, wie er dem „Tagesspiegel“ in einem Interview erklärte. © dpa | Uli Deck

Für solch eine Revolution im deutschen Gesundheitsbereich wären also noch Gesetzesänderungen erforderlich. Damit beispielsweise Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente in einem Drogeriemarkt wie dm eingelöst werden könnten, müsste die Politik erst eine rechtliche Grundlage dafür schaffen. Werner könnte sich aber vorstellen, „Gesundheit als Dienstleistung“ anzubieten und damit in Zukunft auch Diagnosen bei dm durchzuführen.

Drogeriemärkte könnten einen Beitrag zu günstigem Zugang zu Gesundheit leisten

So sagt der Sohn des 2022 verstorbenen dm-Gründers Götz Werner: „Diagnosen im Drogeriemarkt durchzuführen, ist heute noch nicht zulässig. Aber früher oder später wird der Gesetzgeber hier reagieren müssen. Jeden Tag schließen ein bis zwei Apotheken in Deutschland, vor allem im ländlichen Raum.“

Grund dafür seien laut Werner vor allem fehlende Nachfolge beim Personal und mangelnder wirtschaftlicher Ertrag. Deshalb könnten Drogeriemärkte einen wichtigen Beitrag dafür leisten, Gesundheit erschwinglich und verfügbar zu halten. Das sei eben auch deshalb erforderlich, weil der technische Fortschritt das Thema Gesundheit näher an den Menschen selbst heranbringt.

Technologischer Fortschritt verändert den Gesundheitssektor

Werner erklärt: „Eine sehr große und weiter zunehmende Zahl von Menschen trägt heute schon eine Smartwatch. Die zeigt die Uhrzeit an. Vor allem aber verfügt sie über zahlreiche Sensoren zur Messung von Vitalfunktionen. Wenn etwa der Blutzuckerspiegel zu niedrig oder der Säuregehalt des Blutes zu hoch ist, fragen sich immer mehr Menschen, wie sie ihre Werte durch Nahrungsergänzungsmittel normalisieren können.“

Und so wäre es mit fortschrittlicher digitaler Technik dann eben auch möglich, im Dienstleistungssektor der Gesundheit Prozesse zu vereinfachen: „Wofür es heute noch den ausgebildeten Apotheker vor Ort braucht, kann in Zukunft im Hintergrund automatisiert geprüft und dann personalisiert direkt übergeben werden. Ich denke, es ist hilfreich, dieses Thema aus der Zukunft und nicht aus der Vergangenheit heraus zu denken.“

Werners Vorstellungen mögen abstrakt klingen, doch der dm-Chef führt an, dass die heute für jeden bekannten Drogeriemärkte in den 1970er-Jahren auch erst aus einer Gesetzesänderung der Politik entstanden seien. Damals konnten Unternehmen ihre Preise für Drogerieartikel erstmals selbst festsetzen, was dazu führte, dass mehr Menschen Zugang zu ihnen bekamen. Wenn also die Politik diesmal wieder bereit ist, die Leitlinien zu schaffen, könnte es in Zukunft tatsächlich Medikamente bei dm und anderen Drogeriemärkten geben.