Rom. Giuseppina Molinari wurde beim Fahren mit abgelaufenem Führerschein erwischt. Warum die 103-Jährige ihren Fehler nicht einsehen will.

Italien zählt weltweit zu den Ländern mit den meisten 100-Jährigen. Eine von ihnen ist in diesen Tagen zur Berühmtheit avanciert – allerdings nicht allein wegen ihres stolzen Alters: Giuseppina Molinari aus der 8000-Seelen-Gemeinde Vigarano Mainarda in Norditalien ist mit ihren 103 Jahren die wohl älteste Verkehrssünderin des Landes.

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Die Caribinieri dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie Molinari Anfang dieser Woche mitten in der Nacht in ihrem weißen Fiat Panda anhielten und feststellen mussten, dass die Seniorin ohne gültigen Führerschein und Versicherung unterwegs war. Aufgefallen war sie, weil sie gegen ein Uhr nachts zwar zügig, aber doch immer wieder durch dieselben Straßen fuhr. Ein Anwohner beobachtete sie dabei und verständigte die Polizei.

Desorientiert sei sie gewesen, sagten die Polizisten später. Wie die Kontrolle ergab, war Giuseppina Molinaris Führerschein seit zwei Jahren abgelaufen. Auch die Versicherung war nicht mehr auf Stand. Die Caribinieri beschlagnahmten das Fahrzeug und ließen es abschleppen. Die Fahrerin erhielt einen Strafzettel und wurde von der Polizei nach Hause gebracht. Wohin sie wollte? In die Nachbargemeinde, um dort mit Freunden Karten zu spielen, wie sie zu Protokoll gab.

103-Jährige verliert Auto: „Möchte mir eine Vespa kaufen“

Dazu muss man wissen: Der Ort Bondeno, in dem Guiseppina Molinari lebt, gehört zur Emilia-Romagna. In dieser Region haben die Luxusautobauer Ferrari und Lamborghini ihre Hauptquartiere. Die Einwohner gelten als echte Autoliebhaber und Giuseppina Molinari, die am 22. März ihren 104. Geburtstag feiert, ist keine Ausnahme.

Auf die Unabhängigkeit, die ihr das Autofahren erlaubt, will sie trotz ihres hohen Alters und der Tatsache, dass ihr der Führerschein nicht verlängert wurde, nicht verzichten – und zeigt sich wenig einsichtig. Dass ihr Auto beschlagnahmt wurde, bringt die rüstige Frau nicht aus der Ruhe: „Ich möchte mir eine Vespa kaufen, um meine Unabhängigkeit nicht zu verlieren, denn das ist mir das Wichtigste“, sagte sie gegenüber Verwandten. Aktuell fahre sie eben erst einmal Fahrrad.

Italienerin möchte Alltag selbstständig gestalten

„Ich möchte mein Netzwerk von Freundschaften aufrechterhalten und meine Verpflichtungen selbstständig wahrnehmen“, so Giuseppina. Obwohl sie nicht mehr gut hört, lebt sie vollkommen selbstständig. „Ich erledige meine Einkäufe selber und koche selbst“, versichert die alleinstehende Frau. Auch das Kartenspielen will sie sich nicht nehmen lassen.

Molinari ist Jahrgang 1920. Geheiratet hat sie nie. Vor ihrer Rente arbeitete die Italienerin in einer lokalen Zuckerfabrik. Dass sie ein so hohes Alter erreicht hat, führt sie auf ihr Single-Dasein zurück. Und auf die Gewohnheit, sich täglich zu bewegen und nicht allzu viel zu essen. Nur gelegentlich gönne sie sich ein Eis.

Im Alltag kann Giuseppina mit der Unterstützung einer Nachbarin rechnen, die ihr hilft, wenn sie denn mal Hilfe braucht. „Giuseppina war eine enge Freundin meiner Mutter, die wie sie 1920 geboren wurde“, berichtet Gigliola Pozzari, eine 75-jährige Rentnerin, die ganz in der Nähe wohnt. Sie beschreibt die alte Dame als „eigensinnig“: Sie lege auf ihre Eigenständigkeit großen Wert, lasse sich „nicht viel reinreden und trifft alle Entscheidungen selbst“. Vom Leben im Seniorenheim wollte Guiseppina erst recht nichts wissen.

Bürgermeister sieht Konsequenzen kritisch

Giogliola Pozzari ist dabei, ein Fest für Giuseppinas 104. Geburtstag zu organisieren, an dem sich die ganze Gemeinde beteiligen soll. „Giuseppina Molinari ist für uns alle ein Beispiel, wie man auch das hohe Alter fit und selbstständig genießen kann“, betont Stadträtin von Vigarano Mainarda Daniela Patroncini. Die Gemeinde hat einige Mitbürger mit stolzem Alter. Zuletzt wurde der 100. Geburtstag eines Dorfbewohners gefeiert.

Giuseppina Molinari ist in ihrer Gemeinde bekannt. Ihre Nachbarn organisieren sogar ihre Geburtstagsfeiern für sie, wie dieses Foto von ihrem 100-Jährigen zeigt.
Giuseppina Molinari ist in ihrer Gemeinde bekannt. Ihre Nachbarn organisieren sogar ihre Geburtstagsfeiern für sie, wie dieses Foto von ihrem 100-Jährigen zeigt. © Gigliola Pozzati | Gigliola Pozzati

Auch der Bürgermeister der Stadt Ferrara Alan Fabbri, der Giuseppina persönlich kennt, betrachtet die Greisin als Vorbild: „Ich weiß, dass die Regeln der Straßenverkehrsordnung eingehalten werden müssen, aber Giuseppinas Kraft gibt mir Hoffnung für mein eigenes Alter“, schrieb Fabbri auf Facebook.

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Fest steht, dass Autofahrer in Italien ab dem 80. Lebensjahr alle zwei Jahre einen Gesundheitscheck untergehen müssen, um ihren Führerschein zu verlängern. Dabei werden unter anderem Sehkraft und Gehör untersucht. Auf einem Fragebogen müssen Autofahrer außerdem ihre Krankheiten angeben und zusätzlich ein ärztliches Attest vorweisen können. In Deutschland gibt es solche Kontrollen bislang nicht.

Giuseppina Molinari hat gegen diese Regeln verstoßen. Dass sie dafür fortan auf ihr und damit auf einen wichtigen Teil ihres Soziallebens verzichten muss, bedauern die Bewohner des Dorfes dennoch. Aber hier kennt man sich und hilft einander: Einige von ihnen haben sich schon bereit erklärt, die Frau mit dem Auto zu ihren Freunden zu begleiten.