Manching. Nur wenige Minuten brauchten Diebe um einen einzigartigen keltischen Goldschatz aus einem Museum in Bayern zu stehlen. Der Fall löst Erinnerungen an spektakuläre Einbrüche in Dresden und Berlin aus.

Es war eine Sache von nur neun Minuten: Um 1.26 wurde eine äußere Fluchttüre am Kelten und Römer Museum in Manching aufgehebelt, um 1.35 Uhr war der Einbruch in der Nacht zum Dienstag schon wieder vorbei. Am Tag danach trauert Rupert Gebhard, Leitender Sammlungsdirektor der Archäologischen Staatssammlung, um die kostbarsten Schätze des Museums: 483 Münzen und ein Gold-Gusskuchen. Der Diebstahl hat Spuren hinterlassen – im Museum und bei dem Archäologen. „Es fühlt sich wie der Verlust eines alten Freundes oder einer alten Freundin an“, sagt Gebhard.

Goldschatz aus dem ersten Jahrhundert vor Christus

Am Ausstellungsort der historischen Schätze zeugen unzählige Glassplitter auf dem Museumsboden von dem Verbrechen. Sie stammen aus einer Glasvitrine, die die Täter zerstört haben, um an drei weitere, noch größere Münzen zu kommen. „Es bleibt eine Wunde“, sagt der Leitende Sammlungsdirektor mit trauriger Miene.

Die Beute ist ein Goldschatz von ideell unermesslichem Wert aus dem ersten Jahrhundert vor Christus mit einem Handelswert von rund 1,6 Millionen Euro, wie Gebhard sagt. Dazu die Münzen aus einer anderen Vitrine.

Der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts wurde 1999 bei Manching gefunden (Archivbild).
Der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts wurde 1999 bei Manching gefunden (Archivbild). © dpa | Archäologische Staatssammlung

Verteilerknoten für Internet und Telefon sabotiert

Die Zeiten des Einbruchs wurden von der Alarmanlage aufgezeichnet, wie der Vizepräsident des Landeskriminalamts Guido Limmer sagt. Doch der Alarm konnte nicht weitergeleitet werden, denn um 1.17 Uhr – neun Minuten vor dem Einbruch – war ein Verteilerknoten für Internet und Telefon in nur einem Kilometer Entfernung zum Museum sabotiert worden. Dadurch waren laut Polizei Telefonie und Internet für rund 13.000 Privathaushalte und Unternehmen in der Gegend ausgefallen. Und vor Ort im Museum gab es in der Nacht kein Wachpersonal.

Die Sicherheitsmaßnahmen hätten den Empfehlungen beim Bau des Museums entsprochen, betont Limmer. Laut Gebhard hatte es nach dem Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden noch eine Besichtigung gegeben, um die Qualität der Sicherungsanlagen zu überprüfen.

Ermittler prüfen Zusammenhänge zu Einbrüchen in Dresden und Berlin

Der Fall aus dem Jahr 2019 spielt auch bei den aktuellen Ermittlungen eine Rolle, ebenso wie der Diebstahl einer 100 Kilo schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin im Jahr 2017. Man sei in Kontakt mit den Kollegen in Berlin und Dresden wegen der „möglichen Parallelen“ zu den Fällen, sagte Limmer. Ob Verbindungen bestehen, sei aber noch völlig unklar.

Gebhard hofft, dass die Münzen wieder auftauchen. Doch ihnen könnte die Zerstörung in einem Schmelzofen drohen – die „schlimmste Option“, die einen Totalverlust bedeuten würde. Der reine Materialwert des 3,724 Kilo schweren Schatzes wird auf rund eine Viertelmillion Euro geschätzt. Ein Verkauf zum weitaus höheren Handelswert wäre für den oder die Täter nicht einfach: Die Münzen sind laut Gebhard so gut dokumentiert, dass sie jederzeit identifiziert werden könnten.

20-köpfige Sonderkommission ermittelt

Für Archäologen haben sie großen Wert. Der Schatz mit 483 Münzen, der im vergangenen Jahrhundert bei regulären Grabungen auftauchte, sei ein „wirkliches Kleinod“. Laut Gebhard zeigt er die Beziehungen des Manchinger Oppidums nach Böhmen und den Wohlstand seiner Bewohner.

Nach diesem Oppidum – der Begriff steht für eine stadtartige Siedlung – ist auch die 20-köpfige Sonderkommission benannt, die nun den oder die Täter jagt und wegen Sachbeschädigung und Bandendiebstahl ermittelt. Das LKA geht allerdings nicht davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt.

Die Ausgangslage ist aber schlecht, denn der Einbruch wurde erst nach Stunden, gegen 9.45 Uhr bemerkt. Zwar waren nach dem Ausfall von Internet und Telefonen noch in der Nacht Streifen losgeschickt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei allerdings noch befürchtet, Banken und Geldautomaten könnten das Ziel von Kriminellen werden. Dass der Tatort das Museum war, wurde den Ermittlern erst klar, als Mitarbeiter die Polizei alarmierten.

Laut Limmer liegen zudem derzeit „keine Bilder vor, die wir für eine Fahndung nutzen könnten“. Der leitende Oberstaatsanwalt Nicolas Kaczynski sagte: „Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang“.

Keltenschatz „von kulturhistorisch unschätzbarem Wert“

Kunstminister Markus Blume (CSU) bezeichnete den Diebstahl als einen Angriff auf das kulturelle Erbe Bayerns. Der Keltenschatz sei „von kulturhistorisch unschätzbarem Wert“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Ende der 90er Jahre sei er ein „Sensationsfund“ gewesen, der einen Blick in das Leben der Menschen in Bayern vor mehr als 2000 Jahren möglich gemacht habe. „Es ist insofern auch eine Attacke auf unser kulturelles Erbe und auch auf den Kulturstaat“, sagte Blume.

Dem Bayerischen Rundfunk sagte Blume zudem: „Klar ist, Du marschierst nicht einfach in so ein Museum rein und nimmst dann diesen Schatz mit.“ Das sei „hochgradig gesichert und insofern liegt die Vermutung zumindest nahe, dass wir es hier eher mit einem Fall von organisierter Kriminalität zu tun haben.“