Erfurt. Die Rechtsextremismus-Szene fällt durch eine hohe Zahl von Straf- und Gewalttaten auf. Beim Linksextremismus bereiten die vermehrten Sachbeschädigungen Sorge.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer stellen am Donnerstag den Verfassungsschutzbericht 2019 für Thüringen vor. Damit ist der Freistaat bundesweit erneut Schlusslicht in der Berichterstattung. Der präsentierte Berichtszeitraum liegt zumeist länger als zehn Monate zurück und stammt aus einer Zeit, in der die politische Entwicklung und die Auseinandersetzungen darum noch nicht von der Corona-Pandemie geprägt war.

Nachdem der Thüringer Verfassungsschutzbericht bereits im vergangenen Jahr deutlich zu spät präsentiert wurde, war seitens des Innenministeriums die Auswertung verfassungsfeindlicher Aktivitäten im Freistaat bereits für dieses Frühjahr angekündigt worden. Zu den Ursachen der zeitliche Verzögerung wollten sich Verfassungsschutz und Innenministerium trotz wiederholter Nachfrage und Kritik bisher nicht äußern.

Der Verfassungsschutz benennt nach Informationen unserer Zeitung den Rechtsextremismus als Bearbeitungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes. Begründet wird das Vorgehen mit einer signifikanten Gewaltneigung und Gewaltorientierung sowie einem erheblichen Personenpotential der Szene.

Kampfsport und Musik erschließen neue Zielgruppen für die Szene

Über die Gefahren durch Extremismus in Thüringen informiert am Donnerstag der neue Verfassungsschutzbericht. Er wird von Innenminister Georg Maier (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer (im Bild) in Erfurt vorgelegt.
Über die Gefahren durch Extremismus in Thüringen informiert am Donnerstag der neue Verfassungsschutzbericht. Er wird von Innenminister Georg Maier (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer (im Bild) in Erfurt vorgelegt. © Bodo Schackow/dpa

Diese rechtsextreme Szene im Freistaat falle durch eine hohe Anzahl rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten auf, aber auch durch eine weiter zunehmende Radikalisierung. Dabei sinke die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung. Hinzu kommen Gewalttaten, die auch außerhalb Thüringens begangen worden sein sollen. Kampfsport und Musik sind aus Sicht des Verfassungsschutzes verstärkt Aktivitäten, die neue Zielgruppen für die Szene erschließen sollen, aber auch Möglichkeiten bieten, Geld zu verdienen.

Der Verfassungsschutz geht von rund 170 in den Parteien „NPD“ und „Der III. Weg“ organisierten Anhängern aus, wobei die NPD deutlich an Mitgliedern verloren hat. Weitere 800 Rechtsextremisten seien parteiunabhängig organisiert oder weitgehend unstrukturiert. Darunter sollen sich rund 280 gewaltorientierte Rechtsextremisten befinden. Diese Zahl erhöhte sich leicht gegenüber den Vorjahren. Allerdings sank die Zahl rechtsextremer Gewalttaten vergangenes Jahr erneut. Die Polizei registrierte 49. Ausführlich soll der Bericht auf einzelne rechtsextreme Gruppierungen eingehen, die auch in Thüringen aktiv sind, wie beispielsweise das verbotene Netzwerk „Blood & Honour“, aber auch gewaltbereite Bruderschaften wie „Combat 18“ oder die „Turoren“.

Zahlreiche Musikveranstaltungen von kleinen Liederabenden bis hin zu großen Konzerten werden genannt, die wegen der rassistisch motivierten und häufig zu Hass und Gewalt aufstachelnden Liedtexte seit längerem im Visier der Aktivitäten auch des Thüringer Innenministeriums stehen. Im Vorjahr wurden ein solches Konzert verhindert und eines aufgelöst.

Links-Autonome sind gut vernetzt und erreichen die Öffentlichkeit

Statistische Angaben zu gewaltorientierten Linksextremisten in Thüringen fehlen nach Erkenntnissen dieser Zeitung im Verfassungsschutzbericht. Die Zahl der linken gewaltbereiten Autonomen wird seit gut zehn Jahren immer wieder mit etwa 130 angegeben, was an der Verlässlichkeit der Erhebung zweifeln lässt. Eine solch dynamische Gruppierung bleibt über einen derart langen Zeitraum in ihrer Größenordnung nicht so stabil, wie es der Verfassungsschutz angibt.

Die Autonomen seien gut vernetzt, mobil und erreichen mit ihren Aktionen oft die Öffentlichkeit. Das Antifaschismus-Verständnis der autonomen Szene soll von Sachbeschädigung bis zu Recherche reichen. Wobei es darum gehe, den „Gegner“ aufzuklären, ihn aber auch öffentlich bekannt zu machen. Der Bericht soll zahlreiche dieser Aktionen auflisten. Besonders schwerwiegend ist die Brandstiftung an einem AfD-Wahlkampffahrzeug vergangenen Oktober in Reinsdorf (Kyffhäuserkreis) mit einem Schaden von 70.000 Euro. Die polizeilichen Ermittlungen haben bisher zu keinen Tatverdächtigen geführt.

Die Zahl linksextremer Gewalttaten erhöhte sich laut Polizei vergangenes Jahr auf 42. Die der Sachbeschädigungen stieg deutlich von 197 vor zwei Jahren auf 407.

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