Berlin. Um Touristenströme besser zu lenken, hat die Verwaltung von Alexandria ein Autobahn-Projekt auf Kosten eines Strandes durchgedrückt.

Alexandria gehört zu den ältesten Großstädten der Welt. Doch seit der Unabhängigkeit Ägyptens ist die Einwohnerzahl der Mittelmeer-Metropole explodiert. Wie viele rapide wachsende Städte, leidet auch Alexandria unter veralteter Infrastruktur, Staus und Platzmangel. Das jüngste Bauprojekt sollte die Lebenssituation der Einheimischen und die wachsenden Touristenströme eigentlich miteinander versöhnen. Doch ob eine Autobahn, die einen der beliebtesten Strände der Stadt überspannt, die richtige Lösung ist? Ein Anwohner bezeichnet die Brücke als "Verbrechen gegen Ägypten."

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Autobahn über dem Strand: Alexandria bekämpft Verkehrschaos mit umstrittenem Projekt

So nennt der Beamte Wael Idriss die neugebaute Anwar Sadat Bridge gegenüber dem "Middle East Eye". Die auf den arabischen Subkontinent und den Maghreb fokussierte Nachrichtenagentur berichtet von großem Unmut in der Bevölkerung gegenüber der städtischen Straßenerweiterung. "Der Strand ist auf diesem Abschnitt wurde zerstört und unter Betonblöcken begraben", klagt Idriss. Der einst romantisch verklärte Sehnsuchtsort war vor Ägyptens Unabhängigkeit Kulisse vieler nostalgischer Filme. "Es bricht mir das Herz, zuzusehen, wie sich Alexandria verändert", sagte mit Mohy Ibrahim ein anderer Anwohner den "National News" aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. "Schon aufgrund des Bevölkerungswachstums ist sie nicht mehr die Stadt aus den alten Filmen."

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Von rund 1,5 Millionen schnellte die Bevölkerungszahl in den letzten 70 Jahren auf ein Vierfaches. Heute beherbergt die einstige Hauptstadt des altertümlichen Ägypten rund 5,5 Millionen Einwohner. Die nach Feldherr Alexander dem Großen benannte Weltstadt galt lange Zeit als Tourismuszentrum des Landes. Mit der Zeit verlagerte sich das Urlaubsaufkommen aber an die Rotmeer-Küste zu den neuen Reisezielen Hurghada und Sharm-el-Sheikh. Je mehr sich internationale Touristenströme nach Osten verlagerte, desto beliebter wurden die Strände der Stadt bei einheimischen Urlaubern.

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Laut Baubehörde: Überführung soll Badegästen als "Sonnenschirm" dienen

Mit dem Beau Rivage Beach im östlichen Stadtteil Montazah wurde eine der bestbesuchten Küstenlinien überbaut. Wo das Mittelmeer auf das Festland trifft, verläuft nun mehrere Meter über dem Boden ein Fußgängerüberweg. In einem anderen Abschnitt wurde eine sechsspurige Autobahn um vier Spuren erweitert. Mukhtar Hussein, der als oberster Beamter der zuständigen Baubehörde fungiert, verteidigt das Projekt gegen Kampagnen, die auf den sozialen Medien gegen die Umsetzung gekämpft hatten: "Wer auf dem Fußweg geht, kann das Meer ohne Behinderung betrachten. Und den Strandbesuchern dient er als Sonnenschirm."

Monatelang war der beliebte Strand Beau Rivage in Alexandria aufgrund von Bauarbeiten gesperrt.
Monatelang war der beliebte Strand Beau Rivage in Alexandria aufgrund von Bauarbeiten gesperrt. © twitter/Paramike46

Dass die Verkehrssituation nach Entlastung ächzte, scheint dagegen klar zu sein. Drei Hauptverkehsadern treffen in Montazah aufeinander. Viele Anwohner leiden täglich unter teil stundenlangen Staus, die mit Lärm- und Feinstaubbelastung zu Folgeproblemen führten. Das zunehmend dicht besiedelte Viertel um den Beau Rivage Beach sei systematisch überlastet gewesen, merken lokale Behörden an. Vor allem in den Sommermonaten, wenn viele Ägypter der Hitze des Binnenlandes entfliehen wollen, finden sie hier in günstigen Hotels Unterkunft.

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Um das überregionale Verkehrsproblem zu lösen, wurde ein riesiges Infrastrukturprojekt angestoßen, das die Region des Nildelta besser vernetzen soll. Der neue East-West-Highway bindet künftig Alexandria besser an die Hauptstadt Kairo und das aufstrebende El Alamein an. Die Infrastrukturerweiterung in Montazah, so der Bezirksbürgermeister Mohamed Salhoul, sei eine "wunderbare Ergänzung für die Küstenautobahn."

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Das Verkehrproblem rückt dem Meer zuleibe

Nun ragen direkt am Übergang ins Wasser zahlreiche Betonpfeiler in die Höhe und sorgen auch für ökologische Bedenken. "Der Überweg mit seinen Säulen kann für negative Effekte im marinen Leben sorgen", erklärt Ex-Parlamentsmitglied und Umweltschützer Magdi Allam dem "Middle East Eye". "Abgase von Fahrzeugen, die die Überführung nutzen, machen das ganze noch schlimmer."

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Statt für die Verkehrserleichterung Applaus zu bekommen, erntete die Stadtverwaltung einen veritablen Shitstorm. Auf Twitter kritisierte ein Nutzer das Bauprojekt als "jenseits von Ignoranz und eine Provokation gegen die Menschen". Mohamed Ibrahim Gabr, der Stadtplanung an einer Kairoer Universität lehrt, kritisiert die Verwaltung für die versäumte Einbindung der Gesellschaft: "Anwohner hätten mit Lösungsvorschlägen an der Behebung der Verkehrsprobleme beteiligt werden müssen." Durch einen ganzheitlichen Ansatz hätten etwa Geschäfts- und Lieferverkehr bewusst kanalisiert werden können. Gabr moniert, dass dazu keine Studien erhoben wurden.

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