Erfurt. Das für Amseln tödliche Usutu-Virus breitet sich in Thüringen offenbar weiter aus. Es gibt bereits mehrere Verdachtsfälle. Den Höhepunkt des Vogelsterbens erwarten Virologen in den kommenden Wochen.

Das dramatische Amselsterben des Hitzesommers 2018 wiederholt sich. Auch in diesem Jahr wurden in Thüringen mehrere Verdachtsfälle des sogenannten Usutu-Virus gemeldet. Der Thüringer Naturschutzbund Nabu und Tropenmediziner bitten die Bevölkerung, kranke oder verendete Tiere zu melden und möglichst zur Untersuchung einzusenden.

„Dem Nabu wurden dieses Jahr bereits 25 Fälle mit Verdacht auf Usutu-Virus gemeldet“, bestätigte Klaus Lieder, der Sprecher des Landesfachausschusses für Ornithologie. Unter den Meldungen waren 38 tote und 15 kranke Vögel. „Allerdings gab es schon 2018 sechs Labornachweise für den Virus in Thüringen. Es scheint, als breite sich das Virus auch bei uns aus.“

Deutschlandweit bereits über 1300 Verdachtsfälle

Ab Jahresbeginn bis zum 12. August wurden den Vogelexperten deutschlandweit bereits über 1300 Verdachtsfälle gemeldet, die fast 2500 kranke oder tote Vögel betrafen. Beim bisher stärksten Auftreten der Usutu-Epidemie im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitraum lediglich 800 Meldungen.

Seit dem erstmaligen Auftreten dieses Vogelsterbens im Jahr 2011 breitet sich das von Stechmücken auf Vögel übertragene Usutu-Virus zunehmend in Deutschland aus. Waren in den ersten Jahren nur wärmebegünstigte Regionen entlang des Rheintals und am Untermain betroffen, konnte seit 2016 eine Ausbreitung über Nordrhein-Westfalen nach Norden und vor allem im Hitzejahr 2018 eine Ausbreitung in die nördlichen und östlichen Landesteile festgestellt werden. Im Sommer 2018 wurden erstmals Usutu-Infektionen für Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern nachgewiesen.

Vögel wirken oft apathisch

Den Höhepunkt des Vogelsterbens erwarten Vogelkundler und Virologen in den kommenden Wochen, denn die meisten Usutu-Fälle treten im August und September auf. Im Jahr 2018 entfielen 93 Prozent der insgesamt fast 13.500 Meldungen auf diese beiden Monate, hieß es. „Der trockenheiße Sommer 2018 war offensichtlich günstig für die Ausbreitung des wärmebedürftigen Usutu-Virus, auch wenn die Zahl der Mücken als potentielle Überträger aufgrund der Trockenheit allgemein eher gering war“, so Dr. Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. 2019 ist genauso heiß, dabei aber deutlich feuchter und mückenreicher als das Vorjahr. Lühken: „Daher könnte die diesjährige Usutu-Saison noch stärker ausfallen.“ Alle im Labor eingesandten toten Vögel werden neben dem Usutu- auch auf das West-Nil-Virus getestet, das im vergangenen Jahr erstmals in Deutschland in Vögeln und Pferden nachgewiesen wurde. „Beide Viren können in seltenen Fällen auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen“ erklärt Lühken.

Es ist gar nicht so einfach, den Vögeln die Krankheit von außen anzusehen. Denn vor allem Jungvögel und verletze Altvögel können ähnliche Symptome zeigen. „Vögel die vom Usutu-Virus heimgesucht wurden wirken oft apathisch, verlieren ihre Scheu vor den Menschen, torkeln und haben im Kopfbereich ein zerzaustes Gefieder“, erklärt Klaus Lieder vom Nabu Thüringen. „Dies ist aber noch kein Nachweis für die Krankheit: Meist sterben die Tiere dann auch innerhalb weniger Tage“.

Das Virus kann nicht behandelt werden

Die Vogelschützer interessieren vor allem die Auswirkungen der neuen Vogelkrankheit auf die Bestände von Deutschlands häufigstem Vogel, der Amsel. Dazu vergleichen sie die Informationen über die Verbreitung des Virus mit den Ergebnissen der großen Gartenvogelzählung, der „Stunde der Gartenvögel“. Eine erste Auswertung hatte gezeigt, dass die Amselzahlen in von Usutu betroffenen Gebieten stärker zurückgegangen waren als im übrigen Deutschland.

Bisher ist jedoch noch völlig unklar, ob sich betroffene Bestände wieder vollständig erholen können, dauerhaft reduziert bleiben oder gar immer weiter abnehmen werden.

Leider kann man Usutu-Infektionen weder verhindern noch behandeln. Der Nabu ruft daher alle Vogelfreunde dazu auf, zumindest dafür zu sorgen, dass Amseln und andere Gartenvögel in naturnahen Gärten gute Lebensbedingungen vorfinden, um die Verluste durch die neue Vogelkrankheit durch guten Bruterfolg wieder auszugleichen.“ Tote oder kranke Tiere sollten den Experten unbedingt gemeldet werden.

Weitere Infos unter www.nabu-Thueringen.de

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