Erfurt. In Thüringen sind im vergangenen Jahr mehr Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch geworden.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Thüringen Opfer von Gewalt, sexuellem Missbrauch oder Pornografie wurden, ist 2018 angestiegen. Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik, die am Vormittag gemeinsam von der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung, dem Bundeskriminalamtes und dem Unabhängigen Beauftragten des Bundes für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vorgestellt wurden, wurden knapp 500 Thüringer Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. In 18 Fällen kam es zu sexuellen Übergriffen an Schutzbefohlenen. 300 Kinder und Jugendliche wurden Opfer von Pornografie. Bundesweit waren 2018 mehr als 14.600 Kinder von sexueller Gewalt betroffen, das seien 40 Fälle pro Tag, von denen man Kenntnis erhalten habe, hieß es. Herstellung, Besitz und Verbreitung sogenannten kinderpornografischen Materials stiegen von 6.500 auf fast 7.500 Fälle. Das ist ein Anstieg von knapp 15 Prozent im Vergleich zu 2017.

136 Kinder kamen gewaltsam zu Tode. Fast 80 Prozent von ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. In 98 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. Bei den Zahlen zu Misshandlungen ist bundesweit nur ein leichter Rückgang von 4.247 auf 4.180 betroffene Kinder zu verzeichnen.

Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, forderte eine konsequenteres Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Minderjährige: „Das weiterhin hohe Niveau der angezeigten Fälle beim Kindesmissbrauch sowie die starke Steigerung der Fälle bei den Missbrauchsabbildungen darf niemanden in der Politik kalt lassen. Die Ermittlungsmöglichkeiten müssen weiter geschärft werden. Die IP-Adresse führt zum Täter, weshalb wir in Deutschland dringend eine EU-rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung brauchen. Nach den Missbrauchsfällen von Lügde und Staufen appelliere ich dringlich an alle Landesregierungen, Landesmissbrauchsbeauftragte einzurichten, ressortübergreifende Bestands- und Defizitanalysen zum Kinderschutz durchzuführen und konkrete Maßnahmen mit Zeitplan und Preisschild zu vereinbaren“, so Röhrig.

Kathinka Beckmann, Pädagogik-Professorin an der Hochschule Koblenz bemängelte Defizite in der Kinder und Jugendhilfe. Es gebe zu wenige Fachkräfte bei steigenden Fallzahlen, keine ausreichende Qualifizierung der Mitarbeitenden und eine mangelnde finanzielle Ausstattung. „Wer in der Jugendhilfe spart, begeht institutionelle Kindeswohlgefährdung“, sagte Beckmann.

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