Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und Hauptthema der diesjährigen Herzwochen.

Knapp zwei Millionen Menschen leiden in Deutschland daran. Doch nicht jeder Betroffene weiß von diesem unregelmäßigen Herzschlag. Prof. Christoph Geller, Chefarzt der Abteilung für Rhythmologie und invasive Elektrophysiologie am Herzzentrum der Zentralklinik Bad Berka über Ursachen, Symptome, Behandlungsmöglichkeiten und Tipps zur Vorbeugung.

Die Palette der Ursachen für Vorhofflimmern ist groß –Bluthochdruck, Herzklappenfehler, Schilddrüsenüberfunktion usw. – gibt es ein erbliches Risiko oder sind viele Ursachen auch einfach eine Frage der Lebensweise oder des –alters?

Prof. Geller: Es gibt sicherlich ein erbliches Risiko, rein über eine Genmutation vererbtes Vorhofflimmern ist aber selten. Es gibt Familien, da haben bereits Kinder diese Herzrhythmusstörung. Oft ist der genetische Teil für eine hohe Wahrscheinlichkeit aber eher die Veranlagung für Bluthochdruck, Diabetes und daraus entstehende Rhythmusstörungen.

Nur jeder Zweite merkt überhaupt, dass er Vorhofflimmern hat, denn nicht immer leiden die Betroffenen unter den Klassiker-Symptomen wie Herzrasen, weniger Belastbarkeit, Schwindel bis zur Synkope, Luftnot oder Brustschmerzen, was sind die ersten Warnzeichen, wann sollte man zum Arzt gehen?

Prof. Geller: Teilweise macht Vorhofflimmern sehr ausgeprägte Beschwerden und diese Patienten gehen relativ rasch zum Arzt. Dann gibt es aber auch Patienten, die kaum oder nur sehr indirekte Anzeichen für das Vorliegen dieser Herzrhythmusstörung haben. Herzklopfen., Herzrasen, unregelmäßiger Puls, einige merken das, aber andere merken das eher nicht, sondern sind eher mit den Folgen konfrontiert: eine schwindende Belastbarkeit, Brustschmerzen, Schwindel, es wird einem schwarz vor Augen bis zur Bewusstlosigkeit. Es ist nicht ganz klar, warum diese große Spanne von Symptomatiken besteht und warum einige Patienten das merken und andere nicht. Bei der Diagnostik spielt es dann doch eine Rolle, weil wir wissen, dass Vorhofflimmern mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Schlaganfalls einhergeht. Und das trifft ja auch die Patienten, die die Rhythmusstörung nicht spüren. Aufmerksamkeit und Forschen ist inzwischen in den Leitlinien empfohlen. Patienten sollten ihren Puls kontrollieren und Menschen, die eine Grunderkrankung haben, die häufiger zu Vorhofflimmern führt, noch sensibler mit Symptomatiken umzugehen.

Was passiert beim Arzt?

Prof. Geller: Es gibt unterschiedliche Formen. Wenn es angefangen hat und immer wieder vorkommt, genügt ein normales EKG zur Dokumentation. Am Anfang ist das Vorhofflimmern oft erst episodenartig vorhanden und dann kann es manchmal schwierig sein, während der Phase der Rhythmusstörung auch die EKG-Dokumentation zu erreichen. Früher war dann ein Langzeit-EKG eine gute Diagnosemöglichkeit – ob nun über 24, 48 und manchmal sogar 72 Stunden. Heute spielen Eventmonitore bei Beschwerden oder auch Smartwatches eine große Rolle, episodenartig auftretendes Vorhofflimmern zu dokumentieren. Ein EKG ist nun einmal die einzige Möglichkeit, eine Rhythmusstörung zu dokumentieren, es ist der Schlüssel zur weiteren Therapie. Früher war das mitunter nicht einfach, denn die Patienten hatten ja beim Arztbesuch manchmal dann keine Episode und das EKG war unauffällig.

Ab welchem Alter sollte man sich Homediagnostik angewöhnen?

Prof. Geller: Da die Hälfte nichts von ihrer Erkrankung weiß, gibt es schon Empfehlungen ab 60, 65 Jahren, auch ohne Vorerkrankung solche Möglichkeiten wie Smartwatches o. ä. regelmäßig zu nutzen.

Zurück zu den Therapien bei älteren Menschen bzw. auch Patienten mit Herzklappenfehlern, Koronarer Herzerkrankung und einer gewissen gesundheitlichen Vorbelastung – welche Therapien gibt es – medikamentös und invasiv?

Prof. Geller: Seit 60 Jahren ist die Standardtherapie eine medikamentöse Behandlung, man nimmt morgens und abends eine Tablette, um das Auftreten zu verhindern. Daneben hat sich – weil die medikamentöse Therapie oft mit Nebenwirkungen verbunden ist und mitunter auch nicht die erwünschte Wirkung zeigt, eine nicht medikamentöse Therapie – die Ablation – entwickelt. Dabei wird im Herzkatheterlabor oder bei einer minimalinvasisven Operation der Ursprungsort für das Vorhofflimmern am Herzmuskel zerstört und dadurch das Wiederauftreten der Herzrhythmusstörung dauerhaft besser verhindert als bei einer medikamentösen Therapie.

Wie kann man vorbeugen, um nicht an einem außer Takt geratenen Herzen zu leiden?

Prof. Geller: Ein wichtiger Schritt ist ein normales Gewicht, das ist einer der korrigierbaren Risikofaktoren. Die Anstrengungen, die es braucht, sind ungleich verteilt, das ist klar. Manchen fällt es leicht, den anderen schwer. Doch Gewichtsabnahme bei Übergewicht ist ein potentes Mittel, um das Auftreten von Vorhofflimmern zu verhindern. Und eine Gewichtsnormalisierung erhöht auch die Effektivität der medikamentösen Therapie oder der Katheterablation um 40 Prozent. Das kann man jedem Patienten raten. Viele benötigen häufig professionelle Hilfe und immer auch Geduld, denn Gewichtsabnahme ist ein Langzeitprojekt. Es hilft zudem auch, den Alkoholkonsum einzuschränken, wenn man sehr regelmäßig konsumiert. Zum Abschluss aber noch eine gute Nachricht: Kaffeegenuss ist förderlich.

Zum Thema Vorhofflimmern gibt es eine Sonderveranstaltung der „Frechen Fragen“: 2.11.2022, 17 Uhr, Hörsaal der Zentralklinik Bad Berka,