Berlin. Das Heizungsgesetz ist auf der Zielgeraden. Die Koalition hat es deutlich entschärft – doch das Handwerk kämpft schon mit neuen Sorgen.

Das umstrittene Heizungsgesetz ist auf der Zielgeraden, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) macht den Bürgern ein wichtiges Versprechen: Es werde kein weiteres Gesetz mit solch großen Einschnitten für die Bevölkerung geben, versprach der Minister. Die Zumutungen bei den Vorgaben zum künftigen Heizungstausch seien notwendig, verteidigte Habeck im Sender RTL das seit einem halben Jahr diskutierte Vorhaben. Aber: „So ein Gesetz dieses Kalibers kommt nicht noch mal.“

Doch ob sich die Gemüter mit dieser Zusage beruhigen lassen, wenn der Bundestag am Freitag das überarbeitete Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit den Stimmen der Ampel-Koalition beschließen wird, ist offen. Gleich zwei große Probleme tauchen jetzt auf, es geht um Geld und Vertrauen.

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Fest steht, dass neu eingebaute Heizungen künftig zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, was klassische Öl- und Gasheizungen nicht leisten können. Diese Vorgaben sollen aber ab 2024 zunächst nur für Neubauten gelten, für Bestandsbauten sollen die Kommunen zuerst mit Wärmeplänen klären, ob Hauseigentümer Aussicht auf den Anschluss an Fernwärme- oder Wasserstoffnetze haben. Aufgegeben ist auch die Verengung auf Wärmepumpen, auch neue Pelletheizungen zum Beispiel sind erlaubt, wenn ein Heizungstausch nötig werden sollte.

Problem Nummer eins: Die Förderung ist noch unklar

Die Verbote sind fixiert – aber wie der Staat die Bürger beim früher oder späten fälligen Heizungstausch genau unterstützen wird, ist weiter unklar. Die Ampel-Koalition hat bisher nur Eckpunkte für die Förderung vorgelegt, einen verbindlichen Plan will das Wirtschaftsministerium erst in den kommenden Wochen vorlegen und dann im Parlament beraten lassen. Nach den Eckpunkten soll der Zuschuss für den Einbau einer neuen Heizung bei 30 Prozent der Investitionskosten liegen, wer ein Einkommen unter 40.000 Euro hat, kann weitere 30 Prozent beantragen.

Heizungsmonteure sind aktuell heiß begehrt, viele Betriebe völlig überlastet.
Heizungsmonteure sind aktuell heiß begehrt, viele Betriebe völlig überlastet. © Getty Images | Vasil Dimitrov

Zusammen mit zusätzlichen Boni soll die Förderung im Einzelfall 70 Prozent betragen können, was in der Branche aber als „Augenwischerei“ kritisiert wird. Denn: Zugleich sollen die förderfähigen Kosten stärker begrenzt werden, die Obergrenze von aktuell 60.000 Euro im Jahr könnte für Einfamilienhäuser halbiert werden. Verbraucherschützer und Branchenverbände sind alarmiert.

Es müsse sichergestellt werden, „dass Vorhaben zum Heizungsaustausch bezahlbar bleiben“, warnt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Bei vielen Projekten, wenn Hausbesitzer etwa neue Heizkörper oder einen Pufferspeicher installieren ließen oder Erdwärme nutzen wollten, übersteige das Investitionsvolumen in der Regel die Grenze von 30.000 Euro. Die Fördergrenze dürfe nicht abgesenkt werden, auch die Begrenzung des Zuschlags für kurzfristige Investitionen (Geschwindigkeitsbonus) nur auf selbstnutzende Eigentümer sei nicht in Ordnung.

Problem Nummer zwei: Verunsicherung lässt Sanierung einbrechen

Die Wohnungswirtschaft protestiert gegen diese Auflage, aber auch der Deutsche Mieterbund ist besorgt, weil er Nachteile für Mieter befürchtet: Dass nur Eigentümer in selbst bewohnter Immobilie bestimmte Förderboni erhalten sollten, nicht aber Vermieter, sei eine große Schieflage. Norbert Azuma-Dicke vom Bundesverband der Heizungsindustrie (BDH) sagt: „In vielen Fällen gibt es bei der Investitionsförderung eine Verschlechterung, aber genaue Informationen fehlen – das ist ein totales Desaster“.

Die Aufregung um die ursprünglichen Heizungspläne und nun die Ungewissheit bei der Förderung hat Bürger und die Heizungsbranche derart verunsichert, dass viele Sanierungsprojekte auf die lange Bank geschoben oder ganz abgesagt werden. Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) spricht von einem „Marktabriss“ vor allem bei der Modernisierung im Bestand. „Es herrscht totale Verunsicherung“, berichtete Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann diese Woche vor Fachleuten der Unions-Bundestagsfraktion, die zu einer Expertenanhörung geladen hatten.

Das neue Heizungsgesetz sieht längere Übergangsfristen vor, damit Hausbesitzer erst Klarheit haben, ob ihre Immobilie ans Fernwärmenetz angeschlossen werden kann.
Das neue Heizungsgesetz sieht längere Übergangsfristen vor, damit Hausbesitzer erst Klarheit haben, ob ihre Immobilie ans Fernwärmenetz angeschlossen werden kann. © epd | Heike Lyding

„Die Betriebe können praktisch nicht beraten, sie wissen es selbst nicht. Sie können nur abwarten“, erklärt Bramann. So verfehle die Bundesregierung ihre Ziele. Der Heizungsindustrie-Verband berichtet, dass 85 Prozent der Mitgliedsunternehmen für das erste Quartal 2024 mit einer negativen oder sehr negativen Geschäftsentwicklung rechnen; eine Marktbelebung durch das Heizungsgesetz erwarteten die Betriebe in der großen Mehrheit nicht.

Wie der Klima-Effekt für 2024 aussieht, ist völlig ungewiss

Nach Zahlen des zuständigen Bundesamtes Bafa sind die Anträge auf Fördermittel für Wärmepumpen im ersten Halbjahr 2023 drastisch zurückgegangen, haben sich auf 48.800 praktisch halbiert. Stattdessen berichten Handwerksbetriebe von einem Ansturm auf Öl- und Gasheizungen im laufenden Jahr. Auch deshalb erwartet die Heizungsindustrie 2023 ein neues Rekordjahr, ihr Spitzenverband rechnet mit rund einer Million verkaufter Anlagen – zwei Drittel davon Gasheizungen und ein Drittel Wärmepumpen.

Schon 2022 hatte die Branche einen Rekordabsatz vermeldet: Die Einsparung durch den Heizungstausch habe voriges Jahr rund 2,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid betragen, lobt Azuma-Dicke vom Spitzenverband BDH. Wie der Effekt für den Klimaschutz 2024 aussehe, sei nun aber völlig ungewiss. Klar ist, dass das überarbeitete Heizungsgesetz wegen der längeren Übergangsfristen ursprüngliche Ziele der CO2-Einsparung in den ersten Jahren verfehlen wird. Minister Habeck äußert die Erwartung, dass mit den neuen Regeln zum Heizungstausch die anfangs anvisierte Kohlendioxid-Reduzierung nun bloß noch zu drei Viertel erreicht wird.