Berlin. Ein Bundeswehr-General ist vorläufig suspendiert. Er soll einen Soldaten auf den Mund geküsst haben – bei den Invictus Games.

Seit Samstag ist Generalmajor Markus K. vorläufig suspendiert. K. ist ein ranghoher Militär bei der Bundeswehr, seit einem Jahr immerhin Kommandeur des Zentrums Innere Führung in Koblenz. Eine Aufgabe, die vorläufig nun der Stabschef in Koblenz, Thomas Berger, übernommen hat. Denn: Gegen den 59-jährigen Generalmajor wird intern ermittelt.

Im Raum steht der Vorwurf "sexueller Verfehlungen", wie unsere Redaktion von Verteidigungspolitikern im Bundestag erfuhr. Am Samstagnachmittag waren die Obleute der Fraktionen telefonisch eingeweiht worden. Offiziell wird der Verteidigungsausschuss frühesten am Mittwoch informiert.

Vorfall bei den "Invictus Games" in Düsseldorf

Laut "Spiegel" ging am Freitag eine Beschwerde gegen K. ein. Generalinspekteur Carsten Breuer habe daraufhin gehandelt und ihn beurlaubt. Das weitere Verfahren liegt bei Minister Boris Pistorius (SPD) und damit zum Beispiel die Frage, ob ein Disziplinarverfahren eröffnet wird.

In Berlin erklärte das Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion, man könne und dürfe "zu Einzelpersonalangelegenheiten aus Gründen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte keine Angaben machen". Ähnlich fiel die Reaktion des Zentrums Innere Führung aus. Der Generalmajor selbst ist nicht zu erreichen.

Generalinspekteur Carsten Breuer und Verteidiungsminister Boris Pistorius (r.).
Generalinspekteur Carsten Breuer und Verteidiungsminister Boris Pistorius (r.). © IMAGO / photothek

Der Verdacht trifft einen Soldaten, der eine Vorbildfunktion ausübt

Laut dem "Spiegel" soll K. vor mehr als einer Woche am Rande der Invictus Games in Düsseldorf einen Soldaten sexuell belästigt haben. Genauer gesagt, soll er versucht haben, den Soldaten gegen dessen Willen auf den Mund zu küssen.

Nach Informationen unserer Redaktion gibt es dafür eine Reihe von Zeugen. Das Auftreten des Generalmajors auf der Veranstaltung sei schon in Düsseldorf ein Gesprächsthema hinter den Kulissen gewesen.

Ministerium verschärft Kriterien im Umgang mit sexueller Belästigung

Der Fall, der entfernt an den erzwungenen Kuss des spanischen Fußball-Verbandschefs Rubiales erinnert, ist besonders heikel, weil der Verdacht ausgerechnet auf jemanden fällt, der an der Spitze des Zentrums Innere Führung stand – und allen voran ethische Maßstäbe und eine Führungskultur bei der Truppe vorleben sollte. Wenn so jemand auch nur in den Verdacht gerät, sich übergriffig gegenüber einem Kameraden verhalten zu haben, ist die Fallhöhe besonders groß.

Gerade erst hatte das Verteidigungsministerium eine neue Grundsatzlinie vorgegeben, wie mit Fällen von sexueller Belästigung in der Bundeswehr umzugehen sei – und damit die Kriterien bei der Truppe an (strengere) gesellschaftliche Maßstäbe angepasst. Jede Form von sexueller Belästigung stellt demnach einen schwerwiegenden Angriff auf die Würde und die körperliche Integrität der betroffenen Person dar und könne deswegen nicht geduldet werden, zitiert der "Spiegel" aus dem Papier.

Häufen sich die Fälle von Fehlverhalten bei der Truppe?

Als Belästigung gelten demnach schon "Bemerkungen sexuellen Inhalts" oder das Zurschaustellen von pornografischen Bildern in den Kasernen, erst recht körperliche Übergriffe. Vorgesetzte wurden angewiesen, in solchen Fällen sofort einzuschreiten und disziplinarische Ermittlungen einzuleiten. Genau so verfuhr der Generalinspekteur bei der Beschwerde gegen K., als er den Soldaten umgehend von seinen Aufgaben entbunden hat.

Der General durfte auch nicht mehr bei einer großen Tagung in Koblenz mit dem Titel "Innere Führung stellt sich – Mit dem Handbuch zurück in die Zukunft" auftreten. Den geplant geplanten zwanzigminütigen Vortrag übernahm Generalinspekteur Breuer.

Laut "Spiegel" häufen sich in der Truppe die Fälle von sexualisiertem Fehlverhalten. Immer wieder hätten Vorgesetzte Ermittlungen gegen mutmaßliche Täter nicht nach Berlin gemeldet, verzögert oder rundweg abgelehnt. Die neue Vorschrift "Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten" trat schon Anfang September in Kraft.