Berlin. Kanzler Scholz hat noch zwei Jahre Zeit, das Bild seiner Regierung zu ändern. Was jetzt passieren muss – und auf wen es jetzt ankommt.

Die derzeitige Regierungskrise legt schonungslos offen, wie weit das Ampel-Bündnis von seinen eigenen Ansprüchen entfernt ist. Als Fortschrittskoalition wollten sich SPD, Grüne und FDP verstanden wissen, als sie vor genau zwei Jahren ihre Arbeit antraten. Statt Fortschritt erlebt das Land nun Stillstand. Mehr als drei Wochen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts können Kanzler Olaf Scholz, sein Stellvertreter Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner noch immer nicht darlegen, mit welchem Bundeshaushalt sie im kommenden Jahr regieren wollen.

Lesen Sie auch:Halbzeit für Olaf Scholz – Was Genossen vom Kanzler fordern

Zu groß sind die politischen Differenzen. Zu unvorbereitet traf das Urteil aus Karlsruhe die Regierung und ihren stets selbstsicheren Bundeskanzler. Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Etat 2024 in diesem Jahr nicht mehr final beschlossen werden kann. Die Ampel-Koalition muss sich also auf eine vorläufige Haushaltsführung einstellen. Was in den Jahren nach einem Regierungswechsel die Regel und somit Teil eingeübter politischer Praxis ist, kommt inmitten einer Legislaturperiode einem Offenbarungseid gleich.

Bundeskanzler Scholz: Wenn es in einer Fußballmannschaft nicht läuft, richten sich die Blicke auf den Trainer

Die zwei Jahre seit dem Amtsantritt von Olaf Scholz und seiner Regierung waren eine Zeit voller Krisen: Die Corona-Pandemie war noch nicht vorbei, Russlands Angriff auf die Ukraine veränderte die Sicherheitslage in Europa schon nach wenigen Wochen grundlegend und hatte für Verbraucher wie Unternehmen bedrohliche Energiepreissteigerungen zur Folge. Schließlich veränderte der Terrorangriff der Hamas auf Israel die Bedrohungssituation auch hierzulande. Regierungsvertreter weisen zurecht darauf hin, dass sie auf all diese Umstände nur reagieren konnten.

Mehr zur Regierungskrise:

Auf das Konto der Koalition gehen aber all der interne Streit, das Chaos um das Heizungsgesetz, die miserable Darstellung der Regierungspolitik und schließlich die aktuelle Haushaltskrise. Wenn es in einer Fußballmannschaft nicht läuft, richten sich die Blicke auf den Trainer. In einem schlingernden Konzern muss der Vorstandschef Rechenschaft ablegen. In einer Regierung ist es am Kanzler, die Verfahren zu ordnen und den Bürgerinnen und Bürgern seine Politik zu erklären – selbst wenn er in der aktuellen Lage dafür einräumen müsste, noch nicht alle Antworten zu haben. Beides tut Olaf Scholz nicht.

Chefkorrespondent Jan Dörner.
Chefkorrespondent Jan Dörner. © FUNKE / Foto Services | Reto Klar

Der Ampelkoalition bleiben noch zwei Jahre

Das Ziel des Sozialdemokraten ist seine Wiederwahl an der Spitze der Ampelkoalition. Nimmt man aktuelle Umfragen zur Grundlage, ist Scholz davon weit entfernt. Die Kanzlerpartei SPD liegt nur noch bei etwa 15 Prozent, nicht nur die Union kommt auf deutlich höheren Zuspruch. Auch die Demokratiefeinde der AfD hängen die SPD und ihre Koalitionspartner ab. Für einen Kanzler, der mit dem Versprechen angetreten ist, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, ist das eine dramatische Nachricht.

Scholz und sein Ampel-Bündnis müssen die verbleibenden zwei Jahre der Legislaturperiode nutzen, wollen sie nicht als Pannenkoalition in die Geschichtsbücher eingehen, mit deren Amtszeit der sprunghafte Aufstieg der Rechtspopulisten verbunden wird. Dafür sollte die Regierung den Menschen die wirtschaftlichen Sorgen nehmen, in dem sie die Inflation bekämpft und den Unternehmen im Land Sicherheit gibt. Die Energieversorgung muss gesichert und den Bürgern die Angst vor dem klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Wohnen genommen werden. Kurzum: Die Koalition muss sich aufs Regieren konzentrieren. Streit untereinander bringt das Land nicht weiter.