Berlin. Politiker reden viel, und sagen oft wenig. In ihrem Buch zeigen Jörg Quoos und Lars Haider, wie gefährlich diese Strategie werden kann.

Die Kommunikation des Bundeskanzlers und seiner Ampel-Regierung macht viele Bürger sprachlos. Die Funke-Journalisten Jörg Quoos und Lars Haider haben ein Buch darüber geschrieben und versuchen zu erklären, warum Politiker so reden, wie sie reden – und wie man sie versteht. „Der Blabla-Wumms“ ist im Klartext-Verlag erschienen, hier lesen Sie einen Auszug vorab.

Dass Politiker seltsam sprechen, dass sie Fragen ausweichen und Floskeln für Aussagen halten, ist keine neue Erkenntnis. Schon im Jahr 1972 machte sich der große Komiker Loriot darüber in seiner „Bundestagsrede“ lustig: „Meine Damen und Herren, Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch – ohne darum herumzureden – in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenige Worte zusammenfassen: erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftsweisenden Parteiprogramms.“

Das war lustig, aber rund 50 Jahre später ist uns das Lachen vergangen. Mit dem Amtsantritt des neunten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland hat die politische Sprachverwirrung babylonische Ausmaße erreicht. Ausgerechnet in einer von mehreren zeitgleich auftretenden Krisen geprägten Zeit, in der es viel zu erklären gäbe und die Menschen unbedingt verstehen müssten, um was es geht, ist die Kommunikation zwischen der Politik und den Bürgern gestört wie nie. Was in der langen Ära Merkel begann, in der die Menschen bewusst nicht mit Politik belästigt werden sollten, in der Entscheidungen als alternativlos verkauft und deshalb nicht groß erklärt wurden, hat unter Olaf Scholz einen neuen Höhepunkt erreicht.

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„Dieses aggressive Schweigen, dieser minimalistische Kommunikationsansatz gepaart mit dem hanseatischen Stoizismus ist schon verwunderlich“, sagt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Es schmerze ihn geradezu, dass Scholz auf Fragen nicht antwortet, „obwohl er es könnte“. Der Befund ist eindeutig und man kann ihn noch drastischer beschreiben. Der Politikjournalist Nikolaus Blome, der seit vielen Jahren über die Bundesregierungen und ihre Kanzler berichtet, macht das so: „Olaf Scholz stellt man eine Frage und er beantwortet eine andere. Wenn man von ihm wissen will, wie spät es ist, sagt er: ‚Es regnet.‘ Das ist eine Form von Kommunikationsverweigerung, die ich bislang von niemandem kannte.“

Politiker wollen in Interviews „möglichst wenig preisgeben“

Dass jemand, der so spricht, wie Scholz spricht, Bundeskanzler werden kann, zeigt, was die Politik in den vergangenen Jahrzehnten mit der Sprache gemacht hat und umgekehrt. Der ehemalige „Heute Journal“-Moderator Claus Kleber hat zu seinem Abschied dem Spiegel dazu Folgendes gesagt: „Es ist ein merkwürdiges Wettrennen darum entstanden, in Interviews möglichst wenig preiszugeben und sich dann mit einem triumphierenden Lächeln zu verabschieden.“ BundesfinanzministerChristian Lindner spricht, bezogen auf die wegen des russischen Einmarsches in der Ukraine benötigten zusätzlichen Gasimporte nach Deutschland, von „meiner Prüfidee, dass die Europäische Union einen atmenden Deckel für Importgas einführt“.

Omid Nouripour, Chef der Grünen, sagt in der Talksendung von Maybrit Illner über atmosphärische und sonstige Störungen in der Ampel-Koalition: „Ich glaube, dass wir besser werden müssen in der Synchronisation der Vertrauensgrundlage, in der wir arbeiten.“ Was soll das heißen? Was meint der Kanzler, wenn er erst von einem „Wumms“ und ein paar Monate später von einem „Doppel-Wumms“ spricht? Gibt es den auch in drei- und vierfach? Und spricht man so eigentlich zu Bürgern, zu Wählern beziehungsweise zu den „Menschen da draußen“, wie wir von der Politik auch gern genannt werden, als würden wir weit, weit weg irgendwo auf dem Land sitzen und sowieso nicht verstehen können, was richtig und wichtig für uns ist?

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen sagt, dass Deutschland endlich eine politische Kommunikation brauche, „die die Menschen nicht für dumm hält“ und in der die Entscheider die eigene Bevölkerung und deren Bereitschaft, sich mit größeren Zusammenhängen auseinanderzusetzen, nicht unterschätzen. Die viel beklagte Politikverdrossenheit, die ihren sichtbarsten Niederschlag in den zu geringen Beteiligungen an Landtags- und Bundestagswahlen hat, entsteht auch dadurch, dass man mit Wählern so redet, als hätten sie gerade erst das Alphabet gelernt. Wer nicht versucht, sich gemeinsam über etwas zu verständigen, und zwar so, dass möglichst viele mitreden können, kommt irgendwann an den Punkt, dass das Verständnis für den anderen schwindet.

In dem Buch „Der Blabla-Wumms“ von Jörg Quoos und Lars Haider geht es um die Kommunikation von Politikern, die oft nicht auf Verstandenwerden ausgelegt ist.
In dem Buch „Der Blabla-Wumms“ von Jörg Quoos und Lars Haider geht es um die Kommunikation von Politikern, die oft nicht auf Verstandenwerden ausgelegt ist. © Klartext | Klartext

Publizist Lucke über Scholz: „Ich-weiß-alles-besser“-Gestus

Es ist nicht anders als in einer Ehe: Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat, wenn man sich nicht mehr darüber einigen kann, was wichtig ist und was nicht, geht man getrennte Wege. Das ist schon in einer Familie tragisch, in einer Demokratie kann es dramatisch werden. Wer sich in ihr einen neuen Partner sucht, landet schnell bei Populisten, Radikalen und Extremisten. Die AfD hat ihren Erfolg auch dem Umstand zu verdanken, dass andere Parteien den Wählern zu bestimmten Themen nichts zu sagen hatten. Oder dass das, was sie zu sagen hatten, so schwammig und unkonkret war, dass die Betroffenen damit nichts anfangen konnten.

Der Publizist Albrecht Lucke staunt angesichts der geschilderten Lage einerseits über den „Ich-weiß-alles-besser“-Gestus von Olaf Scholz und andererseits über dessen Formulierungsschwächen. „Er findet für vieles nicht die richtigen Worte“, sagt Lucke. „Das ist in Krisenzeiten, in denen die Menschen jemanden brauchen, der sie mitnimmt und der menschlich agiert, ein großes Problem.“ Die NZZ schreibt zum gleichen Thema: „Olaf Scholz hat die Methode der obstinaten Antwortverweigerung zur Meisterschaft gebracht. Deshalb ähneln sich seine Äußerungen, ob im Fernsehen oder vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wie ein Toblerone-Stück dem anderen. Wie in der Werbung steht die Wiederholung des Immergleichen im Zentrum.“

Von einer „Rhetorik der Realitätsverleugnung“ ist die Rede, eine Formulierung, an die der Linken-Politiker Gregor Gysi anknüpft. Es sei eine politische Kommunikation entstanden, die Erwartungen des Publikums an Information und mögliche Meinungsbildung verachte. Inzwischen gäbe es Politiker, die sich so an ihre nichtssagende Sprache gewöhnt hätten, dass sie gar nicht mehr anders reden könnten, selbst wenn sie wollten. Die Sprache des politischen Betriebes sei zunehmend „hohl und unattraktiv geworden“, so Gysi weiter, dabei gehe es darum, „diejenigen, die später mit politischen Beschlüssen leben müssen, bereits am Prozess der Entscheidungsfindung zu beteiligen“.

Warum tun sie es dann nicht? Warum sprechen so viele (nicht alle) Politiker so, wie sie sprechen und reden, ohne etwas zu sagen? Wieso antworten sie nicht auf die Fragen, die man ihnen stellt? Was bringt es, immer neue Wortungetüme zu erfinden wie Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung und sich von allen Formulierungen immer die komplizierteste auszusuchen? Können Politiker nicht anders, wollen sie nicht anders, dürfen sie nicht anders? Im Buch „Der Blabla-Wumms“ geht es um genau diese Fragen – und die wahrscheinlichsten Antworten darauf.