Berlin. Bei den Wählern ist die Regierung unten durch. Doch solange die Mehrheit im Bundestag steht, hat sie ihre Legitimation nicht verloren.

Die Aufgabe einer parlamentarischen Opposition besteht darin, sich von der Regierung und ihrer Mehrheit abzugrenzen, diesen das Leben schwer zu machen und sich selbst für einen möglichen Machtwechsel in Stellung zu bringen. Dabei sind die Grenzen zwischen seriöser Oppositionsarbeit und Klamauk häufig fließend. Nicht alle Wortmeldungen und Forderungen sind ernst zu nehmen. Mitunter geht es nur um Stimmungsmache – oder darum, das Publikum zu verwirren.

In diese Kategorie fallen in der Bundespolitik zurzeit sämtliche Forderungen nach vorgezogenen Neuwahlen. Unions-Fraktionsvize Alexander Dobrindt hat sich gerade wieder entsprechend eingelassen. Er sagt mit Blick auf den jüngsten Haushaltsstreit: „Das Ampel-Experiment hat seine Legitimation verloren.“ Dobrindt plädiert für Neuwahlen am 9. Juni 2024, parallel zur Europawahl.

Politik-Korrespondent Thorsten Knuf
Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

Richtig ist, dass die Ampel-Koalition bei den Wählern ziemlich unten durch ist, wie aktuelle Umfragen belegen. Ein Blick ins Grundgesetz, Artikel 68, zeigt aber, dass das nicht reicht, um als Regierung die Legitimation zu verlieren. Erst wenn der Kanzler keine parlamentarische Mehrheit mehr hinter seiner Person vereinen kann, kommen Neuwahlen infrage.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben die Hürden für eine Auflösung des Bundestags bewusst hoch gesetzt. Die Ampel mag die Wähler seit geraumer Zeit schwer enttäuschen. Aber dafür, dass Olaf Scholz‘ Mehrheit im Bundestag nicht mehr sicher ist, gibt es nicht das geringste Anzeichen. Bislang ist keine einzige Abstimmung über ein Ampel-Gesetz gescheitert. Solange das so ist, sind sämtliche Forderungen nach Neuwahlen obsolet und Ausdruck puren Wunschdenkens.