Berlin. Wütende Bauern hatten Vizekanzler Robert Habeck am Verlassen einer Fähre gehindert. Die Reaktionen auf die Blockade sind eindeutig.

Nach der Protestaktion wütender Bauern gegen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hagelt es Kritik. „Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein“, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit am frühen Freitagmorgen auf der Plattform X, vormals Twitter.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wurde gegenüber dieser Redaktion deutlich und warnte: „Wenn Politiker von einem aufgepeitschten Mob zu Hause aufgesucht und als ‚Volksverräter‘ beschimpft werden, wenn sie symbolisch an Galgen aufgehängt werden oder wie jetzt Vizekanzler Robert Habeck in seinem Privatleben bedroht und bedrängt werden, dann sind das massive und inakzeptable Grenzüberschreitungen.“

Faeser rief die demokratischen Kräfte dazu auf, der Radikalisierung früher entgegenzutreten. „Der Rechtsstaat greift durch, wenn die roten Linien des Strafrechts überschritten werden und verbales Aufhetzen in Radikalisierung und Gewalt mündet. Aber dem schon viel früher Einhalt zu gebieten, ist die Verantwortung aller demokratischen Kräfte“, sagte sie. „Diese Verantwortung muss viel ernster genommen werden.“ Dazu gehöre eine klare Abgrenzung von radikalen Kräften.

Habeck war am Donnerstag von mehr als 100 aufgebrachten Landwirten am Verlassen einer Fähre gehindert worden und hatte auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen, wo er im Urlaub gewesen war. Die Blockade von Habecks Ankunft im Fährhafen Schüttsiel „ist beschämend und verstößt gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders“, erklärte Hebestreit weiter.

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Auch die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, zeigte sich entsetzt: „Es ist erschreckend, was dort passiert ist und empört mich zutiefst. Es ist eine völlige Grenzüberschreitung und ein Angriff auf die Privatsphäre von Robert Habeck“, teilte sie mit. Dies habe nichts mit friedlichem Protest in einer lebendigen Demokratie zu tun. „Ein solches Handeln ist durch nichts zu rechtfertigen. Vom Bauernverband erwarte ich, dass er diese Angriffe in aller Schärfe verurteilt und sich von solchen Aktionen distanziert.“

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Baerbock über Bauern-Aktion: „Demokratische Grenze überschritten“

Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf der Plattform X: „Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren.“

Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) übte auf X Kritik an der Aktion: „Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten.“ Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, weite Teile der Gesellschaft teilten aus guten Gründen den Konsens, dass man zivilisiert miteinander umgehe und streite. „Ich messe da immer mit gleichem Maß, ob bei Klimaklebern oder bei den Bauern am Fährhafen: Gewalt und Nötigung sind verachtenswert und schaden auch dem Anliegen.“

Umweltministerin Steffi Lemke schrieb auf X: „Das ist das Gegenteil von dem, was ich heute in der durch Hochwasser gebeutelten Region Mansfeld-Südharz erlebte – Solidarität, Zusammenhalt, Respekt, Zusammenarbeit unterschiedlichster Gruppen für den Schutz der Bevölkerung.“ Sie erwarte eine klare Distanzierung des Bauernverbands, erklärte Lemke.

Bauern protestieren gegen geplanten Abbau von Subventionen

Eine Sprecherin Habecks sagte der Deutschen Presse-Agentur am Abend zu dem Vorfall am Fähranleger, der Minister sei gerne bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen. „Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen.“ Laut Polizei beruhigte sich die Lage schnell, nachdem die Fähre abgelegt hatte. Anzeigen lagen am Abend nicht vor.

„Landfriedensbruch steht schon im Raum“, sagte ein Polizeisprecher auf die Frage, ob trotzdem ermittelt werde. Mittlerweile hat nach Angaben der Flensburger Polizei das Festland erreicht. „Herr Habeck ist gut zu Hause angekommen“, sagte ein Sprecher am Freitagmorgen. Der Wirtschaftsminister habe eine Extra-Fähre genommen und sei gegen 2.30 Uhr zu Hause angekommen. Es habe auch keine weiteren Proteste gegeben. Auch der Sprecher Habecks bestätigte die Ankunft Habecks auf dem Festland.

Die Bauern sind wegen des von der Ampel-Koalition geplanten Abbaus von Subventionen empört. Am Donnerstag reagierte die Bundesregierung auf die massiven Bauernproteste: Die Koalition will auf die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel solle gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden. Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen aber für unzureichend – und hält an einer ab Montag geplanten Aktionswoche fest.

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