Berlin. Auf Demos fordern Tausende Menschen, die Partei zu verbieten. Versuche scheiterten schon bei der NPD. Doch dieses Mal ist etwas anders.

Ob Berlin, Potsdam, Duisburg, Düsseldorf, Hamburg oder anderswo: In mehreren deutschen Städten gingen in den vergangenen Tagen Zehntausende Menschen gegen die AfD auf die Straße. Die Enthüllungen der Recherche-Plattform „Correctiv“ über die Pläne der extremen Rechten, massenhaft Menschen abzuschieben und Deutschen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, haben nicht nur Empörung hervorgerufen. Sie haben auch die Debatte um ein AfD-Verbot neu angefacht. Aber wie würde der Weg dahin überhaupt aussehen? Und welche Aussichten auf Erfolg hätte ein Verbotsverfahren?

AfD verbieten: Wie funktioniert das Verfahren?

Parteien sind als Organe der politischen Willensbildung in Deutschland geschützt, aber nicht unantastbar: Das Grundgesetz legt fest, dass sie verfassungswidrig sind, wenn sie „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Ein Verfahren, die Verfassungswidrigkeit feststellen zu lassen, können Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung anstoßen. Die Entscheidung, ob eine Partei verboten wird, liegt beim Bundesverfassungsgericht.

Gab es schon einmal ein Parteiverbot?

Seit 1949 wurden in der Bundesrepublik erst zwei Parteien verboten: Die Sozialistische Reichspartei (SRP), eine Nachfolge-Partei der NSDAP, im Jahr 1952. Vier Jahre später folgte das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Versuche, die NPD zu verbieten, scheiterten dagegen zweimal. Ein erstes Verfahren wurde 2003 eingestellt, weil V-Leute des Verfassungsschutzes in Führungsgremien der Partei aktiv waren und mehrere Richter eine mögliche „fehlende Staatsferne“ sahen. Die Frage, ob die NPD verfassungswidrig ist, wurde damals nicht geklärt.

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In einer Entscheidung im zweiten Verfahren bescheinigte das Bundesverfassungsgericht der Partei dann zwar, auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinzuarbeiten und ein Konzept zu vertreten, das mit Menschenwürde und Demokratie unvereinbar ist. Allerdings sah das Gericht damals keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Partei ihre Ziele auch durchsetzen könnte – die NPD war nach Meinung des Gerichts schlicht zu irrelevant.

Was spricht dafür?

Nicht erst seit Bekanntwerden des Treffens in Potsdam warnen Verfassungsschützer, dass die AfD eine konkrete Bedrohung für die Demokratie darstellt. Mehrere Landesverbände der Partei werden von den Verfassungsschutzämtern der Länder als gesichert rechtsextrem eingestuft, die Gesamtpartei wird beobachtet. Ihr Status als Partei, die noch dazu in fast allen Landtagen und im Bundestag vertreten ist, sichert der AfD gleichzeitig politischen Einfluss, Geld und öffentliche Aufmerksamkeit. Ein Verbot würde die organisierte Rechte in Deutschland deshalb weit zurückwerfen.

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Der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, CDU-Politiker Marco Wanderwitz, wirbt seit dem vergangenen Jahr um Unterstützung für ein Verbot. „Da geht es um die Frage: Sind sie rechtsradikal und bekämpfen sie aggressiv die freiheitlich-demokratische Grundordnung?“, sagte er vor einigen Tagen. „Mittlerweile ist die AfD das, was die NPD gewesen ist. Rechtsradikaler geht‘s nicht.“ SPD-Chefin Saskia Esken will ein Verbot nicht ausschließen.

Was spricht gegen ein AfD-Verbot?

Ein Verbotsverfahren ist kompliziert, mit Unsicherheit behaftet und dauert. Das zweite Verfahren gegen die NPD wurde 2013 angestrengt, erst 2017 fiel eine Entscheidung. Auch bei vielen, die die AfD für eine Gefahr halten, ist die Skepsis gegenüber einem Verbotsverfahren deshalb groß. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte dem „Tagesspiegel“, für ein Parteiverbot müssten die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie angegriffen werden, „und zwar in einer aggressiv-kämpferischen Art, etwa in Form eines mehr oder weniger gewaltsamen Umsturzes“.

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Man sollte einen Verbotsantrag in Karlsruhe laut Papier nur dann stellen, wenn man hinreichende Informationen hat, um das zu belegen. „Nach meinem Informationsstand halte ich einen Verbotsantrag derzeit für falsch. Das würde der AfD nur in die Hände spielen.“ Dieses taktische Argument wird immer wieder ins Feld geführt: Vor der Europawahl und drei Landtagswahlen in diesem Jahr könnte ein Verbotsverfahren aussehen wie der Versuch, politische Gegner mundtot zu machen – und der AfD unterm Strich mehr nutzen als schaden. Der derzeitige Ostbeauftragte Carsten Schneider (SPD) sieht die Gefahr, dass sich dann selbst Leute mit der Partei solidarisieren könnten, die bisher nicht mit ihr sympathisieren.

Welche Erfolgsaussichten hätte ein Verbotsverfahren gegen die AfD?

CDU-Mann Wanderwitz sieht gute Chancen für den Erfolg eines Verbotsverfahrens: Anders als die NPD sei die AfD weder von V-Leuten durchdrungen noch unbedeutend. Bundesweit steht die Partei in Umfragen stabil bei mehr als 20 Prozent, in den ostdeutschen Bundesländern sogar jenseits der 30 Prozent.

Die Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff weist dagegen darauf hin, dass Enthüllungen wie der Bericht über die Konferenz in Potsdam nur ein „Mosaikstein“ für ein Verbotsverfahren sein könnten. Wirksamer wäre ihrer Einschätzung nach ein Verfahren der Grundrechtsverwirkung gegen einzelne Politiker wie Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD in Thüringen. Damit könne die Wählbarkeit entzogen und politische Betätigung untersagt werden.