Paris. In Frankreich treten zwei Überflieger mit Blitzkarriere gegeneinander an. Sie haben viel gemeinsam und sind doch totale Gegensätze.

Der eine, Gabriel Attal, wurde soeben im Alter von 34 Jahren zum jüngsten Premierminister der französischen Nachkriegsgeschichte gekürt; der andere, Jordan Bardella, ist trotz seiner nur 28 Jahre bereits seit über einem Jahr der Chef der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) und will Attal 2027 als Regierungschef beerben. Die zwei Überflieger mögen erbitterte Gegenspieler sein, eines ist ihnen gemeinsam: Sie sind keineswegs irgendwelche vielversprechende Youngster, sondern Frankreichs Superstars der Politikszene. Und wäre ihr sich gerade anbahnendes Duell ein Tennismatch, würde es auf dem Center Court vor ausverkauften Rängen stattfinden.

In Wahrheit ist Attal und Bardella noch sehr viel mehr gemein. Beide gelten als die Kronprinzen ihrer Mentoren Emmanuel Macron und Marine Le Pen, beide verkörpern mit ihrem blendenden Aussehen den Typus des idealen Schwiegersohns, beide haben eine politische Blitzkarriere hingelegt und beide zählen zu den populärsten Politikern des Landes. Die Liste ließe sich sogar noch fortsetzen, wenn die Sprache auf ihren gekonnten Umgang mit den Medien, ihre rhetorische Gewandtheit und ihre Anziehungskraft auf Jungwähler kommt.

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Bardella wurde in Frankreich geboren – mit italienisch-algerischen Wurzeln

Das klingt umso erstaunlicher, als das Umfeld, aus denen sie stammen, kaum unterschiedlicher sein könnte. Während Attal als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie in Paris aufwuchs, an eines der besten Gymnasien der Hauptstadt ging und ein Politikstudium an der Elite-Hochschule Science-Po absolvierte, erblickte Bardella als Einwandererkind mit italienischen sowie algerischen Wurzeln in einer Sozialbausiedlung des Pariser Vororts Drancy das Licht der Welt und brach später trotz eines ausgezeichneten Abiturs sein Geschichtsstudium ab.

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Doch zurück zu den Gemeinsamkeiten. Ehrgeizig und brillant zu sein, wurde sowohl Attal als auch Bardella schon früh nachgesagt. Und beide zog es früh in die Politik, allerdings in verfeindete Lager. Attal wurde als 17-Jähriger Mitglied der Sozialistischen Partei, bevor der zu den ersten „Überläufern“ in die von Macron gegründete Mitte-Partei En Marche wechselte, die heute Renaissance heißt. Bardella seinerseits trat bereits mit 16 Jahren dem mittlerweile auf Rassemblement National umgetauften Front National bei.

NameAlice Elisabeth Weidel
Geburtsdatum6. Februar 1979
SternzeichenWassermann
AmtAfD-Bundesvorsitzende
ParteiAlternative für Deutschland (AfD)
Parteimitglied seit2013
Familienstandeingetragene Lebenspartnerschaft, zwei Kinder
WohnortÜberlingen, Einsiedeln (Schweiz)

Macron und Le Pen vertrauen ihren politischen Ziehsöhnen blind

Attals steiler Weg nach oben führte über eine Parlamentsassistenz, einen Beraterposten im Gesundheitsministerium, die Führung der sozialistischen Opposition im Stadtrat von Vanves und ein 2017 errungenes Abgeordnetenmandat, bevor er von Macron erst zum Regierungssprecher, dann zum beigeordneten Minister für die Staatsfinanzen, schließlich zum Bildungsminister und Anfang Januar zum Regierungschef befördert wurde. Schlag auf Schlag ging es auch für Bardella, der unter anderem Assistent eines RN-Europaabgeordneten war, dann der Jugendorganisation seiner Partei vorstand, mit 23 Jahren als RN-Spitzenkandidat die Europawahlen 2019 gewann und im November 2022 den Parteivorsitz von Marine Le Pen übernahm, die sich seither auf ihre Rolle als RN-Fraktionschefin und Oppositionsführerin im Parlament konzentriert.

Gabriel Attal (li.) wurde von Präsident Emmanuel Macron (re.) zum Regierungschef ernannt und hat die Chance, sich zu profilieren.
Gabriel Attal (li.) wurde von Präsident Emmanuel Macron (re.) zum Regierungschef ernannt und hat die Chance, sich zu profilieren. © AFP | Ludovic Marin

Macron wie Le Pen vertrauen ihren politischen Ziehsöhnen blind, was ihnen in beiden Fällen mit Nibelungentreue vergolten wird. In den Augen zahlreicher Beobachter wollte der Präsident, der sich 2027 nach zwei Amtszeiten nicht für ein weiteres Mandat bewerben kann, mit der alle Welt überraschenden Berufung Attals zum Regierungschef auch seinen potenziellen Nachfolger im Élysée-Palast in Stellung bringen. Doch da gibt es ein kleines Problem: Marine Le Pen. Die Rechtsextremistin macht kein Geheimnis daraus, dass sie 2027 zum vierten Mal als Präsidentschaftskandidatin anzutreten gedenkt. Und für den Fall ihres Sieges hat sie Bardella bereits öffentlich dessen Ernennung zu ihrem Premier versprochen.

Marine Le Pen und ihr politischer Ziehsohn Jordan Bardella, seit einem Jahr Chef der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN). 
Marine Le Pen und ihr politischer Ziehsohn Jordan Bardella, seit einem Jahr Chef der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN).  © AFP | BERTRAND GUAY

Für Frankreich sind die Europawahlen ein Stimmungstest

Doch vor den nächsten Präsidentenwahlen stehen in diesem Sommer erst einmal Europawahlen an, denen in Frankreich eine ähnliche Bedeutung zukommt wie den Halbzeitwahlen (Midterms) in den USA. 2019 unterlag die Präsidentenpartei Renaissance dem von Bardella in die Schlacht geführten RN denkbar knapp mit einem Rückstand von 0,9 Prozent. Diesmal jedoch droht ihr laut Umfragen, die den erneut mit Bardella als Spitzenkandidaten antretenden Rechtsextremisten einen Vorsprung von rund 10 Prozent vorhersagen, eine katastrophal anmutende Niederlage. Bloß sind erstens Umfragen, die so lange vor dem Stichdatum gemacht werden, grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Und zweitens gibt es da ja jetzt noch Attal, den neuen Hoffnungsträger. Auf ihn setzt Macron, um dem hochfavorisierten Bardella möglichst viele Stimmen abzujagen.

Das Duell, für welches die Kulissen schon stehen, läuft auf einen letzten indirekten Schlagabtausch zwischen Macron und Le Pen hinaus. Indirekt, weil die ewigen Kontrahenten diesmal jeweils ihren ihnen tatsächlich alles verdankenden Champion als Stellvertreter ins Rennen schicken. Wobei Attal das Handicap der Doppelbelastung hat, da er gleichzeitig die Regierungsgeschäfte führen muss. Ein Schönheitsfehler kommt hinzu: Offiziell steht er gar nicht zur Wahl. Doch dass zumindest Letzteres unwichtig ist, unterstreicht schon allein der Umstand, dass Renaissance ihren Spitzenkandidaten für die Wahlen in der EU noch gar nicht ernannt hat. Ein Wunder ist das nicht, denn wer auch immer diese Rolle übernehmen wird, dürfte bestenfalls die zweite Geige spielen.