Madrid/Berlin. Spanien hat sich in den vergangenen Jahren zur Drogendrehscheibe Europas entwickelt. Die dortigen Fahnder sind weitgehend machtlos.

Es ist ein ungleicher Kampf. „Wir sind machtlos“, bekannte dieser Tage ein Fahnder, der an der südspanischen Küste Jagd auf Drogenschmuggler macht. „Die Mafia ist viel besser ausgerüstet als wir.“ Gerade erst mussten die Beamten zwei Kollegen beerdigen, die bei der Verfolgung eines Schmugglerbootes umkamen. Die Polizisten waren im Atlantikhafen Barbate in einem kleinen Schlauchboot auf Patrouillenfahrt. Sie hatten in ihrem Mini-Gummiboot keine Chance gegen das sehr viel größere und stärkere Schmugglerschiff, von dem sie in der Hafenausfahrt gerammt und versenkt wurden.

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Spaniens Sicherheitsbehörden sprechen inzwischen von einem Krieg der Drogenmafia. Immer größere Mengen an Haschisch werden von Marokko, dem wichtigsten Cannabis-Lieferanten Europas, übers Mittelmeer nach Südspanien transportiert. Die Schmuggler reagieren, wenn sie entdeckt werden, zunehmend mit brutaler Gewalt. „Sie wollen ihre Ware nicht verlieren”, erläutert ein Sprecher der Polizeigewerkschaft AUGC. „Wenn sie für die Durchführung ihres Transports jemanden töten müssen, tun sie das.”

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    In Deutschland soll der Bundestag am Freitag die von der Ampelkoalition geplante Änderung des Cannabis-Gesetzes beschließen. Das Regierungsbündnis will den Besitz und Konsum von Cannabis teilweise legalisieren. Ziel ist auch, die kriminellen Strukturen des Drogenmarkts aufzubrechen.

    Ob die Vorgänge in Deutschland die marokkanischen Produzenten beeindrucken und die spanischen Fahnder entlasten werden, sei einmal dahingestellt. Bislang liefern die sich ein ungleiches Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Drogenbarone meistens gewinnen.

    Drogenschmuggel: Ein ungleicher Kampf an der Meerenge von Gibraltar

    Ihre Schiffe sind mit Motoren ausgestattet, die ihre Boote auf über 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Auch mit mehreren Tonnen Cannabis-Harz an Bord sind sie schneller als die Polizei. Die Schmuggler operieren vor allem in der Nähe der Meerenge von Gibraltar, welche Südeuropa von Marokko trennt. Dort ist das Mittelmeer an seiner schmalsten Stelle nur knapp 14 Kilometer breit. Ideale Bedingungen also, um Spanien in Europas größte Drehscheibe für Cannabis zu verwandeln.

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    Nahezu täglich kommen Haschisch-Schiffe aus Nordmarokko in Südspanien an. Meistens im Schutz der Nacht. Manchmal tauchen sie sogar am Tag auf und laden ihre heiße Ware an den spanischen Stränden der Costa de la Luz oder der Costa del Sol ab. An der Küste werden die Pakete von Helfern in Empfang genommen und in Geländewagen verladen. Dabei lassen sich die Kriminellen auch von den Touristen am Strand nicht stören.

    Dass die Schmuggler wenig Angst haben, liegt noch an einem anderen Grund: „Sie haben auch Polizisten auf ihrer Gehaltsliste und kontrollieren jede Bewegung der Sicherheitskräfte“, berichtet der Journalist Nacho Carretero, der die Drogenmafia seit Jahren beobachtet und einer der besten Kenner der Szene ist. „Sie sind ihren Verfolgern immer einen Schritt voraus. Sie haben Informanten, mehr Geld und bessere Technologie.“ Und sie profilieren sich in manchen Orten der strukturschwachen Region als Wohltäter.

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    Spanien: Die Regierung setzt auf Härte gegen die Drogenmafia

    Einer dieser Drogenorte im Süden heißt La Línea de la Concepción. „Wir haben hier im Schnitt 30 Prozent Arbeitslosigkeit“, sagt Bürgermeister Juan Franco. In einigen Wohnvierteln seien sogar 60 und bei den jungen Leuten bis zu 80 Prozent ohne Job. Solange man aus dieser sozialen und wirtschaftlichen Krise keinen Ausweg finde, werde man auch das Drogengeschäft nicht unter Kontrolle bekommen.

    Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska setzt derweil im Kampf gegen den Haschisch-Schmuggel auf Härte. Er will die Drogenfahnder an Spaniens Südküste weiter aufrüsten. Mit mehr Personal und mit größeren und vor allem schnelleren Patrouillenbooten. Er sieht den Kampf gegen die spanisch-marokkanische Haschisch-Mafia als „Geschichte des polizeilichen Erfolgs“.

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    Seine Beamten haben in den vergangenen fünf Jahren nahezu 20.000 Drogenschmuggler erwischt, erklärt er. Und sie hätten dabei rund 1500 Tonnen Haschisch sichergestellt. Nach Einschätzung von Experten ist dies freilich nur ein geringer Teil jener Cannabis-Menge, die in Spanien in dieser Zeit übers Meer kam und von dort zum Teil nach Nordeuropa weitergeschleust wurde. Das weiß natürlich auch Spaniens Innenminister, der beim Besuch seiner Anti-Drogen-Einheit in Südspanien vor Kurzem bekannte: „Wir haben noch viel zu tun.”

    Deutschland: Großtransporte per Lastwagen von Spanien über Frankreich

    In Deutschland befasst die Ermittler aktuell vor allem die Massen an Kokain, die organisierte Kriminelle über die Häfen in Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg aus Südamerika illegal einschmuggeln. Fast 40 Tonnen waren es 2023. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) reist diese Woche in Richtung Peru und Ecuador. Bei Cannabis ist es anders: Die Droge kommt auch hierzulande vor allem aus Nordafrika, speziell Marokko, nach Europa – jedenfalls die große Masse. So berichten es erfahrene Kriminalbeamte unserer Redaktion.

    Zoll und Polizei entdecken immer wieder Großtransporte von Spanien über Frankreich Richtung Deutschland, in Lastwagen oder Kleintransportern. Kleindealer reisen oftmals von den Niederlanden nach Deutschland ein, verstecken das Gras in Rucksäcken oder im Kofferraum. Manche verschicken die Droge auch per Post – gerade erst entdeckte ein Post-Mitarbeiter in Weimar ein Paket mit 18 Kilo Marihuana.

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    Knapp 20 Tonnen illegales Marihuana und Haschisch stellten deutsche Behörden 2022 insgesamt sicher. Ein großer Teil der Droge bauen Dealer zudem in Plantagen in Westeuropa an, meist in großen Hallen. Besorgt sind die Ermittler über den deutlich gewachsenen Anbau in Spanien selbst. Allerdings mischen immer stärker auch Drogenbanden aus Albanien in Europa mit, laut Fahndern auch in Deutschland.

    Justiz: Zahl der Straftaten mit Bezug zum Cannabis-Handel geht zurück

    Zwar beschlagnahmt die deutsche Polizei immer wieder Großplantagen, die von organisierten Banden aufgebaut wurden (mehr als 50 im Jahr 2022). Und doch sind weit über 80 Prozent „Kleinplantagen“, genutzt von Kleindealern, manchmal mit kaum mehr als 20 Pflanzen.

    Die Straftaten mit Bezug zum Cannabis-Handel gehen zudem leicht zurück, 2022 um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und doch bleiben Marihuana und Haschisch das am meisten gehandelte Rauschmittel – etwa 60 Prozent aller Drogendelikte betreffen laut Bundeskriminalamt den Handel mit illegalen Cannabis-Produkten.