Berlin. Die Bremen-Wahl ist ein spannender Stimmungstest für die Bundespolitik: Im Norden wird der politische Puls des ganzen Landes gefühlt.

Vor dem schönen Bremer Rathaus steht die weltberühmte Skulptur der Bremer Stadtmusikanten. Sie ist eine Hommage an Esel, Hund, Katze und Hahn, die im Grimm’schen Werk Synonym für das alternde Gesinde sind und sich schlau verbünden, um stark genug zu sein, um Räubern und dem eigenen Untergang zu trotzen. Auch im Bremer Rathaus wird es nach der Bürgerschaftswahl an diesem Sonntag ein kluges Bündnis brauchen, um den Stadtstaat sicher in die Zukunft zu bringen. Alleine wird es nicht gehen, die Phasen einer absoluten Mehrheit für die Sozialdemokraten sind schon lange vorbei.

In normalen Zeiten wird einer Wahl in diesem kleinen Bundesland wenig Beachtung geschenkt. Aber die Zeiten sind nicht normal. Die Welt ist im Umbruch, auch in Deutschland ist vieles in Bewegung, für manchen zu viel. Daher ist die Wahl in Bremen auch ein kleiner Stimmungstest, im Norden wird der politische Puls des ganzen Landes gefühlt.

Dabei ist vor allem interessant: Wie stark ist der westdeutsche Populismus im Jahr 2023? Mit der Gruppe „Bürger in Wut“ tritt eine Partei an, die sich nicht einmal die Mühe macht, im Namen ihren zutiefst populistischen Antrieb zu kaschieren. Demoskopen sehen sie als starke Konkurrenz zu einer AfD, die in Bremen zu dumm war, eine rechtssichere Liste einzureichen und daher der Wahl fernbleiben muss. Ein zweistelliges Ergebnis für die „Wütenden“ gilt als nicht ausgeschlossen. Lesen Sie auch: Bürger in Wut: AfD bekommt Konkurrenz aus Bremen

Wahl in Bremen: Der Spitzenkandidat hat sich Verstärkung geholt

Wird es den Sozialdemokraten gelingen, als Dauerregierungspartei im Sattel zu bleiben? Noch nie seit dem Krieg gab es einen Präsidenten des Bremer Senats ohne sozialdemokratisches Parteibuch. Ob diese politische Monokultur auch 2023 noch zeitgemäß ist, auch darüber wird der Wähler richten.

Hat die CDU eine Chance? Nach den Merkel-Jahren will Friedrich Merz im Bund die Partei zur Macht zurückführen. Im traditionell roten Bremen ist diese Mission noch schwerer. Daher hat sich der männliche Spitzenkandidat aus der Boomer-Generation weibliche Verstärkung geholt: 27 Jahre, strahlendes Lächeln, Jugendpower – nur im Kandidaten-Doppelpack sieht man bei den Konservativen offenbar eine Siegeschance. Warum nicht gleich entschlossen auf Jugend und Weiblichkeit setzen, fragen sich nicht nur die CDU-Wählerinnen und Wähler in der Hansestadt Bremen? Man darf auf den Ausgang dieses seltsamen Doppelexperiments gespannt sein.

Einen besonders unruhigen Abend wird FDP-Chef Lindner haben. Die Bremer Liberalen haben – das hat dem Chef gefallen – einen Wahlkampf pro Auto geführt. Scheitern sie, hat nicht nur die Partei, sondern auch das Automobil in der Innenstadt eine gewaltige Delle. Schon die 5,9 Prozent für die FDP bei der jüngsten Wahl waren näher am parlamentarischen Tod als am Leben.

Eine Abstimmung über den grünen Filz

Auf unfreundliche Grüße von der Basis muss sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dieses Mal einstellen. Die Bremen-Wahl ist für die Wählerinnen und Wähler die erste Gelegenheit, über grünen Filz und Amigos in der Regierung zu richten. Sie werden sie nutzen. Vier Prozentpunkte fehlen in Umfragen den Bremer Grünen bereits im Vergleich zur vergangenen Wahl, da konnte die engagierte Spitzenkandidatin noch so engagiert für mehr Radwege kämpfen. Spannend wird auch die Wahlbeteiligung sein. 2015 hatte Bremen einen Schock erlebt, als nur noch jeder Zweite zur Wahl ging. Auch in dieser Frage ist Bremen also ein Stimmungstest für die Demokratie.