Erfurt. Ministerpräsident Ramelows Forderung nach härterem Lockdown stößt in Thüringens Politik und Wirtschaft auf harsche Kritik.

Die Forderung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nach einem härteren Lockdown stößt beim Stabilitätspartner der rot-rot-grünen Minderheitskoalition auf harsche Kritik.

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„Wir lehnen einen Komplett-Lockdown der Wirtschaft ab. Das werden wir ökonomisch, aber auch gesellschaftlich nicht durchhalten. Wenn wir das Land jetzt komplett herunterfahren machen wir unsere Wirtschaft platt“, sagte Unionsfraktionschef Mario Voigt dieser Zeitung.

Viele Branchen stünden jetzt schon vor dem wirtschaftlichen Aus. Selbst wenn der geforderte harte Lockdown auf zwei oder drei Wochen begrenzt werde, werde Corona damit nicht nachhaltig eingedämmt. „Der Virus wird mit einiger Verzögerung wiederkommen. Doch die Insolvenzen, die wir mit diesem Lockdown verursachen, werden auf Dauer bleiben“, sagte Voigt.

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„Alle Entscheidungen, die wir treffen, müssen auf Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen nachvollziehbar sein – und es muss praxistauglich sowie zielgenau sein. Das gilt insbesondere, wenn über weitere Verschärfungen nachgedacht wird“, sagte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne), die auch Stellvertreterin des Regierungschefs ist. Verständnis und Akzeptanz setze nachvollziehbare Maßnahmen voraus. „Und die können - bei anhaltend hohen Zahlen – auch weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, dazu gehört auch die Arbeitswelt, beinhalten“, so Siegesmund.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Landtag, Madeleine Henfling, begrüßte Ramelows Vorschlag. „Ich halte den harten Lockdown auch für nötig. Das heißt alles runterfahren was nicht gebraucht wird und davon müssen die anderen Ministerpräsident*innen überzeugt werden“, schrieb sie bei Twitter.

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Auch die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss hielt bei dem Kurznachrichtendienst fest, dass ein verschärfter Lockdown sinnvoll sei: „Für ein paar Wochen alles, was nicht zur Pandemiebekämpfung oder zur Grundversorgung notwendig ist, zumachen.“

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Ramelow hatte dem MDR gesagt: "Wir müssen jetzt einfach einmal komplett eine Pause machen.“ Dazu sehe er keine Alternativen. „Der Fehler, den wir in ganz Deutschland gemacht haben, war, dass wir den Dezember nicht genutzt haben, um tatsächlich auch die allgemeine Wirtschaft in eine Pause zu schicken."

Die Last des Lockdowns hätten bisher Gastronomen, Einzelhändler, Kulturschaffende und Kinder getragen. Der Linken-Politiker fügte hinzu, Ansteckungen mit dem Coronavirus gebe es vor allem im Privaten, wo das Vertrauen am Größten sei. Diesen Gefährdungsmoment habe er falsch eingeschätzt.“

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Aus Sicht von FDP-Landtagsfraktions- und Landeschef Thomas Kemmerich gehen die Forderungen Ramelows vollkommen an den Realitäten vorbei. In kleinen wie großen Unternehmen werden bereits seit Monaten umfängliche Hygienekonzepte umgesetzt. Die Handlungsfähigkeit der Wirtschaft müsse soweit als möglich erhalten bleiben zum Erhalt der Zukunftsperspektiven Thüringens und Deutschlands.

Das Agieren des Linken zeige die Unfähigkeit zum Corona-Krisenmanagement, erklärte der Südthüringer FDP-Bundestagsabgeordnete Gerald Ullrich. „Es beweist, wer nur in Extremen denkt, dem fehlt jegliches Fingerspitzengefühl.“

Wirtschaft kritisiert Forderungen von Ramelow

Ramelows Forderung, die gesamte Wirtschaft in den Lockdown zu schicken, stößt bei den Betroffenen in Thüringen auf Unverständnis. Es gehe um Existenzen, zu bezahlende Mitarbeiter, aber auch um Steuergelder, die den Wohlstand der gesamten Gesellschaft sichern, ärgert sich der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, Dieter Bauhaus, über den Vorstoß. „Vor dem Verteilen kommt immer das Verdienen und im Übrigen muss auch unser Gesundheitssystem darüber finanziert werden“, sagt er.

Bauhaus fordert eine Perspektive für die vom Lockdown betroffenen Unternehmen. Bislang kämen die angekündigten staatlichen Hilfen nicht oder zu spät bei den Unternehmen an. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit einer nicht unerheblichen Pleitewelle rechnen müssen“, warnt der Kammerchef.

“Einen Opel kann man nicht im Homeoffice bauen“, reagiert auch der Geschäftsführer des Branchenverbandes Automotive Thüringen, Rico Chmelik, mit Verwunderung auf die Forderungen von Ramelow. Die Auftragsbücher in den Firmen hätten sich wieder gefüllt, rund drei Viertel der Betriebe planten Investitionen. „In dieser Situation jetzt die Handbremse zu ziehen, wäre ein fatales Signal für die gesamte Branche“, warnt Chmelik.

Die Folgen eines solchen Schrittes für die Wirtschaft wären nicht absehbar und die Auswirkungen gravierend, warnt der Präsident des Verbandes der Wirtschaft Thüringen, Hartmut Koch.

„Bei einer Komplettschließung müssen die Folgen unbedingt vorher bekannt sein und abgewogen werden, ob solche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zwingend notwendig seien“, erklärt Koch.

GEW fordert einheitliche Linie für Hochschulen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert die Landesregierung auf, nicht nur private Arbeitgeber zum Homeoffice aufzufordern, sondern selbst aktiv voranzugehen. Bei den 10 Hochschulen im Land gebe es keine einheitliche Linie, kritisiert der Vizechef der Gewerkschaft Thomas Hoffmann.

Nach Sachsen gehört Thüringen aktuell zu den Bundesländern, die besonders schwer von der Pandemie betroffen sind.

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