Erfurt. In Thüringen fehlen Lehrer. Nach Ansicht von Bildungsminister Holter könnte digitaler Unterricht Abhilfe schaffen. Doch nicht alle finden den Vorschlag gut.

Digitaler Unterricht kann nach Auffassung von Thüringens Bildungsminister Helmut Holter bei akutem Lehrermangel helfen. „Ja, auch unter dem Gesichtspunkt des Lehrermangels ist es ein Beitrag, um Fachunterricht zu ermöglichen“, sagte der Linke-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Es gehe ausdrücklich nicht darum gehe, Lehrer zu ersetzen oder Lehrerstellen einzusparen. „Es geht darum, dass moderne Unterrichtsformen Einzug halten.“ Analoger und digitaler Unterricht sollten seiner Meinung nach gleichberechtigt an Thüringer Schulen Alltag werden.

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Die 967 Schulen im Freistaat hatten während der Corona-Pandemie erstmals im großen Stil Erfahrungen mit digitalem Unterricht gemacht. Teils wurden die rund 250.000 Schülerinnen und Schüler über Wochen hinweg aus der Ferne unterrichtet – über Videoschalten, eine Lernplattform und auch mit Arbeitsblättern und Aufgaben für das Lernen zu Hause. Allerdings wurde der Distanzunterricht teils auch heftig kritisiert.

Holter bringt Hybrid-Variante ins Spiel

Holter brachte nun eine Hybrid-Variante ins Spiel. Denkbar sei beispielsweise, dass ein Fachlehrer in einer Schule Physik unterrichte – und mehrere Klassen zugeschaltet seien, aus Schulen, wo es vielleicht nicht genügend Physiklehrer gebe. „Das müsste man aber rechtlich klären, auch Datenschutzfragen gilt es zu beachten“, sagte Holter.

In Thüringen werden derzeit verschiedene Vorschläge zur Änderung des Schulgesetzes diskutiert. Ein Entwurf der Fraktionen von Linke, SPD und Grüne sieht vor, eine rechtliche Grundlage für Distanzunterricht zu schaffen.

Der Thüringer CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sieht das Vorhaben kritisch. Die Vorschläge von Rot-Rot-Grün gingen den Schulen an den Kragen, sagte er. „Sie wollen das Lehrerproblem dadurch lösen, dass man jetzt das Distanzlernen gesetzlich legitimiert. Das ist nicht unser Bild von Schule“, sagte Tischner. Man könne digitale Hilfsmittel benutzen, „und natürlich muss man sie auch in der Schule verwenden. Aber dadurch ersetzt man keine Lehrer.“

Schulen zeitweise für Nicht-Akademiker öffnen

Die FDP-Bildungspolitikerin Franziska Baum sagte, Holters Idee sei „kein großer pädagogischer Wurf“. Ein Lehrer im Stream müsse nicht unbedingt besser sein als ein Youtube-Video. Am ehesten könne sie sich ein solches Modell noch in Berufsschulen vorstellen. Baum regte an, die Schulen zumindest zeitweise für Nicht-Akademiker zu öffnen, um den Lehrermangel in den Griff zu bekommen. Als Beispiel nannte sie Fachchemiker, die keinen Hochschulabschluss hätten, aber Chemie unterrichten könnten.

Der Linke-Bildungspolitiker Torsten Wolf wies auf einen Landtagsbeschluss vom 22. Juli 2021 hin, der aus zwei Anträgen von Linke, SPD und Grünen einerseits und der CDU andererseits hervorgegangen war. Darin heißt es, der Landtag bitte die Landesregierung, „für den Fall der Abwesenheit von Lehrkräften oder Schülerinnen und Schülern über die Pandemiesituation hinaus, eine Rechtsgrundlage für Distanzunterricht und die Anwendung hybrider Unterrichtskonzepte zu schaffen“.

AfD-Fraktion kritisiert Holters Vorschlag

Die Thüringer AfD-Fraktion kritisierte Holters Vorschlag. „Nichts ersetzt den Regelunterricht, in dem Schüler mit den Lehrern interagieren und kommunizieren können“, erklärte der bildungspolitische Sprecher der Thüringer AfD-Fraktion, Denny Jankowski. Digitaler Distanzunterricht als Antwort auf den Lehrermangel sei zu einfach gedacht und zeige „die Ideen- und Hilflosigkeit“ des Bildungsministers. Jankowski forderte die Gründung einer pädagogischen Hochschule in Thüringen für die Aus- und Weiterbildung von Pädagogen und Erziehern.