Erfurt/Göttingen. In ganz Europa kam es am Dienstag zu umfangreichen Durchsuchungen der Kriminalpolizei im Zuge von Ermittlungen gegen Internetkriminalität. Ein Verdächtiger kommt aus dem Raum Schmölln.

Es ist noch dunkel, als Dienstagmorgen gegen 4.30 Uhr in neun Bundesländern rund 1000 Polizisten, Ermittler, Staatsanwälte, Sprengstoffexperten und Kriminaltechniker ausrücken und an die Türen klopfen.

Die Polizeidirektion im niedersächsischen Göttingen hat für ihre Cybercrime-Ermittlungen umfangreiche Durchsuchungen in Deutschland sowie in Litauen und Kroatien veranlasst. In Ostthüringen ist der Raum Schmölln betroffen.

Die Razzien richteten sich gegen insgesamt 22 deutsche Betreiber oder Mitglieder des Internetportals „xplosives.net“, auf dem sich unter anderem über die Herstellung von Sprengstoff und Sprengsätze ausgetauscht wurde. Das sagte am Dienstag im niedersächsischen Göttingen Uwe Lüders, der Präsident der dortigen Polizeidirektion. Aber auch Tipps zum Herstellen synthetischer Drogen werden verbreitet.

Einer der Beschuldigten lebt nach Angaben der Ermittler in Thüringen. Es soll Durchsuchungen im Raum Schmölln gegeben haben, sagte am Dienstag eine Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) in Erfurt. Weitere Angaben machte das LKA mit Verweis auf die Ermittlungen in Göttingen nicht.

Keiner der Verdächtigen im Alter zwischen 17 und 55 Jahren ist nach Aussagen der niedersächsischen Ermittler vorbestraft. Auch gebe es derzeit keine Hinweise auf extremistische Ansichten und Aktivitäten, weder im Bereich Terrorismus noch im linken oder rechten Spektrum.

Ermittlungen stehen noch am Anfang

Auch zu möglichen Anschlagszielen gebe es bisher keine Erkenntnisse. Die Ermittlungen stünden bei der Auswertung der vorgefundenen Datenträger und des in Litauen sichergestellten Servers aber erst am Anfang, betont der Polizeipräsident.

Die Experten der Polizei gehen derzeit eher davon aus, dass sich auf der seit 2006 betriebenen Internetplattform Personen in Chats zusammengengefunden haben, die sich für Sprengstoff interessieren. Bei sogenannten Conventionen sei sich in Waldgebieten getroffen worden, um die Wirkung ihrer Sprengstoffe und selbst gebastelten Sprengsätze zu testen, sagt Mathias Schroweg, Verantwortlicher für die Razzien und Leiter der Zentralen Kriminalinspektion der Polizeidirektion Göttingen. Er räumte ein, dass in einem Fall auch der Bau einer Nagelbombe bekannt geworden ist.

Bisher gebe es keine Hinweise, dass mit Sprengstoffen auf der Plattform auch gehandelt wurde, so Mathias Schroweg. Mit synthetischen Drogen sei dagegen gedealt worden. Die Staatsanwaltschaft Göttingen geht derzeit von Straftaten im Bereich des Kriegswaffenkontrollgesetzes, des Waffengesetzes, des Sprengstoffgesetzes sowie des Betäubungsmittelgesetzes aus.

Bei den Razzien in neun Bundesländern wurden am Dienstag unter anderem 127 Kilogramm Grundstoffe zur Herstellung von Sprengmitteln und Sprengstoff sowie 30 Kilogramm Grundstoffen für die Produktion synthetischen Drogen beschlagnahmt. Auch Waffen und Waffenteile sowie umfangreiche digitale Datenträger bis hin zum Server der Internetplattform in Litauen seien sichergestellt worden.

Den Einsatz unter Leitung der Polizeidirektion Göttingen sowie der Staatsanwaltschaft Göttingen unterstützen in den meisten der neun Bundesländer Polizeispezialisten für Spreng- und Brandmittel. In jedem Fall musste die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden, so Uwe Lührig.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Göttingen erfolgten am Dienstag keine Festnahmen. Das Internetportal, das über den Server in Litauen betrieben wurde, konnte komplett abgeschaltet werden.