Jena. In Jena haben 80 Bauarbeiter an einer bundesweiten Protestaktion der IG Bau mitgemacht. Während in Wiesbaden über einen neuen Tarif verhandelt wird, machen sie in ihrer Mittagspause ihrem Ärger über das Gegenangebot Luft.

  • „Aktive Mittagspause“ als Protest gegen das Angebot der Arbeitgeber
  • Falls die Tarifrunde scheitert, kann es zu Streiks kommen
  • Immer noch große Gehaltsunterschiede in Ost- und Westdeutschland

Die Bauarbeiter versammeln sich zu einer „aktiven Mittagspause“ vor der Baustelle des neuen Zeiss-Hightech-Standortes beim Bahnhof Jena-West. Während in Wiesbaden am Dienstagmittag, 9. April, über die Forderung der IG Bau von 500 Euro mehr Gehalt über alle Gehaltsgruppen hinweg verhandelt wird, ärgern sich die 80 Bauarbeiter vor Ort über das Gegenangebot der Arbeitgeber.

Falls die Tarifrunde scheitert, kann es zu Streiks kommen

Drei Prozent mehr Gehalt über zwölf Monate legten die Arbeitgeber auf den Verhandlungstisch. Für Gewerkschaftssekretär der IG Bau, Joachim Ammon, ist das ein Zeichen der geringen Wertschätzung für die Bauarbeiter von der Arbeitgeberseite. Die drei Prozent seien 20 bis 30 Cent mehr pro Stunde, laut Ammon. Eine richtige Frechheit sei es, wenn die Arbeitgeber am Verhandlungstisch dann noch von einem Leistungsmangel sprechen. „Normalerweise müssten wir schreien“, sagt Ammon. So schlimm seien die Aussagen der Arbeitgeber.

Es wird zwar weniger geschrien, dafür halten die Bauarbeiter Fahnen in die Höhe und machen ihrem Ärger mit Trillerpfeifen Luft. Sollte die kommende Tarifrunde scheitern, geht es in die Schlichtung. Falls diese dann ebenfalls kein für die IG Bau annehmbares Ergebnis bringt, droht die Gewerkschaft mit Arbeitsniederlegungen.

Bauarbeiter erfahren zu wenig Wertschätzung

„Ohne uns hätte niemand ein Dach über dem Kopf“, sagt der gelernte Zimmermann Gerald Schmidt, der an der Aktion teilnimmt. Für ihn geht es bei der Forderung um mehr Gehalt auch um mehr Wertschätzung in der Gesellschaft. Als Bauarbeiter sei man Mensch zweiter Klasse, sagt ein Kollege von Schmidt. Das fange in der Schule schon an, dass Kindern beigebracht werde, es sei nicht erstrebenswert, auf dem Bau zu arbeiten.

Gerald Schmidt ist gelernter Zimmermann und ärgert sich über die geringe Wertschätzung, die Bauarbeiter in der Gesellschaft entgegengebracht wird.
Gerald Schmidt ist gelernter Zimmermann und ärgert sich über die geringe Wertschätzung, die Bauarbeiter in der Gesellschaft entgegengebracht wird. © Funke Medien Thüringen | Johannes von Plato

Dabei haben viele gute Ausbildungen abgeschlossen oder einen Meister gemacht und die Aufgaben sind vielfältig. Es sei befriedigend zu sehen, wenn aus der Planung etwas in die Wirklichkeit umgesetzt werde und man sieht, wie es wächst. „Und mir gefällt es, an der frischen Luft zu sein. Egal ob es regnet oder ob die Sonne scheint“, sagt Schmidt.

Auch Mitarbeiter aus dem Ausland nehmen an der Protestaktion teil

Zu der „aktiven Mittagspause“ kommen auch einige der mindestens 200 Beschäftigten von Subunternehmen. Sie sind zum großen Teil aus dem Ausland und werden nicht nach Tarif, sondern nach gesetzlichem Mindestlohn bezahlt. „Sie können sich aufgrund von Sprachbarrieren nicht gegen die schlechtere Bezahlung wehren“, sagt Julian Diaz, einer der Organisatoren der Aktion in Jena. Der Markt suche eben nach billigen Arbeitskräften und wird im Ausland fündig.

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Er ist sich sicher, dass die Baukosten vor allem deshalb gestiegen sind, weil Unternehmen an ihren Renditen festhalten, nicht etwa, weil Arbeitskraft teurer geworden ist. „Das ist der klassische Interessenkonflikt: Wir wollen, dass unsere Arbeitskraft angemessen bezahlt wird und die Arbeitgeber wollen ihren Gewinn nicht verkleinern.“

Bauarbeiter im Osten verdienen immer noch weniger

Am Verhandlungstisch wird auch über die ungleiche Bezahlung in Ost- und Westdeutschland diskutiert. „Die Bauarbeiter im Osten sind besonders geladen“, sagt Ammon. Der aktuelle Lohnunterschied in den Gehaltsgruppen drei und vier liege bei 70 bis 90 Cent pro Stunde. „Ab 2026 können sich Bauarbeiter das gleiche Gehalt einklagen“, sagt er.

Die IG Bau bietet für die 820.000 Beschäftigten in der Baubranche einen Gehaltsrechner an. Mit dem können die Bauarbeiter prüfen, ob sie genug Geld verdienen. „70 Prozent der Beschäftigten sind nicht in der Gehaltsgruppe, die ihnen zusteht“, sagt Diaz. Das Gehalt hänge von verschiedenen Faktoren ab: Abschluss, Tätigkeitsmerkmale oder Berufserfahrung. Für die Bauarbeiter vor Ort unverständlich: „Wir sind doch eine Republik“, sagt einer.

Mehr Gehalt sei eine Investition in die Zukunft

Für den Verhandlungsführer und IG-Bau Vorstand Carsten Burkhardt ist mehr Gehalt eine Investition in die Zukunft. Fachkräfte würden in Zukunft benötigt, deshalb würden die Arbeitgeber gut daran tun, „eine kräftige Schippe draufzulegen.“

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