Berlin. Abschalteinrichtungen in BMW-Motorsoftware entdeckt. Die Umwelthilfe spricht von vorsätzlicher Körperverletzung. BMW verteidigt sich.

Sie gelten bei BMW als die Guten: Ältere Diesel-Autos der Münchener sind sauber, die Motorsoftware arbeitet korrekt. So hat es der Konzern immer wieder betont. Was die Deutsche Umwelthilfe jetzt veröffentlicht, lässt an der offiziellen Konzernlinie zweifeln: Die Umweltschützer fanden in der Motorsoftware erstmals, was dort aus ihrer Sicht nicht hingehört: Automatisch werde die Abgasreinigung unter bestimmten Bedingungen ausgeschaltet – die Autos bliesen dann mehr giftige Stickoxide in die Luft als erlaubt.

„Wir haben Abschalteinrichtungen gefunden, die bei Geschwindigkeiten von mehr als Tempo 120 greifen, bei Temperaturen unterhalb von 10 Grad, bei stärkerer Beschleunigung, bei höheren Drehzahlen oder auch, wenn die Klimaanlage angeschaltet wird“, sagt Jürgen Resch, Hauptgeschäftsführer der Umwelthilfe, in Berlin. „Und wenn das Fahrzeug einmal im Schmutzmodus ist, verbleibt es da.“ Betroffen sind vor allem ältere Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 5 und 6. Die Umwelthilfe schätzt, dass davon noch mehrere Hunderttausend auf deutschen Straßen unterwegs sind. Ein getesteter neuer BMW X5 hielt die Grenzwerte weitgehend ein.

Umwelthilfe wirft BMW schwere Körperverletzung und Betrug vor

Resch wirft BMW vorsätzliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge in vielen Tausend Fällen vor sowie millionenfachen Betrug an den Autofahrern. Ihre Fahrzeuge halten aus Sicht der Umwelthilfe nicht, was sie versprechen: Sie reißen die gesetzlich bindenden Grenzwerte, sind also nicht sauber. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) müsse als Aufsichtsbehörde eine Nachrüstung verlangen oder die Fahrzeuge stilllegen, wie die Umwelthilfe fordert. BMW müsse Schadenersatz an die Kunden zahlen.

Gegen das KBA haben die Umweltschützer bereits 2021 geklagt, damals vor allem, weil die Fahrzeuge die Stickstoffgrenzwerte nicht einhielten. Jetzt kommen die Abschalteinrichtungen hinzu. Ein Termin steht noch aus.

BMW wehrt sich: „Die DUH hat heute altbekannte Vorwürfe wiederholt. Ähnliche Anschuldigungen konnten in der Vergangenheit klar widerlegt werden“, sagt ein Sprecher. „Wie darüber hinaus hinlänglich bekannt ist, arbeitet die Abgasreinigung moderner Motoren in Abhängigkeit vom aktuellen Betriebszustand und den jeweiligen Rahmenbedingungen. Das dient der Funktionssicherheit relevanter Bauteile.“ Im Klartext: Die Software steuert die Abgasreinigung so, dass der Motor nicht kaputt gehen kann.

Manipulierte Software? Bei Tests der Umwelthilfe lag ein BMW 525d, Euro 5, im Normalbetrieb bei 1226 Milligramm Stickoxid pro Kilometer, erlaubt sind 180.
Manipulierte Software? Bei Tests der Umwelthilfe lag ein BMW 525d, Euro 5, im Normalbetrieb bei 1226 Milligramm Stickoxid pro Kilometer, erlaubt sind 180. © ka.plewka | © BMW AG - FOR EDITORIAL PURPOSE

Der Streit läuft seit September 2015. Die US-Umweltbehörde EPA veröffentlichte damals, dass Dieselfahrzeuge von VW mit dem Motor EA189 dreckiger waren als gedacht. Die eingebaute Software steuerte den Motor so, dass er auf dem Prüfstand saubere Abgaswerte lieferte, im Straßenverkehr aber deutlich mehr Stickoxid ausstieß als erlaubt. Betroffen waren weltweit gut 11 Millionen Fahrzeuge des Konzerns. Insgesamt stellte VW gut 33 Milliarden Euro für die Folgen des Skandals zurück. Der Konzernchef musste gehen, zahlreiche Ingenieure und der ehemalige Audi-Chef mussten und müssen sich vor Gericht verantworten.

Schon damals prüfte die Umwelthilfe auch Dieselfahrzeuge von Mercedes und BMW. Auch sie rissen die Grenzwerte für Stickoxide. Bei Mercedes wurden auch Fahrzeuge zurückgerufen, der Konzern musste nachbessern. BMW kam mit freiwilligen Software-Updates davon. 2017 sagte Harald Krüger, damals Konzernchef in München, BMW habe nicht manipuliert, die Fahrzeuge seien sauber. Heute sagt der Sprecher: „Die BMW Group verwendet keine das Emissionsverhalten beeinflussende Erkennung von Abgas-Rollenprüfständen.“ Und: „Wir begrüßen jede konstruktive und sachliche Diskussion, wie Emissionen im Straßenverkehr weiter verringern werden können. Es ist für uns aber weder nachvollziehbar noch zielführend, dass immer wieder versucht wird, mit unrealistischen Fahrsituationen vorsätzlich extreme Messwerte zu provozieren.“

So testet die Umwelthilfe die Autos

Die Umwelthilfe testet im Straßenbetrieb auf einem Rundkurs im Nordwesten Berlins. Mehr als 30 BMW-Modelle hat Axel Friedrich, der die Tests leitet, inzwischen geprüft, er spricht von 280 bis 300 Einzeltests. Das Ergebnis bisher: Die Fahrzeuge übertreffen die zulässigen Grenzwerte zum Teil um ein Vielfaches. Nach dem Fund der Abschaltautomatiken wurde nachgetestet.

So lag ein BMW 525d, Euro 5, im Normalbetrieb bei 1226 Milligramm Stickoxid pro Kilometer, erlaubt sind 180. Bei Tempo 130 auf der Autobahn stieß das Fahrzeug 2036 Milligramm aus, bei einer größeren Steigung waren es 5847. Ein Wert so hoch, dass Friedrich dachte, „wir können solche Werte gar nicht messen.“ Ein BMW 318d, Euro 6, erwies sich als deutlich sauberer, lag aber noch über dem für die Norm strengeren Grenzwert von 80 Milligramm je Kilometer, etwa im Regelbetrieb (331). Der neuere X5 xDrive40d, Euro 6, hielt die Grenzwerte außer unter Last ein.