Berlin. Immer mehr Haushalte schaffen sich ein Balkonkraftwerk an. Eine aktuelle Auswertung schürt allerdings Zweifel an ihrer Bedeutung.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine machen sich stark gestiegene Energiekosten in den Portmonnaies vieler Haushalte bemerkbar. Nicht nur die Preise für Gas, Öl und Kraftstoffe sind durch die Decke gegangen. Auch Stromkosten machen sich auf unbequeme Art und Weise bemerkbar.

Jedoch können nicht nur Hausbesitzer mit großen Dächern Abhilfe mittels eigener Solarkollektoren schaffen. Auch Balkonkraftwerke werden in Deutschland immer beliebter. Die Anzahl dieser kleinen Solaranlagen hat sich nämlich seit Beginn des Jahres verdoppelt, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervorgeht. Demnach sind derzeit rund 230.000 Balkonkraftwerke installiert. Mehr als die Hälfte davon – knapp 137.000 – speisen seit diesem Jahr die heimischen Steckdosen mit Strom.

Die Zahl der "steckerfertige Erzeugungsanlagen" – wie sie im Fachjargon genannt werden – dürfte sogar noch höher liegen. Laut Bundesnetzagentur gibt es im Register noch etwa 30.000 weitere Anlagen mit einer Leistung unter 1 Kilowatt, von denen nicht klar ist, ob sie ebenfalls Balkonkraftwerke sind. Hinzu kommt eine Dunkelziffer der Anlagen, die entgegen der gesetzlichen Vorgaben nicht registriert oder beim Stromanbieter gemeldet sind.

Balkonkraftwerke: Diese Erleichterungen kommen

Dabei könnte die Zahl der Anlagen für die autonome Stromerzeugung in absehbarer Zeit weiter steigen. Denn die Bundesregierung will der Installation von Balkonkraftwerken einen Schub verhleihen. Laut einem Referentenentwurf des von Marco Buschmann (FDP) geführten Justizministeriums soll Mietern und Wohnungseigentümern die Installation erleichtert werden, indem sie einen gesetzlichen Anspruch auf das Anbringen der Geräte geltend machen können. Die Notwendigkeit, einen Antrag auf Installation beim Vermieter oder der Eigentümerversammlung zu begründen, würde damit entfallen.

Balkonkraftwerke erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit.
Balkonkraftwerke erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. © Stefan Sauer/dpa

Zudem strebt das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium eine Anhebung der Leistungsgrenze von 600 auf 800 Watt für Stecksolargeräte an. Außerdem sollen die Meldepflichten vereinfacht werden: Bisher müssen diese im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eingetragen und beim Netzbetreiber gemeldet werden. Diese Doppelmeldung soll entfallen.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig, begrüßte die Vereinfachungen, sprach zugleich aber von entsprechendem Handlungsbedarf für die größeren Dach- und andere Photovoltaikanlagen.

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Balkonkraftwerke tragen zur Stromproduktion bei – auf verschwindend geringem Niveau

Obwohl die Zahl der Balkonkraftwerke signifikant ansteigt, werden ihre Auswirkungen laut BSW auf den deutschen Strombedarf vergleichsweise gering ausfallen. Doch die Geräte ermöglichten vielen Menschen eine aktive Mitwirkung und Teilhabe an der Energiewende „und erhöhen so auch die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien“, betont Körnig. Die Vorteile der Anlagen lägen in der technischen Einfachheit sowie in der kostengünstigen Anschaffung als Einstieg in die eigene Solarstromerzeugung für Mieterinnen und Mieter sowie Wohnungseigentümer. Zu ähnlichen Einschätzungen kommt auch das Wirtschaftsministerium in seiner Photovoltaik-Strategie.

Derzeit spielen die kleinen Kraftwerke noch keine allzu große Rolle bei der Stromerzeugung. Selbst wenn man die 30.000 Anlagen mit unklarem Status hinzuzählt, kommen sie laut Bundesnetzagentur nur auf eine Gesamtleistung von 170 Megawatt und dürften im Jahr maximal 170 Gigawattstunden erzeugen. Das sind 0,3 Promille des deutschen Stromverbrauchs.

Hier sind die Balkonkraftwerke am beliebtesten

In der Regel bestehen Balkonkraftwerke aus ein bis zwei Solarmodulen und einem Wechselrichter. Dieser wandelt den Solarstrom in Haushaltsstrom um, der direkt in die Steckdose eingespeist werden kann. Mit dem Strom können dann Haushaltsgeräte betrieben werden. Im Gegenzug wird weniger Strom aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen. Ob sich ein solches System lohnt, hängt laut Verbraucherzentrale unter anderem von Anschaffungspreis und Strompreis ab, aber auch davon, ob das Modul möglichst lange und viel Sonne bekommt.

In Deutschland sind die kleinen Kraftwerke ausgerechnet im Norden sehr beliebt. Im Rest des Landes sind sie laut Marktstammdatenregister recht ungleich verteilt. In Mecklenburg-Vorpommern kommen auf 1000 Einwohner 5 Anlagen, in Schleswig-Holstein sind es 4,2 und in Niedersachsen 3,8. Der Süden mit Bayern und Baden-Württemberg liegt dagegen unter dem deutschen Durchschnitt von 2,7. Schlusslichter sind die Stadtstaaten mit Werten zwischen 1 und 1,5. Sie haben angesichts ihrer Bebauungsstruktur aber auch schlechtere Ausgangsbedingungen für die Anlagen. (dpa, fmg)