Berlin/Ludwigshafen. Steamcracker sind echte Dreckschleudern – aber unverzichtbar für die Herstellung vieler Produkte. So sollen sie bei BASF sauber werden.

  • Die deutsche Industrie ist im Umbruch und soll nach und nach klimaneutral werden
  • Viele Unternehmen stellt das vor große Herausforderungen – auch den Chemiekonzern BASF
  • Der will nun ein grünes Steamcracking ermöglichen

Das BASF-Werk in Ludwigshafen ist eine eigene Welt. Ein eigenes Land im Land Rheinland-Pfalz sozusagen. Auf dem Werksgelände gibt es drei eigene Feuerwachen. Hier steht das größte Dampf- und Gaskraftwerk des Bundeslandes.

Fast 3.000 Kilometer Rohrleitungen sind auf dem Gelände verlegt sowie 100 Kilometer Straße und 230 Kilometer Eisenbahnschienen. Mittendrin und recht unscheinbar wird der neue E-Steamcracker gebaut – der erste weltweit, der mit Strom betrieben werden wird. Es ist zugleich die erste Demonstrationsanlage, die im laufenden Betrieb getestet werden soll.

Schaut man sich den BASF-Konzern an, scheint alles eine Nummer größer zu sein: Es ist der größte Chemie-Konzern der Welt mit rund 110.000 Mitarbeitern. Der Standort Ludwigshafen ist so groß wie rund 1.400 Fußballfelder oder die Insel Capri. 39.000 Menschen arbeiten hier im Stammwerk. Es ist das weltweit größte zusammenhängende Chemie-Areal – und gleichzeitig wahnsinnig dreckig: Rund ein Prozent der deutschen CO2-Emissionen werden hier verursacht.

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Rohöl und Erdgas werden vor Ort in eine Vielzahl chemischer Produkte umgewandelt. Dafür braucht es enorme Mengen Energie. Bis spätestens 2050 will BASF dafür nur noch erneuerbare Energie verwenden; bis dahin will das Unternehmen Netto-Null-CO2-Emissionen erreichen.

Das klingt ambitioniert für einen Konzern, für den Öl und Gas elementar sind in der Produktion. Aber es kann funktionieren. In den USA werden nach Konzernangaben bereits 50 Prozent der benötigten Energie über erneuerbare Quellen gewonnen.

BASF will bis 2050 klimaneutral werden – so soll das klappen

Um möglichst schnell auch in Ludwigshafen auf diesen Wert und darüber hinaus zu kommen, soll bei BASF in diesem Jahr noch der erste E-Steamcracker getestet werden. Zum Verständnis: Die Chemieprodukte von BASF stecken in Matratzen, Badeanzügen, Autolacken, Waschmitteln oder Windeln. Auf dem Weg zu diesen fertigen Produkten entsteht bisher allerdings eine enorme Menge CO2, am meisten am Anfang der Wertschöpfungsketten.

Steamcracker im BASF-Werk Ludwigshafen: Eine Fläche von rund 64.000 Quadratmetern – das entspricht 13 Fußballfeldern – umfasst der Steamcracker II, die größte einzelne Anlage am Standort Ludwigshafen.
Steamcracker im BASF-Werk Ludwigshafen: Eine Fläche von rund 64.000 Quadratmetern – das entspricht 13 Fußballfeldern – umfasst der Steamcracker II, die größte einzelne Anlage am Standort Ludwigshafen. © BASF SE | BERNHARD KUNZ

Dort steht der sogenannte Steamcracker – ein riesiger Ofen, in dem Rohbenzin mithilfe von Wasserdampf auf 850 Grad erhitzt wird. Diese Temperaturen werden bisher durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erreicht. Die langen Kohlenwasserstoffketten brechen in kleinere Fragmente, es entsteht ein Molekülbaukasten, aus dem dann letztlich die Produkte hergestellt werden.

Fünf Steamcracker stoßen drei Millionen Tonnen CO2 aus

Die weltweit fünf Steamcracker des Konzerns stoßen jährlich rund drei Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Ein Großteil des Klimakillergases fällt beim Heizen der Cracker mit Erdgas an. In Ludwigshafen stehen zwei dieser Steamcracker; sie sind das Herzstück des Werks. An einem wird gerade ein Bypass gelegt; oder sozusagen am offenen Herzen operiert. An diesem Steamcracker baut BASF gemeinsam mit Sabic und Linde die weltweit erste Demonstrationsanlage für elektrisch beheizte Steamcracker-Öfen, sogenannte eFurnace.

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Das Besondere an der Anlage: Sie ist keine Versuchsanordnung, die unter Laborbedingungen getestet wird. Sie wird im laufenden Betrieb erprobt, die E-Anlage wird in einen der beiden bestehenden Steamcracker eingebaut. „Die Demonstrationsanlage ist ein wichtiger Schritt, um die neuen Technologien unter realen Produktionsbedingungen zu testen und weiterzuentwickeln“, erklärt Lars Kissau, Leiter Net Zero Accelerator bei BASF. „Die kommende Testphase wird uns dabei helfen, genau zu identifizieren, wo die Herausforderungen und Probleme liegen.“

Kissau ist bei dem Chemie-Riesen dafür verantwortlich, dass die geplanten CO2-Einsparungen auch tatsächlich so klappen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Neben Linde Engineering – Partner für Planung, Beschaffung und Bau des Projekts – hat sich BASF noch den saudi-arabischen Petrochemiekonzern Sabic mit ins Boot geholt. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt mit 14,8 Millionen Euro. Das gemeinsame Ziel: Dekarbonisierung der Industrie.

E-Steamcracker soll CO2-Ausstoß um 90 Prozent verringern

Ein Steamcracker ist ein Gigant: 13 Fußballplätze groß – eine Fläche von rund 64.000 Quadratmetern. Er ist rund um die Uhr in Betrieb, und das weitgehend vollautomatisch. Menschen greifen hier eigentlich nur ein, wenn etwas nicht normal läuft. Die beiden Steamcracker am Rhein arbeiten fast unabhängig voneinander. So kann auch bei Reparaturarbeiten in einer Anlage die andere normal weiterlaufen.

Auf einer Strecke von zehn Kilometern erstreckt sich das BASF-Stammwerk entlang des Rheins in Ludwigshafen. Drei eigene Häfen betreibt der Konzern hier.
Auf einer Strecke von zehn Kilometern erstreckt sich das BASF-Stammwerk entlang des Rheins in Ludwigshafen. Drei eigene Häfen betreibt der Konzern hier. © BASF | Detlef W. Schmalow

Die elektrisch betriebene Anlage ist laut BASF so konzipiert, dass zwei Heizkonzepte parallel getestet werden können: Bei der direkten Beheizung wird elektrischer Strom direkt an die Rohre im Reaktor angelegt; die indirekte Beheizung nutzt die Strahlungswärme von Heizelementen, die um die Rohre angeordnet sind. Anstatt mit Erdgas wird diese Anlage mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben. Der CO2-Ausstoß soll so laut BASF um mindestens 90 Prozent reduziert werden.

„Zudem wollen wir bis zum Jahr 2030 die Menge emittierter Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 2018 weltweit um 25 Prozent senken – und dies trotz angestrebtem Wachstums und der Errichtung eines großen Verbundstandorts in Südchina“, sagt Kissau. „Ohne Berücksichtigung des geplanten Wachstums bedeutet das eine Halbierung der CO2-Emissionen im bestehenden Geschäft bis Ende des Jahrzehnts.“ Ein Baustein in diesem ehrgeizigen Vorhaben: der eFurnace.

Für seine Pläne BASF benötigt eigene Offshore-Windparks

Dennoch: Der Betrieb der elektrisch beheizten Steamcracker-Öfen ist extrem schwierig. Es werden enorme Mengen Strom benötigt. Pro Stunde werden rund vier Tonnen Kohlenwasserstoffe verarbeitet und sechs Megawatt erneuerbare Energie verbraucht. Diese sollen insbesondere aus der Solar- und Windkraft kommen. Allein für die Pilotanlage braucht es drei bis vier Windräder.

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BASF hat sich daher entschieden, eigene Windparks zu betreiben. Kissau erklärt, dass „der Zugang zu erneuerbarem Strom ein Schlüsselelement der BASF-Transformation in Richtung Netto-Null ist.“ Zuletzt hatte der Mega-Konzern Ende Juli bekanntgegeben, in China einen Offshore-Windpark bauen und betreiben zu wollen. Darüber soll der derzeit entstehende BASF-Standort Zhanjiang in der Provinz Guangdong künftig komplett mit Strom versorgt werden.

Gemeinsam mit Vattenfall und der Allianz bauen die Ludwigshafener einen Offshore-Windpark in der Nordsee an der niederländischen Küste. Von hier aus soll vor allem der Verbundstandort Antwerpen beliefert werden.