Berlin. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) belebt die Debatte um die Wehrpflicht. Koalitionspartner und die Opposition widersprechen.

Deutschland und die Wehrpflicht: Das ist eine scheinbar nicht enden wollende Debatte. Nun hat sie neuen Schwung bekommen – angefacht vom Bundesverteidigungsminister persönlich. Boris Pistorius (SPD) schwebt nach eigenen Angaben das sogenannte schwedische Modell vor. „Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert, und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den Grundwehrdienst“, sagte Pistorius der „Welt am Sonntag“.

Bei der Bundeswehr herrscht Personalmangel. Derzeit dienen gut 180.000 Männern und Frauen, doch die Truppe soll bis 2031 auf gut 200.000 aufgestockt werden. Pistorius lässt daher nun unterschiedliche Modelle einer Dienstpflicht prüfen. „Aber jedes Modell, egal welches, braucht auch politische Mehrheiten“, sagte der SPD-Politiker in dem Interview. Und genau daran könnte es scheitern. Die Opposition jedenfalls hat der Idee schon eine Absage erteilt.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte dieser Redaktion: „Durch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr würde auch die Bundeswehr einen Attraktivitätsschub bekommen.“ Denn das Gesellschaftsjahr könne auch bei der Bundeswehr absolviert werden. Junge Menschen, die sonst sofort studieren oder eine Ausbildung machen würden, müssten sich mit der Frage beschäftigen, welches Konzept für sie in Betracht komme. Linnemann: „Das wäre sowohl für die Zukunft der Bundeswehr als auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein wichtiger Baustein.“

Carsten Linnemann (CDU) will, dass sich alle jungen Leute mit einem Gesellschaftsjahr einbringen. Davon könne auch die Bundeswehr profitieren.
Carsten Linnemann (CDU) will, dass sich alle jungen Leute mit einem Gesellschaftsjahr einbringen. Davon könne auch die Bundeswehr profitieren. © Britta Pedersen/dpa | Unbekannt

Die FDP hält eine allgemeine Wehrpflicht für „Geschichte“

Und auch in den Reihen der Bundesregierung regt sich Widerstand gegen den Pistorius-Vorstoß. Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, sagte dieser Redaktion: „Die Wehrpflicht ist Geschichte.“ Zwar müsse dafür gesorgt werden, dass wieder mehr junge Männer und Frauen Teil der Bundeswehr werden wollten. Aber das müsse freiwillig sein. „Die Wiedereinführung einer Dienstpflicht wäre ein schwerer Eingriff in die Freiheit junger Menschen, die sich beruflich orientieren wollen.“ Dürr brachte hingegen eine Erhöhung der Stellen für Reservisten ins Spiel. „Die Reserve könnte eine noch stärkere Komponente einer modernen und schlagkräftigen Bundeswehr werden, indem Praktiker und Profis stärker eingebunden werden.“

Christian Dürr (FDP) hält die Wehrpflicht für einen Eingriff in die Freiheit junger Menschen.
Christian Dürr (FDP) hält die Wehrpflicht für einen Eingriff in die Freiheit junger Menschen. © DPA Images | Michael Kappeler

Die Pflicht zum Wehrdienst war in Deutschland im Jahr 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Pistorius hatte das kurz nach seinem Amtsantritt als Fehler bezeichnet, den man aber nicht im Handumdrehen korrigieren könne. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte einer Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht im Februar eine Absage erteilt. Nun sagte Pistorius: „Es hat seinerzeit Gründe gegeben, die Wehrpflicht auszusetzen. Rückblickend war es aber ein Fehler.“ Sie jetzt wieder einzuführen, sei strukturell, verfassungsrechtlich und politisch schwierig. Daher schaue er sich weitere Modelle an.

Schweden hatte die Wehrpflicht ähnlich wie Deutschland im Jahr 2010 abgeschafft, sie 2017 aber wieder eingeführt. Seitdem gilt sie grundsätzlich für zwölf Monate. In dem skandinavischen Land werden alle Männer und Frauen gemustert. Tatsächlich wird am Ende aber nur ein kleiner Teil wird für den Grundwehrdienst ausgewählt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der geringen Zahl der einberufenen Rekrutinnen und Rekruten wird der Wehrdienst in Schweden mehr oder weniger auf freiwilliger Basis geleistet. Wer nicht zum Militär will, muss stattdessen einen Zivildienst ableisten. Die Pflicht gilt für Frauen und Männer gleichermaßen.

NameBoris Pistorius
Geburtsdatum14. März 1960
SternzeichenFische
AmtVerteidigungsminister
ParteiSPD
Parteimitglied seit1976
FamilienstandVerwitwet, zwei Kinder