Berlin. Inflation, Immobilienpreise, Wirtschaftswachstum: Der Chef des Bundesverbands deutscher Banken erklärt, wie es 2024 weitergeht.

2023 war kein einfaches Jahr: Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine belasten die Wirtschaft weiter. Hinzu kommt der Krieg in Gaza. Aber immerhin ist die Inflation gesunken. Wie wird 2024? Christian Sewing, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, wagt einen Ausblick auf das neue Jahr.

Konjunktur und Arbeitszeit

Das kommende Jahr in Deutschland wird aus Sicht des Bankenverbandspräsidenten mau. „Eine rasche und kräftige wirtschaftliche Erholung ist nicht in Sicht“, sagt Sewing. „Wir erwarten, dass das Wirtschaftswachstum auch im nächsten Jahr nah an der Nulllinie liegen wird.“ Ähnlich sehen das andere Experten, die mit Werten zwischen plus 0,9 Prozent (Ifo-Institut München) und minus 0,5 Prozent (IW Köln) rechnen. Die Bundesbank kalkuliert mit 0,4 Prozent.

Ein Lichtblick: „Sollten die wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken im kommenden Jahr allmählich nachlassen und die Inflation weiter sinken, dürften der private Konsum und die Investitionen wieder anziehen“, erwartet Sewing. Und Investitionen, vor allem private, sind aus seiner Sicht unerlässlich, um die wichtigsten Herausforderungen zu bewältigen: Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Neujustierung der grenzüberschreitenden Produktions- und Lieferketten sowie den demografischen Wandel.

Wenig hält der Bankenverbandspräsident etwa von der Vier-Tage-Woche: „Arbeitszeitverkürzungen, wie sie mehrere Gewerkschaften aktuell fordern, wären hingegen ganz klar kontraproduktiv. Sie würden die Investitionsperspektiven der Unternehmen zusätzlich belasten und das Wachstumspotenzial insgesamt schwächen.“

Inflation

Auch im kommenden Jahr werden die Preise weiter steigen. Der Bankenverbandspräsident erwartet allerdings deutlich niedrigere Raten. „Im Jahresdurchschnitt sollte die Inflationsrate in Deutschland 2024 zwischen 2,5 und 3,0 Prozent liegen“, sagt Sewing. 2022 hatte die Teuerung zeitweise zehn Prozent erreicht, im Jahresschnitt waren es 6,9 Prozent. 2023 sank die Rate. Für November ermittelte das Statistische Bundesamt 3,2 Prozent.

Christian Sewing ist der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken.
Christian Sewing ist der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken. © Bloomberg via Getty Images | Bloomberg

„Der Rückgang der Inflationsrate wird sich in den kommenden Monaten verlangsamen. Im Dezember und Januar könnte die jährliche Teuerungsrate sogar zeitweilig wieder steigen“, vermutet Sewing. Als Gründe nennt er statistische Effekte wie das Ende der Gas- und Strompreisbremse sowie die Tatsache, dass in der Gastronomie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben wird. Die Europäische Zentralbank strebt eine Inflationsrate von nahe zwei Prozent an.

Zinsen

In einer beispiellosen Serie hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen seit September 2022 in zehn Schritten von 0 auf 4,5 Prozent angehoben. Zuletzt erhöhte sie die Zinsen nicht weiter. „Da wir bereits einen deutlichen Rückgang der Inflationsrate gesehen haben, halte ich die aktuelle Zinspause der EZB für richtig“, sagt Sewing, „zumal sich die Zinserhöhungen erst mit einer gewissen Verzögerung auf die Wirtschaft auswirken.“ Eine Zinsprognose für 2024 wagt er nicht.

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Sind die Leitzinsen vor allem für Banken wichtig, haben sie auch Folgen für jeden Einzelnen. So bestimmen sie mit über die Guthabenzinsen. Sind die Leitzinsen höher, bekommen die Bankkunden in der Regel mehr Zinsen auf ihr Erspartes. „Gleichzeitig variieren die Zinssätze für Tagesgeld- und Sparkonten und Festgelder erheblich und hängen stark vom Geschäftsmodell der jeweiligen Institute ab“, sagt Sewing. Auch dies spiegele den ausgeprägten Wettbewerb im deutschen Markt wider. Zuletzt hatten Banken und Sparkassen in Aktionen teils bis zu vier Prozent jährlich auf Tagesgeld gewährt. Inzwischen sind die Zinsen wieder etwas gesunken.

Immobilienmärkte

In den vergangenen Jahren wurde überall in Deutschland gebaut, vor allem auf Kredit, der wegen der Niedrigzinsphase besonders günstig war. Das ist vorbei. „Die in kurzer Zeit deutlich gestiegenen Zinsen und die schon seit Längerem gestiegenen Baukosten wirken sich spürbar auf die Baubranche aus“, sagt Sewing. „Der Bauboom der vergangenen Jahre ist zu Ende.“ Die Kreditnachfrage bei Banken für Bau- und Sanierungsvorhaben sei deutlich zurückgegangen.

Das jetzt viele Immobilienbesitzer angesichts der höheren Zinsen Probleme bekommen, glaubt der Bankenverbandspräsident nicht. Denn wer einen gut bezahlten Job hat, kann seine Kredite auch bedienen. „Zudem haben sich viele Kunden in der Niedrigzinsphase den Zins über 15 oder 20 Jahre gesichert, sodass sie Planungssicherheit haben. Gleiches gilt für Kunden, die sich Zinsstabilität über einen Bausparvertrag gesichert haben.“

Und für die, die eine Wohnung oder ein Haus besitzen und verkaufen wollen, hat Sewing eine gute Nachricht. „Die Nachfrage nach Wohnraum ist weiterhin hoch. Die Immobilienpreise dürften sich 2024 stabilisieren und im Anschluss wieder anziehen.“

Digitaler Euro

In den kommenden beiden Jahren will die Europäische Zentralbank den digitalen Euro vorantreiben, eine Art schein- und münzloses Bargeld für die 27 Länder der Eurozone. „Es ist richtig, dass die EZB, wie auch andere Notenbanken, die Einführung einer digitalen Währung prüft“, sagt Sewing. Ein wichtiger Punkt aus seiner Sicht: die Souveränität des europäischen Geldsystems. Derzeit sind bei digitalen Zahlungsvorgängen vor allem US-Unternehmen in Europa bestimmend. Der digitale Euro soll das ändern.

Dennoch ist der Bankenverbandspräsident zurückhaltend. Die EZB fokussiere sich derzeit stark auf ein neues Bezahlverfahren an der Ladenkasse, sagte Sewing. „Es kann nicht Aufgabe der Notenbank sein, ein Bezahlverfahren für Verbraucherinnen und Verbraucher zu betreiben. Zumal Banken und Finanzdienstleister ein breites und gut funktionierendes Angebot bereitstellen.“ Ein zusätzliches System der EZB würde den Wettbewerb verzerren und wäre zudem mit erheblichen Investitionen in eine neue Infrastruktur verbunden, die für Nutzerinnen und Nutzer keinen spürbaren Mehrwert brächte.