Erfurt. Wo steht Thüringen bei der Digitalisierung. Bei einer Digitalkonferenz sprachen Verantwortliche und Anwender über Erreichtes und Herausforderungen.

Mit Gera und Jena haben es zwei Thüringer Städte ins Förderprogramm des Bundes für sogenannte Smart Cities geschafft. Auch Mühlhausen habe gute Chancen, sagte Thüringens Digitalstaatssekretärin Valentina Kerst (SPD) am Donnerstag bei einer Digitalkonferenz im Rahmen des 2. Thüringer Digital Festivals.

Mit digitaler Technik sollen in den „klugen Städten“ künftig Versorgungs- und Entsorgungs- sowie Verkehrsprobleme besser gelöst werden. Darüber hinaus brauche man vor allem auf dem Land „Smart Regions“ bzw. „kluge Regionen“, sagte Kerst. Autonom gesteuerte Busse ermöglichen auch in entlegenen Gebieten den Anschluss ans Verkehrsnetz. Ein Beispiel in Gera stellte die Fisher Academy Jena bei der Konferenz vor. Sichere und schnelle Netze sollen das Arbeiten im Homeoffice oder in der Schulcloud oder die Übertragung großer Datenmengen für Firmen gewährleisten. Kluge Mülltonnen könnten signalisieren, wann sie gelehrt werden müssen. Die Software dafür entwickelt die Erfurter Firma Q-Soft, Kunden habe sie bisher aber nur außerhalb Thüringens.

Wichtiger Faktor bleibe der Mensch. Er wünsche sich mehr Offenheit für neue Wege und Techniken sowie Gelassenheit bei deren Einsatz, sagte der Leiter der Digitalagentur Thüringen, Heiko Kahl. „Bei den Diskussionen um 5G oder den Datenschutz sollten vor allem die Chancen im Mittelpunkt stehen“, so der der Chef der Agentur, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Kommunen und Unternehmen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur berät. Statt wenig verständlicher Begriffe brauche man konkrete Schritte, die sich an der Lebenswirklichkeit und Alltag orientieren.

Eichsfeldkreis und Schmölln als Vorreiter bei Bürgerportal

Auf Beschäftigte, die sich bei Behörden auch persönlich für digitale Themen einsetzen, setzt auch Hartmut Schubert, Staatssekretär im Finanzministerium und CIO des Freistaates für E-Government. Vorreiter bei der digitalen Kommunikation der Bürger mit Ämtern und Kommunen seien der Eichsfeldkreis oder Schmölln, wo über das Bürgerportal schon mehrere Dutzend Anträge oder Amtsvorgänge abrufbar sind. Zuständig seien aber die kommunalen Selbstverwaltungen, hier müssten Vorbehalte und alte Papier-Gewohnheiten überwunden werden.

Erst kürzlich hatte die FDP der Landesregierung mangelnde Digitalisierungsbereitschaft vorgeworfen und eine zentralere Umsetzung der Digitalstrategie etwa in Form eines Digitalministeriums gefordert. Dem widersprechen sowohl Kerst als auch Schubert. „Digitalisierung ist ein Teamspiel, ob Gesundheit, Wirtschaft oder Kultur, es braucht die Expertisen aus den verschiedenen Fachbereichen“, sagt Schubert. Valentina Kerst befürchtet zudem, dass im Falle eines Digitalministeriums bereits gut entwickelte Strukturen in den Fachministerien zerstört würden.

„In unserer Digitalstrategie haben wir eine klare Vision für ein digitales Thüringen formuliert. Wichtige Leitthemen sind der Mittelstand 4.0, digitale Vernetzung von Stadt und Land sowie digitale Bildung und Forschung“, sagt Kerst. Die Digitalstrategie umfasse derzeit 75 Projekte, von denen der Großteil bereits umgesetzt ist. Neues komme ständig hinzu, etwa im Tourismus, wo die Tourismusdatenbank ThüCAT stetig wächst. Seit Sommer letzten Jahres können Hotels, Museen oder Ausflugsziele dort ihre Daten und Angebote einstellen. Aktuell umfasst die Datenbank bereits 5500 Datensätze – davon 2700 touristische Datensätze, 1800 Wander- und Radwege sowie rund 1000 Unterkünfte aus externen Datenbanken.

Im Gesundheitswesen stehen die elektronische Patienenakte (ePA), Apps auf Rezept oder sektorübergreifende Gesundheitsnetzwerke auf der Agenda. Letztere verbinden beispielsweise im Rahmen des Projektes „satelit“ Krankenhäuser mit Schlaganfallexperten, um deren besondere Kompetenzen und Expertisen auch bei der medizinische Versorgung von Notfallpatienten im ländlichen Raum bereitzustellen.

Zudem habe die Pandemie die Nutzung von Videosprechstunden forciert. In der Jugendhilfe gehe es darum, jungen Menschen die Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen, sie vor Gefahren zu schützen und gleichzeitig für den digitalen Raum kompetent und handlungsfähig zu machen. „Für Kinder und Jugendliche ist das Digitale alltägliche Lebenswelt. In der Jugendhilfe ist das oft noch nicht angekommen“, sagte Maik Herwig vom Jugendhilfeausschuss.

Gutes Medienangebot braucht vordringlichen Breitbandausbau

Vorgestellt wurden bei der Digitalkonferenz auch die Ergebnisse eines Workshops zu den Medien unter Beteiligung von Vertretern der Funkemedien. Thüringen habe als Standort vielfältiger Medienproduktionen und lokaler Medienangebote zahlreiche Kompetenzen im Bereich digitaler Audio- und Medientechnologien, brauche dafür aber auch einen beschleunigten Breitbandausbau. Hervorgehoben wurde der Wert seriöser lokaler Informationen. Angeregt wurde die Schaffung einer Thüringer Initiative für lokalen Bürger-Journalismus. Auf diesem Gebiet könne man in Thüringen Vorreiter im digitalen Raum sein.

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