Berlin. Die Strom- und Gaspreise der Anbieter unterscheiden sich teils deutlich. Lohnt jetzt ein Wechsel? Und wie entwickeln sich die Preise?

Die hohen Strom- und Gaspreise des vergangenen Jahres sind Geschichte. Insbesondere für Verbraucherinnen und Verbraucher hat sich die Lage stark verbessert. Wer jetzt noch hohe Kosten für seinen Strom- oder Gastarif zahlt, sollte deshalb dringend über einen Wechsel nachdenken. Denn inzwischen gibt es wieder Anbieter, deren Preise teilweise deutlich unterhalb der Energiepreisbremsen für Strom (40 Cent je Kilowattstunde) und Gas (12 Cent je Kilowattstunde) liegen. Ein Überblick.

Strompreise gefallen: Erneuerbare drücken den Preis nach unten

„Die Haushaltsstrompreise für Neukunden sind seit Dezember 2022 kontinuierlich gefallen“, sagt Strommarktexperte Mirko Schlossarczyk vom Beratungsunternehmen Enervis. Aktuelle Angebote lägen unter 30 Cent je Kilowattstunde. „Für Bestandskunden und in der Grundversorgung ist das Preisniveau allerdings noch spürbar höher und liegt momentan bei etwas über 40 Cent.“ Diese Preise seien in den vergangenen Monaten nur geringfügig gesunken.

Hauptgrund für den Rückgang der Endverbraucherstrompreise sind laut Schlossarczyk deutlich gesunkene Großhandelspreise an den Strombörsen. „Wesentlicher Treiber dafür ist der enorme Rückgang des Gaspreises am Spotmarkt, der mittlerweile bei etwa 25 bis 30 Euro je Megawattstunde und damit unter Vorkriegsniveau notiert.“ Eine weitere Ursache sieht der Experte in dem witterungsbedingt kräftig gestiegenen Anteil von kostengünstiger Stromeinspeisung aus Windenergie und Solaranlagen in den vergangenen Monaten.

Immer mehr Energieversorger senken ihre Preise. Verbraucherschützer empfehlen, einen Anbieterwechsel zu prüfen.
Immer mehr Energieversorger senken ihre Preise. Verbraucherschützer empfehlen, einen Anbieterwechsel zu prüfen. © Swen Pförtner/dpa

Grundversorgung häufig noch oberhalb der Preisbremsen

Laut Vergleichsportal Check24 liegen in der Grundversorgung trotz Senkungen noch 76 Prozent der Stromtarife über der Strompreisbremse. In der Alternativversorgung seien dagegen bereits 88 Prozent der Tarife günstiger als die Preisbremse, sagt ein Sprecher. Bei einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden bezahlten Neukunden bei alternativen Versorgern derzeit im Schnitt 31,4 Cent je Kilowattstunde. In der Grundversorgung seien es dagegen 43,2 Cent. Zum Vergleich: Laut dem Energiewirtschaftsverband BDEW lag der durchschnittliche Strompreis in Deutschland im Juni 2021 bei knapp 32 Cent.

Aber auch bei den Grundversorgern, also den Anbietern in einer Region mit den meisten Kunden, tut sich etwas. Das Vergleichsportal Verivox sieht nach Angaben eines Sprechers „derzeit einen klaren Trend zu Preissenkungen“. Es gebe durchaus aber auch noch einige Erhöhungen. Das Portal hat für die Monate Juni, Juli und August bislang 94 Strompreissenkungen von durchschnittlich 12 Prozent registriert, gleichzeitig aber auch 9 Preiserhöhungen mit durchschnittlich 36 Prozent.

Gaspreise: Auch hier lohnt sich ein Vergleich

Auch bei Gas sinken laut Verivox die Preise. In der Grundversorgung hat das Portal für Juni, Juli und August bislang 75 Preissenkungen um durchschnittlich 17 Prozent registriert. Neun Versorger haben Erhöhungen angekündigt, und zwar um neun Prozent. Check24 hat seit Januar bereits 106 Gaspreissenkungen in der Grundversorgung registriert. Trotz dieser Senkungen lägen in der Grundversorgung noch 90 Prozent der Gastarife über der Gaspreisbremse, berichtet das Unternehmen. Im Durchschnitt zahlten Verbraucher dort 13,3 Cent je Kilowattstunde Erdgas. Im Gegensatz dazu seien in der Alternativversorgung bereits 80 Prozent der Tarife günstiger als die Preisbremse. Check24 gibt den Schnitt mit 9,4 Cent an. Zum Vergleich: Laut BDEW lag der durchschnittliche Gaspreis in Deutschland im Juni 2021, also vor Beginn der Energiekrise, bei gut 6 Cent je Kilowattstunde.

Strom- und Gasanbieter wechseln: Was sagen Verbraucherschützer zur Energiepreis-Entwicklung?

„Wir empfehlen den Anbieterwechsel“, sagt die Energieexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Christina Wallraf. Die Preise für Neukunden seien „schon wieder ganz annehmbar“. Nicht nur Discounter kämen derzeit mit günstigen Preisen um die Ecke, sondern auch Stadtwerke oder Vertriebsmarken von Stadtwerken. „Wenn man dem Stadtwerk die Treue halten will, dann kann man sich erstmal nach Sondertarifen beim Stadtwerk umschauen.“ Fast jeder Grundversorger habe Sondertarife, die in der Regel günstiger seien als der Grundversorgungstarif. Wallraf wies darauf hin, dass es auch für Nachtspeicher- und Wärmepumpen-Stromkunden inzwischen wieder mehr Angebote gebe, nachdem im vergangenen Jahr zeitweise nur sehr wenige Anbieter um neue Kunden geworben hatten.

Wer wechseln wolle, solle den bestehenden Vertrag kritisch prüfen. Wichtig sei dabei, die Restlaufzeit und Kündigungsfrist herauszusuchen, um den richtigen Zeitpunkt für einen Anbieterwechsel zu finden. „Ist man aktuell in der Grundversorgung, lässt sich der Vertrag jederzeit, unter Berücksichtigung der gesetzlichen zweiwöchigen Frist, kündigen.“

Nachtspeicheröfen waren bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts sehr beliebt: Sie erzeugen aus Strom nachts Wärme, die erst tagsüber abgegeben wird (Symbolbild).
Nachtspeicheröfen waren bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts sehr beliebt: Sie erzeugen aus Strom nachts Wärme, die erst tagsüber abgegeben wird (Symbolbild). © picture alliance / dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Verbraucherzentrale gibt Tipps für Anbieterwechsel

Die Verbraucherzentrale rät Nutzern von Vergleichsportalen eine individuelle Anpassung, bevor man einen Tarifvergleich vornimmt. So sollte der Filter „direkte Wechselmöglichkeit über das Portal“ ausgestellt sein, um möglichst viele Tarife angezeigt zu bekommen, heißt es in einer Mitteilung. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten außerdem darauf achten, dass vertraglich zugesicherte Preisgarantien enthalten sind, falls es im kommenden Winter erneut zu steigenden Energiepreisen kommen sollte. Mit Hilfe einer kurzen Internetrecherche sollten Wechselwillige außerdem überprüfen, ob der Anbieter in der Vergangenheit negativ aufgefallen ist.

Energiemarktexperte Schlossarczyk hält das für unwahrscheinlich. „Allein aufgrund der Preisdeckelung im Endkundenpreissegment ist die Belastungsgrenze der Haushaltskunden bis April 2024 begrenzt“, sagt er. Eine Preisexplosion für Haushaltskunden werde es daher im kommenden Herbst und Winter nicht geben. (lro/dpa)