Berlin. Rückenschmerzen sind eine schwere Belastung für Betroffene. Zwei Mediziner erklären überraschende Ursachen und geben wichtige Tipps.

  • Rückenschmerzen können verschiedene Ursachen haben
  • Einige davon dürften Betroffene überraschen
  • Was zwei Experten raten

Rückenschmerzen gelten als Volkskrankheit: In der Regel verspürt jeder Mensch einmal Beschweren rund um die Wirbelsäule. Allerdings sind es nicht zwangsweise offensichtliche Ursachen wie Sport- oder Arbeitsunfälle, die Rückenschmerzen auslösen können. Im Interview mit unserer Redaktion erklären Experten, was hinter Rückenproblemen stecken kann.

Rückenschmerzen: Experten erklären – So viel Einfluss hat die Psyche

Professor Dr. Hendrik Schmidt vom Julius Wolff Institut der Charité-Universitätsmedizin Berlin leitet das Forschungsteam, das sich mit der Biomechanik der Wirbelsäule auseinandersetzt. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt der Wissenschaftler: „Ursachen könnten Langzeitsitzen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Fehlbelastung und einseitige Belastung, genetische Disposition, falsche Ernährung oder Rauchen sein.“ Auch der Sozialstatus stehe demnach in Zusammenhang mit dem Risiko für Rückenschmerzen: Personen mit niedrigem Sozialstatus, gemessen an Bildung, Beruf und Einkommen, berichteten im Vergleich zu Personen mit hohem Status sehr viel häufiger von Rückenschmerzen.

Lesen Sie dazu: Rückenschmerzen vorbeugen: So oft sollten Sie sich bewegen

Schmidt fügt im Interview hinzu: „Der derzeitige Kenntnisstand besagt, dass psychosozialer Stress einen wesentlichen Einfluss auf Rückenschmerzen haben kann.“ Psychosozialer Stress könne zusätzlich zu einem geringen Maß an körperlicher Aktivität führen, was wiederum zu einer Schwäche der Bauch- und Rückenmuskulatur führt. „Studien zeigen, dass akuter täglicher psychischer Stress zum Verlust von Muskelmasse führt“, wobei Schmidt unterstreicht: „Ich glaube auch, dass psychosoziale Faktoren nicht allein den Rückenschmerz erklären können. Morphologische, funktionelle und mechanische Faktoren könnten ebenfalls eine Rolle spielen.“

Gesundheit: Warum Einzelgänger stärker von Rückenschmerzen betroffen sein können

Neben Stress seien auch andere Faktoren wie Isolation nicht zu unterschätzen: Demnach gebe es Beobachtungen, dass Einzelgänger häufiger zu Rückenschmerzen neigten. „Ja, es gibt Beobachtungen, die besagen, dass psychosoziale Faktoren wie Isolation eine Chronifizierung von Rückenschmerzen begünstigen. In unserer hochindustrialisierten Gesellschaft brauchen wir die direkten sozialen Kontakte nicht mehr unbedingt, um zu überleben. Dennoch ist dies in unseren Genen noch so gespeichert und daher belohnt uns unser Gehirn für den engen sozialen Kontakt mit anderen, indem es sich gut anfühlende Hormone ausschüttet. Aktuelle Studien zeigen, dass unser Wohlbefinden durch die Interaktion mit anderen Menschen gesteigert wird und sogar physische Schmerzen gesenkt werden“, erklärt Schmidt.

Lesen Sie auch:Rückenschmerzen: Wann Sie zu welchem Arzt gehen müssen

Die Ursachen für Rückenschmerzen auf einen Blick

  • Langzeitsitzen
  • Bewegungsmangel
  • Übergewicht
  • Fehlbelastung
  • Genetik
  • Falsche Ernährung
  • Rauchen
  • Stress
  • Psychosoziale Faktoren

Rückenprobleme: Spezifische Ursachen häufig nicht definierbar

Dr. Nima Taheri, Assistenzarzt in Weiterbildung mit Schwerpunkt Wirbelsäulenchirurgie, ebenfalls von der Charité, erklärt im Interview mit unserer Redaktion: „Grundsätzlich muss man bei der Fragestellung einmal spezifische und nicht spezifische Rückenschmerzen unterscheiden. Dabei haben wesentlich mehr Menschen in der Bevölkerung Rückenbeschwerden, die wir nicht auf eine bestimmte Ursache zurückführen können. Zum Beispiel Menschen, die keine Deformität der Wirbelsäule haben, die keine Dysbalance der Wirbelsäule oder besonders hohen Verschleiß aufweisen.“

Auch Taheri betont den Einfluss bestimmter Faktoren auf die Gesundheit des Rückens: „In unseren Studien führen wir an Patienten stets eine Risikoanamnese durch. Viele Patienten geben hier Bewegungsmangel an, andere einen ungesunden Lebensstil durch übermäßiges Rauchen, falsche Ernährung oder hohen Alkoholkonsum. Ein anderer Risikofaktor ist zum Beispiel langes Sitzen. Risikofaktoren sind keine todsicheren Faktoren für Rückenschmerzen, aber es sind eben dennoch Risikofaktoren.“

Besonders anfällig seien laut wissenschaftlichem Konsens Menschen mit verminderter körperlicher Aktivität, sowohl beruflich als auch privat, ebenso wie Menschen mit Übergewicht und gleichzeitig auch Menschen mit besonders auffälligem psychischem Verhalten im Sinne von Somatisierungsstörungen.

Ebenfalls interessant:Abnehmen? Studie nennt Weg, der garantiert Spaß macht

Genau wie Schmidt erläutert Taheri, dass es außerdem diverse soziale Risikofaktoren gebe, wie beispielsweise geringes Einkommen, niedriger Sozialstatus und weniger Aufstiegschancen im Beruf, die im Zusammenhang mit Rückenschmerzen stehen. Auch Taheri unterstreicht: „Rückenschmerzen sollten grundsätzlich im Rahmen eines multidimensionalen Konzepts verstanden und erklärt werden. Mechanische, funktionelle und morphologische Faktoren können in der Entstehung und Aufrechterhaltung eine Rolle spielen.“ Unter den häufigsten spezifischen Ursachen führt Taheri Brüche, Verschleiß, Infektionen, Deformitäten und Tumore auf, die allerdings nur selten als Ursache auftreten würden.