Berlin. In der Schwangerschaft erhält Lisa die Diagnose Darmkrebs. Es folgt ein Therapie-Marathon mit der Frage: Wie überleben Mutter und Baby?

Den 1. August 2022 wird Lisa (Nachname der Redaktion bekannt) nie wieder vergessen: ein Montag, der ihr Leben von jetzt auf gleich auf den Kopf stellt. Es war eine seltsame Mischung aus purem Schock und einem Hauch von Erleichterung. Denn endlich hatte sie es schwarz auf weiß, endlich Gewissheit. Die Diagnose: bösartiger Tumor im Enddarm. „Mein Mann war schockiert, ich war erleichtert, weil das Ding endlich einen Namen hatte“, sagt Lisa im Gespräch mit unserer Redaktion.

Lisa mit ihrem jüngsten Sohn Xaver, der während ihrer Krebstherapie gesund zur Welt kam.
Lisa mit ihrem jüngsten Sohn Xaver, der während ihrer Krebstherapie gesund zur Welt kam. © privat | Privat

„Das Thema war für mich davor komplettes Neuland“, sagt sie. Dennoch habe sich eine gewisse Ahnung, die schon länger in ihr schwelte, dann bestätigt. Was die brutale Diagnose für die damals zweifache Mutter aus dem bayerischen Schrobenhausen, ihren Mann Michael und ihre Familie so besonders machte: Sie war mit gerade einmal Mitte 30 nicht nur um die Hälfte jünger als der Durchschnitt der Patienten bei der Darmkrebsdiagnose. Sie war zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet auch noch zum dritten Mal schwanger.

Darmkrebs in Schwangerschaft: Leiser Verdacht wird bittere Diagnose

Dass etwas ganz und gar nicht stimmte, habe sie schon drei Monate zuvor gespürt, erinnert sich Lisa. „Ziemlich früh in meiner dritten Schwangerschaft hatte ich ganz schlimme Magenschmerzen und bin nachts in die Notaufnahme gefahren.“ Dort stellte man eine Gastritis, eine Entzündung der Magenschleimhaut, fest und sie erhielt Medikamente.

Danach folgten Wochen, in denen sie Durchfall und Verstopfung im Wechsel plagten, wie sie schildert. Die Medikamente, sagt sie, „machten es nicht besser, sondern immer schlimmer“. Ihre Frauenärztin habe die Schwangerschaftshormone für das Durcheinander im Darm verantwortlich gemacht, ihr Hausarzt habe nach dem Fund von verstecktem Blut in Stuhlproben ein Reizdarmsyndrom vermutet.

Darmkrebs-Selbsttest aus dem Internet bringt Stein ins Rollen

Irgendwann reichte es Lisa: Sie recherchierte auf eigene Faust im Internet, stieß dabei auf einen Vorsorge-Selbsttest eines deutschen Anbieters für Medizinprodukte und bestellte den 160 Euro teuren Test. „Anhand meiner Symptome war sicher, dass es Darmkrebs ist“, sagt sie.

Die überstandene Darmkrebs-Erkrankung von Lisa schweißte die Familie mit Mann Michael und den drei Kindern noch enger zusammen.
Die überstandene Darmkrebs-Erkrankung von Lisa schweißte die Familie mit Mann Michael und den drei Kindern noch enger zusammen. © privat | Privat

Kurze Zeit später erhielt sie nach eingeschickter Probe die Auswertung des Herstellers, „dass mein Testergebnis positiv ist und ich eine Vorstufe oder Darmkrebs habe“. Erst dieser Befund habe ihre Ärzte veranlasst, weitere Untersuchungen voranzutreiben – die schlussendlich in der Schockdiagnose am 1. August vor anderthalb Jahren mündeten.

Über 50.000 neue Darmkrebs-Fälle pro Jahr

Die heute 36-Jährige ist bei Weitem kein Einzelfall. An Darmkrebs erkranken zwar überwiegend Männer und Frauen weit in ihrer zweiten Lebenshälfte, doch rund jede zehnte Darmkrebserkrankung betrifft inzwischen die unter 50-Jährigen. Insgesamt erkranken jedes Jahr rund 24.000 Frauen sowie rund 30.000 Männer neu an Darmkrebs, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) ausweist. Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel etwa lassen das Risiko steigen.

Die gute Nachricht: Darmkrebs gilt aufgrund von großen Fortschritten bei der Früherkennung und Therapie mittlerweile als gut behandelbare und oft sogar heilbare Erkrankung. Etwa zwei von drei Erkrankten können erfolgreich therapiert werden.

Darmkrebs bei schwangerer Frau: Fachärzte waren interessiert

Auch für Lisa begann nach der Diagnose „bösartiger Darmtumor“ die Therapie – mit Fragen im Kopf: Was macht die Behandlung mit mir und meinem Körper? Wie gefährdet die Krebstherapie das ungeborene Kind? „Die Schwangerschaft abzubrechen, kam für mich überhaupt nicht infrage“, sagt sie.

Ihr ungewöhnlicher Fall sorgt selbst unter ihren Fachärzten für reges Interesse. Eine Schwangere mit Darmkrebs? Ihr behandelnder Professor am Klinikum Großhadern habe sich nur an einen weiteren solchen Fall erinnern können – der 17 Jahre zurücklag.

Bei Lisa hatte der Tumor im Enddarm bereits breit gestreut. Insgesamt sechsmal muss sich Lisa in den kommenden Monaten bis zur Geburt einer Chemotherapie unterziehen, die zum Glück anspringt. Als Sohn Xaver schließlich – per Kaiserschnitt, aber kerngesund – zur Welt kommt, wollen die Ärzte die Darmkrebstherapie zügig fortsetzen. Statt Erholung von den Strapazen im Wochenbett geht es sofort weiter. Es folgen noch zwei weitere Chemotherapien, fünf Bestrahlungen und eine abschließende OP, was dem Körper viel Kraft raubt.

Dreifach-Mutter nach Darmkrebs: „Kann meine Kinder aufwachsen sehen“

„Auch emotional war das sehr schwer für mich“, erinnert sie sich. „Dafür musste ich oft mein neugeborenes Kind abgeben und saß mit meiner frischen Kaiserschnittnaht und Hormonchaos nach der Schwangerschaft stundenlang im Auto oder Wartebereich der Klinik.“ Ihren Ärzten von damals sei sie dennoch nicht böse. Schließlich sei die riskante und aufwühlende Therapie geglückt. Seit April vergangenen Jahres gilt ihr Darmkrebs als besiegt. Bald steht die vierte Krebsnachsorge an. Bislang blieben alle ohne Befund.

Heute kämpft die dreifache Mutter nach eigener Aussage zwar immer mal wieder mit Durchfällen – schließlich fehle der komplette Enddarm. Es werde aber schrittweise besser. „Das ist der Preis, den ich zahle“, sagt sie. „Dafür bin ich noch da – und kann meine Kinder aufwachsen sehen!“

Die Darmkrebserkrankung ist laut den Ärzten überstanden. Heute kann Lisa wieder mit ihren Kindern lachen und sie aufwachsen sehen.
Die Darmkrebserkrankung ist laut den Ärzten überstanden. Heute kann Lisa wieder mit ihren Kindern lachen und sie aufwachsen sehen. © privat | Privat

Darmkrebs im Fokus: „Hallo Doc“-Veranstaltung in Berlin

Darmkrebs-Erfahrungsberichte wie der von Lisa werden auch kommende Woche in Berlin im Mittelpunkt stehen. Dann kommen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Hallo Doc!“ erneut Patientinnen und Patienten mit Fachärztinnen und -ärzten sowie Selbsthilfegruppen zusammen. Veranstaltet wird die Reihe von der gemeinnützigen Organisation yeswecan!cer um Gründer Jörg A. Hoppe, die mit der „Yes!App“ auch Deutschlands nach eigenen Angaben größte digitale Selbsthilfegruppe zum Thema Krebs betreibt.

Ziel des Events am Mittwoch (20. März) ist es laut Veranstalter, Betroffenen den direkten Draht zu den besten Fachärzten zu ermöglichten und Fragen zu onkologischen Themen zu beleuchten und zu vertiefen. Austausch, Information sowie die Vorstellung neuester Therapien und Behandlungsmethoden stehen im Mittelpunkt. Die FUNKE Mediengruppe gehört zu den Partnern. Neben der kostenlosen Anmeldung für den Besuch vor Ort lässt sich das Event auch per Livestream verfolgen.

Zu den Fachärzten und Onkologie-Experten auf den Podien der „Hallo-Doc“-Veranstaltung gehören unter anderem:

  • Prof. Dr. Guido Schumacher, Chefarzt der Chirurgie Brixen (Südtirol)
  • Priv. Doz. Dr. med Annika Kurreck, Oberärztin in der Onkologie der Charité (Berlin)
  • Priv. Doz. Dr. Severin Daum Gastroenterologe an der Charité (Berlin)
  • Prof. Dr. Ingo Froböse, Sportwissenschaftler und Universitätsprofessor an der Deutschen Sporthochschule Köln
  • Selbsthilfegruppe Rote Hose Darmkrebsvorsorge e.V.
  • Carsten Buchert, Felix Burda Stiftung
  • Jule Blömer, Darmkrebs-Patientin

„Hallo Doc“-Thema Darmkrebs – alle Infos