Erfurt. Über den Nutzen einer Impfpflicht in Deutschland wird weiter diskutiert. Laut Forschern gibt es keinen Zusammenhang zwischen Impfquote, Impfpflicht und der Härte des Zwangs, mit der sie durchgesetzt werden soll.

Eine Impfpflicht gegen Masern ist nicht zielführend und könnte sogar der Impfbereitschaft insgesamt schaden. Dieser Auffassung ist Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheits-Kommunikation an der Universität Erfurt. „Es ist zu befürchten, dass bei Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes andere freiwillige Impfungen seltener in Anspruch genommen werden und die derzeit kleine Impfgegner-Bewegung gestärkt wird“, sagt die Wissenschaftlerin.

Laut Betsch sind die Impfquoten vor allem bei der zweiten Masernimpfung nicht ausreichend, um die Masern in Deutschland zu eliminieren. Statt Impfungen zu erzwingen, müsse der Frage nachgegangen werden, warum zwei bis fünf Prozent der Menschen sie auslassen. Gemeinsam mit der WHO werde man zum Thema Ende August in Erfurt eine internationalen Sommerschule anbieten. „In Deutschland ist es nicht nur eine Frage des Vertrauens in Effektivität und Sicherheit der Impfstoffe, ausschlaggebend sind praktische Barrieren, fehlende Risikowahrnehmung und die Bereitschaft, andere zu schützen“, sagt Betsch.

Impfbereitschaft in verschiedenen Ländern untersucht

Mit Kollegen aus den USA und Australien hat Betsch die Impfbereitschaft in verschiedenen Ländern untersucht und die Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht. Demnach können in Uganda Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt werden. In den USA ist zwar ein Impfnachweis für den Schulbesuch erforderlich, alle Bundesstaaten erlaubten aber Ausnahmen. In Australien wiederum hinderten Gesetze Eltern daran, nichtmedizinische Ausnahmen zu erwirken. Ungeachtet solcher Unterschiede gebe es keinen Zusammenhang zwischen Impfpflicht und Impfquote beziehungsweise der Härte des Zwanges, mit der sie durchgesetzt wird.

Betsch und ihre Kollegen fordern Deutschland deshalb auf, die Impfpflicht zu überdenken. In jedem Falle sollten damit wichtige Maßnahmen verbunden sein wie eine stabile Verfügbarkeit von Impfstoffen sowie der vereinfachte Zugang zu Impfungen durch automatische Impferinnerungen und aufsuchende Impfungen. Nichtmedizinische Ausnahmen sollten zugelassen, aber erschwert werden. „Eine mildere Variante der Impfpflicht hält die Entscheidungsfreiheit aufrecht und steigert dennoch die Impfrate“, so Betsch.

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