Gera. Susanne Frank wartete sieben Wochen auf ein Spenderherz. Heute geht es ihr gut. Doch die Organspende hat auch eine Schattenseite, wie ein Geraer Oberarzt berichtet.

Als der Herbst kam, wartet Susanne Frank im Jenaer Krankenhaus auf das Herz eines Menschen. „Ich bin hier, die ganze Zeit“, antwortete sie auf eine Interviewanfrage. Doch zu diesem Termin sollte es nicht kommen. Susanne Frank stand auf der Dringlichkeitsliste für eine Organtransplantation. „Am Schluss war ich bei 13 Prozent Herzleistung. Und dann bekam ich wieder keine Luft mehr“, erinnert sie sich an diese schwere Zeit. „Das war kein Leben mehr, das ging nicht mehr.“

Im September 2014 erkrankte die heute 54-Jährige aus Tambach-Dietharz an einem HHV6-Herpesvirus am Herzen. „Ich konnte oftmals nicht schlafen und nachts hatte ich das Gefühl, einen Stein auf der Brust zu haben“, sagt sie. Über den Hausarzt kam sie in die Klinik nach Bad Berka, wurde operiert, bekam einen Defibrillator und wurde 2018 von einer Bronchitis heimgesucht, die sie erneut ins Krankenhaus brachte. „Die Ärzte sagten mir, es sei an der Zeit über eine Transplantation nachzudenken“, erinnert sie sich.

Organspender-Debatte im Krankenhaus verfolgt

Siebeneinhalb Wochen wartet Susanne Frank in Jena im Krankenhaus auf das Spenderorgan und währenddessen wehte vor der Tür ein anderer Wind. Im Fernsehen verfolgt sie die Abstimmung zur von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg gebrachten Widerspruchslösung in der Organspende-Debatte und kann nur schwer glauben, was sie sieht. „Jeder kann in diese Situation kommen, dass er ein Organ braucht“, sagt sie. Die Abgeordneten stimmten gegen den Vorschlag. Unverständnis.

Zum Zeitpunkt der Organentnahme schlägt das Herz noch

Dass das Spenden eines Organs ein Eingriff ist, über den Patienten sehr bewusst nachdenken sollten, betont indes Lars-Olaf Felthöfer. „Die Diskussion ist in der Öffentlichkeit zu kurz gegriffen“, bemängelt der Oberarzt und Leiter des Ethikkomitees im SRH Wald-Klinikum in Gera. „Die schöne Seite ist die Empfängerseite, die Schattenseite empfinde ich als wesentlich bedrückender, denn die Sterbeprozedur ist eine andere.“ Die Entscheidung, wie sie von den Abgeordneten im Januar getroffen wurde, hält er für richtig. Warum?

Besonders für Angehörige sei die Sterbeprozedur schwer: „Sie zweifeln häufig am Tod des Patienten, wenn die Leichenstarre noch nicht eingetreten ist“, sagt er. Der Körper sei zu diesem Zeitpunkt noch warm, zeige Vitalzeichen. „Während die Organe wie Nieren, Leber, Bauchspeicheldrüse und Darm entnommen werden, schlägt das Herz noch. Es wird zuletzt mit einer Infusion zum Stillstand gebracht, bevor es entnommen werden kann, die Lungen werden danach mit entnommen“, sagt er. Ob eine Organentnahme in Frage kommt, werde innerhalb kürzester Zeit entschieden. „Zur Entnahme der Organe bedarf es noch einer Narkose, zumindest einer Relaxierung und Dämpfung der vegetativen Reaktion“, so der Leiter des Ethikkomitees. „Ich habe Organentnahmen als Anästhesist mitbegleitet. Es war mehr Narkose nötig, als gedacht.“ Und dennoch: „Wer Organe spendet, kann dem Tod einen Sinn geben“, so der Oberarzt.

„Ich bin auf der Intensivstation. Das ist sehr gut für mich“

Was Susanne Frank gegenüber ihrem Spender und seinen Angehörigen empfindet, ist nur schwer in Worte zu fassen. „Ich habe meinem Herzensspender mein neues Leben zu verdanken“, sagt sie gerührt. Wer der Spender war, wird den Patienten nicht mitgeteilt. Über eine Organisation schicke Susanne Frank einen Brief an die Angehörigen. Ob sie ihn lesen und antworten, weiß sie nicht. Seit Dienstag ist Susanne Frank aus der Reha zurück. Ihr gehe es gut, schreibt sie in einer SMS. Dass nach sieben Wochen Aufenthalt im Jenaer Klinikum bereits ein Herz für sie gefunden wurde, ist aus ihrer Sicht unglaublich. „Dann stand die Ärztin da und sagte, wir haben ein Herz für sie. Das war am 2. Februar. Ein Sonntag“. Es war der Sonntag nach der Interviewanfrage. In einem kurzen Telefonat am darauffolgenden Dienstagmorgen berichtete sie bereits unter Tränen „Ich bin auf der Intensivstation, das ist sehr gut für mich.“

Bei 99 Prozent kommt keine Spende in Frage

Zurück im SRH Wald-Klinikum in Gera. Dass es auch mit der Widerspruchslösung spürbar mehr Spenderorgane gegeben hätte, das sieht Lars-Olaf Felthöfer anders: „Bei 99 Prozent kommt keine Spende in Frage“, sagt er. „Organe werden nur entnommen, wenn im Krankenhaus der Hirntod festgestellt wird. Dieser tritt bei Schlaganfällen und Schädel-Hirn-Traumen am häufigsten auf, so der Oberarzt. Bei Menschen, die beispielsweise an Krebs sterben, können die Organe nicht entnommen werden. „Es würde mit der Widerspruchslösung auch nur 10 Prozent mehr Spenderorgane geben, wenn es gut läuft“, sagt er.

Ferne müsse bedacht werden, dass die Organentnahmen vor allem in den kleineren Krankenhäusern stattfände. „Dort kann die Erstellung der Hirntotprotokolle durch viel zu geringe Routine erschwert, und somit auch unkorrekt sein.“ Weiter möchten wenige Menschen auf der Intensivstation sterben, sagt er. Sondern lieber zuhause. Die Entscheidung zur Organspende sei also keine, die leichtfertig gefällt werden sollte. Für Susanne Frank ist sie dennoch klar: „Ich weiß nicht, ob ich darf, aber ich möchte auch weiterhin Organspender sein.“