Berlin. Welche Ansteckungsgefahr geht von Kindern aus? Nun gibt es dazu eine erste Analyse in Deutschland. Forscher warnen aufgrund ihrer Ergebnisse vor einer uneingeschränkten Öffnung von Schulen und Kindergärten.

Kinder sind einer Analyse in Deutschland zufolge in der gegenwärtigen Coronavirus-Pandemie vermutlich genauso ansteckend wie Erwachsene. Die Forscher warnen aufgrund ihrer Ergebnisse vor einer uneingeschränkten Öffnung von Schulen und Kindergärten in Deutschland. Die Zahl der Viren, die sich in den Atemwegen nachweisen lässt, unterscheide sich bei verschiedenen Altersgruppen nicht, berichtet das Team um den Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité in einer vorab veröffentlichten und noch nicht von unabhängigen Experten geprüften Studie.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zeigten in vielen Ländern Wirkung, schreiben die Forscher. Mit Lockerung der Kontaktbeschränkungen gebe es vermehrt auch Diskussionen darüber, inwieweit die Schließung von Schulen und Kindergärten zu diesem Erfolg beigetragen hat - und wie sich eine Wiedereröffnung auf die Ausbreitung des Virus auswirken könnte. Bisher sei unklar, inwieweit Kinder das Virus an andere weitergeben. Die Untersuchung dieser Frage sei schwierig, gerade weil die Schulen früh geschlossen wurden und weil das Virus vor allem in der Anfangsphase der Epidemie vor allem von erwachsenen Reisenden weitergegeben wurde. Zudem hätten Kinder oft keine oder nur leichte Symptome und würden deshalb seltener getestet.

Das Team um Drosten hatte nun in Proben von 3712 Infizierten, die zwischen Januar und 26. April in einem Berliner Testzentrum untersucht wurden, die Menge an Sars-CoV-2-Viren bestimmt. Sie fanden keinen Unterschied in der Viruslast zwischen verschiedenen Altersgruppen. Bei der Beurteilung der Ansteckungsgefahr in Schulen und Kindergärten müssten die gleichen Annahmen zugrunde gelegt werden, die auch für Erwachsene gelten, schreiben die Forscher.

Es gebe Argumente, denen zufolge Kinder weniger ansteckend seien als Erwachsene, erläutern die Wissenschaftler auch. Etwa, dass sie meist keine Symptome haben und deshalb weniger husten, und weil sie weniger Atemluft ausstoßen. Auf der anderen Seiten seien sie aber körperlich und sozial viel aktiver.

Studie kann nur indirekte Hinweise liefern

Drosten schränkte im NDR-Podcast ein, dass die Studie wegen ihres Ansatzes nur indirekte Hinweise geben könne: Untersuchungen zu Übertragungen von und durch Kinder direkt etwa in Schulen oder Kitas seien derzeit wegen der Schließungen gar nicht möglich. Auch hätte die Zahl einbezogener Kinder noch größer sein können, so der Virologe. Aber positiv getestete Kinder seien sehr selten, unter anderem weil in Deutschland vor allem Patienten mit Symptomen getestet werden. Kinder hätten häufig milde oder keine Symptome.

Unter Berufung auf eine „Science“-Studie berichtete Drosten im NDR auch davon, dass Kinder und Erwachsene offenbar ein unterschiedlich großes Ansteckungsrisiko haben: Kinder seien - stark vereinfacht gesagt – nur ein Drittel so anfällig wie Erwachsene dafür, infiziert zu werden, bilanzierte der Wissenschaftler. Er gab jedoch zu bedenken, dass sich das vielleicht durch das Verhalten wieder ausgleiche – etwa weil Kinder untereinander viel intensivere Kontakte hätten.

Auch der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, betonte am Donnerstag, dass Kinder für die Ausbreitung wohl dieselbe Rolle spielten wie Erwachsene. „Sie können angesteckt werden, sie können das Virus ausscheiden und andere anstecken“, sagte er. Dabei spiele ihr Sozialverhalten eine größere Rolle als bei Erwachsenen. Kinder seien weniger gut darin, sich an Abstandsregeln zu halten.

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