Weimar. Geschichten aus der Weimarer Herz-Jesu-Kirche: Halbrelief mit Bezug zur Gegenwart.

Die katholische Herz-Jesu-Kirche in Weimar beherbergt zahlreiche Figuren und Bilder. In loser Folge werden Abbildungen aus dieser Kirche vorgestellt, deren Bedeutung für den Alltag erläutert und dazu erklärende Geschichten erzählt.

Vor 2000 Jahren kam ein Bauer mittags vom Feld. Er hieß Simon und stammte aus Kyrene, einer Stadt im Osten Libyens. Das Feld, auf dem er arbeitete, befand sich vor den Toren Jerusalems. Dort lebte Simon gerade. Er hatte es nicht weit bis nach Hause, deshalb ging er zum Mittagessen heim. Den ganzen Weg über freute er sich auf die Mahlzeit mit der Familie. Doch es kam anders. Auf seinem Heimweg geriet er in eine Menge, die einen Trupp römischer Soldaten mit drei Gefangenen auf dem Weg zur Kreuzigung begleitete. Die Soldaten ergriffen Simon und zwangen ihn, dem einen der Todeskandidaten beim Tragen des Kreuzes bis zur Hinrichtungsstätte zu helfen.

Der Todeskandidat war Jesus. Die eher unbedeutende Hilfe des Simon von Kyrene für Jesus war den ersten Christen so wichtig, dass diesem einfachen Bauern in der Bibel ein Denkmal gesetzt wurde. Simon kannte Jesus wohl eher nicht. Auf Anweisung der römischen Soldaten schleppte er dem Verurteilten die Last. Er packte kräftig zu, obwohl er gezwungen wurde.

Zwang und Einsicht in die Notwendigkeit verwandelten sich in der Person des Simon von Kyrene in die Freiheit der Entscheidung. Simons Heimweg wurde vom Leid der Todeskandidaten durchkreuzt. Er nahm die Last eines anderen auf sich. Simon konnte den Verurteilten nicht retten. Aber er tat, was in seinen Kräften stand, um dessen Leid zu lindern.

In der Herz-Jesu-Kirche sind 14 geschnitzte Halbreliefs zu sehen, auf denen die letzten Stunden des Todeskandidaten Jesus dargestellt sind. Das fünfte Bildnis zeigt die Situation, in der Simon das Kreuz anpackt. Dieses Bild ist eine Parallele zum Verhalten vieler Menschen in diesen Tagen: Bei allem Zwang zur Vermeidung von sozialen Kontakten und in der unangenehmen Verpflichtung, Abstand zu halten, zeigen sie Einsicht in diese Regeln. Ja, mehr noch: Sie packen an und helfen – wo und wie sie es gerade können. Wenn jeder und jede Einzelne tut, was in seiner oder ihrer Kraft steht, können bei allem gebotenen Abstand Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft über die schwere Zeit hinweghelfen.

Warum der Künstler auf dem Halbrelief wohl zwei Helfer dargestellt hat? Vielleicht, weil Hilfe besser gelingen kann, wenn mehrere mit anpacken…