Bochum/Potsdam. Am Nachthimmel sind immer weniger Sterne mit bloßem Auge sichtbar. Experten warnen deshalb auch vor Risiken für die Umwelt und das Ökosystem.

Die Lichtverschmutzung am Nachthimmel nimmt deutlich stärker zu als bisher erwartet und lässt die Sichtbarkeit von Sternen drastisch sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Fachmagazin "Science" veröffentlichte Analyse, für die Wissenschaftler die Beobachtungen von 51.351 Menschen - vor allem in Europa und Nordamerika - zwischen 2011 bis 2022 ausgewertet haben.

Die rund 50.000 "Bürgerwissenschaftler" hatten ihren Nachthimmel mit bloßem Auge beobachtet und anschließend in einem Online-Formular den entsprechenden Grad an Lichtsmog angegeben. Die Angaben repräsentieren demnach 19.262 Standorte weltweit, darunter knapp 3700 Orte in Europa und fast 9500 in Nordamerika. Zudem sei ein Modell für die Himmelshelligkeit benutzt worden, das auf Satellitendaten von 2014 basiere.

Die Forschenden um Christopher Kyba, Experte am Deutschen Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam und der Ruhr-Universität Bochum, zeigten sich überrascht und besorgt. "Die Geschwindigkeit, mit der Sterne für Menschen in städtischen Umgebungen unsichtbar werden, ist dramatisch", betonte Kyba.

Künstliches Himmelsleuchten beeinflusst nachtaktive Tiere

Lichtverschmutzung bezeichnet die künstliche Aufhellung des Nachthimmels durch Lichtquellen wie Straßenbeleuchtung, angestrahlte Fassaden, Gebäude, Parks oder auch leuchtende digitale Werbeflächen. Sterne sind am aufgehellten Himmel kaum oder nicht erkennbar. Pro Jahr nehme die Himmelshelligkeit im weltweit ermittelten Durchschnitt um 9,6 Prozent zu, fanden die Forscher nun heraus. Für Europa ergab sich 6,5 Prozent mehr Helligkeit pro Jahr, für Nordamerika ein Plus von 10,4 Prozent.

Das Problem nehme seit Langem rasant zu, schildert Kyba. Wenn der Himmel auch lange nach Sonnenuntergang noch in einer künstlichen Dämmerung strahlt, hat das negative Folgen für Sternenbeobachtung und Astronomie - und nicht nur das: Es komme auch zu gravierenden Folgen für die Umwelt, warnen die Wissenschaftler. Viele Verhaltensweisen und physiologische Prozesse von Lebewesen sind von tageszeitlichen und saisonalen Rhythmen bestimmt – und damit vom Licht beeinflusst, erläuterte die US-amerikanische Mitautorin Constance Walker. "Das Himmelsleuchten beeinträchtigt sowohl tag- als auch nachtaktive Tiere und zerstört außerdem einen wichtigen Teil unseres kulturellen Erbes."

"Umweltschutz müsse auch den Himmel einschließen"

Die Vereinigung der Sternfreunde - Mitglieder sind Amateurastronomen, Volkssternwarten und auch Planetarien - wies darauf hin, dass schon heute in dicht besiedelten Regionen die Betrachtung des Sternenhimmels mit bloßen Auge fast unmöglich sei. In Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet und in Metropolen "sieht man leider nur noch enttäuschend wenig", sagte Andreas Hänel der dpa. Es gebe immer mehr lokale Projekte und Maßnahmen, um künstliches Licht zu reduzieren, sie reichten aber nicht aus.

Der Umweltschutz müsse auch den Himmel einschließen, fordert deshalb die Vereinigung. Der Gesetzgeber habe Lichtimmissionen als Problem erkannt und ins Bundesimmissionsschutzgesetz aufgenommen, berichtete Hänel. Es brauche allerdings verbindliche Grenzwerte. Auch die Umweltorganisation BUND warnte vor negativen Auswirkungen auf das Ökosystem, auf Tier- und Pflanzenwelt. Beim Menschen könne ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus infolge wachsender nächtlicher Beleuchtung die Produktion des "Schlafhormons" Melatonin unterdrücken und Schlafstörungen verursachen. Laut Natur- und Umweltschutzorganisation WWF sind die Folgen auch für die Insekten-Populationen schwerwiegend: Etwa die Hälfte aller Insekten sei nachtaktiv, sie würden in ihrem natürlichen Verhalten gestört.

Zu den Regionen mit dunklem Himmel und noch guter Sicht auf die Sterne gehörten etwa die Eifel, Rügen oder die Mecklenburger Seenplatte. Er hält aber ein noch stärkeres Bewusstsein, deutlich mehr Lichteinsparung und einheitliche Regelungen für die öffentliche Beleuchtung für erforderlich. Hänel glaubt, wenn es kein echtes Umdenken gebe, "wird es in Zukunft nur noch wenige Orte geben, zu denen man dann weit reisen muss, um die Sterne gut zu sehen".