Andisleben. Damit die Feldhamster in Thüringen nicht aussterben, erprobt die Stiftung Lebensraum mit Landwirtschaftsbetrieben Modelle, die dem Tier Schutz und Nahrung bieten.

Das Feld an der B 176 bei Andisleben bei Sömmerda, an dessen Rand Alexander Weiß steht, ist kein gewöhnliches: Es trägt eine Art Streifenmuster. An einen sechs Meter breiten sogenannten Blühstreifen, auf dem unter anderem verschiedene Sorten Klee, Getreide und Blühpflanzen wachsen, schließen sich zur Rechten je ein Streifen Winterweizen und Futtererbsen an, dann wechseln sich je zwei Blühstreifen mit Zuckerrüben und Luzerne ab. Insgesamt ist dieser Schlag knapp 20 Hektar groß – und eine von bislang vier sogenannten Lebensraumparzellen, die zum Schutz des Feldhamsters in Mittelthüringen angelegt wurden.

Das possierliche Nagetier, das früher als Plage in der Landwirtschaft bekämpft wurde, dessen Fell noch in der DDR ein begehrter Artikel war, ist nämlich längst vom Aussterben bedroht. In einigen Teilen Deutschlands ist der Feldhamster sogar mittlerweile ausgestorben, weil ihm durch die moderne Landwirtschaft und den schnellen Erntefortschritt Futter und Schutz und damit der Lebensraum entzogen wurden.

Dabei stehen nicht nur Grünzeug und Körner auf dem Speiseplan des Feldhamsters, sondern auch Käfer, Maden und sogar Feldmäuse.

Extra-Förderung für Naturschutz

Im Thüringer Becken gibt es eines der letzten Feldhamstervorkommen Deutschlands. Dass sich daraus die Verantwortung ableitet, etwas für den Schutz und Fortbestand des Nagetiers zu tun, ist klar.

Eine Möglichkeit dazu, die Bedingungen für die gefährdete Art zu verbessern, bieten Lebensraumparzellen wie die, die die Geratal Agrar GmbH & Co. KG Andisleben an der B176 angelegt hat. Denn in ihr finden die Feldhamster sowohl ausreichend Nahrung als auch Deckung.

Alexander Weiß von der Stiftung Lebensraum Thüringen, einem Verband für Landschaftspflege und Naturschutz, betreut das Feldhamsterschutzprojekt und hat das Agrarunternehmen nicht lange dazu überreden müssen, die Lebensraumparzelle anzulegen. Nicht nur, weil es dafür eine Förderung von 1000 Euro pro Hektar aus dem Programm „Entwicklung von Natur und Landwirtschaft“ (ENL) gibt, das aus Mitteln von EU und Land gespeist wird.

Feldhamsterprojekt in Andisleben: Alexander Weiß (l.) und Praktikantin Emma Kroll.
Feldhamsterprojekt in Andisleben: Alexander Weiß (l.) und Praktikantin Emma Kroll.

Die Geratal Agrar GmbH ist auch generell an einer umwelt- und klimagerechten Landwirtschaft interessiert und fühlt sich dem Gedanken der Nachhaltigkeit seit Langem verpflichtet. „Wir kooperieren seit Jahren mit diesem Landwirtschaftsbetrieb“, sagt Alexander Weiß und ergänzt: „Trotzdem müssen die Kulturen auf der Lebensraumparzelle auch ins Betriebskonzept passen.“ Müssten die Betriebe auf ihren Flächen nämlich etwas anbauen, das für sie keinen Nutzen hat, nicht zum Betriebsablauf passt und ihnen nur zusätzliche Arbeit bereitet, fände die Schutzmaßnahme kaum Akzeptanz. Weizen, Rüben und Luzerne gehörten aber ohnehin zu genau den Kulturen, die die Geratal Agrar GmbH anbaut – und die einzelnen Streifen seien auch breit genug, um sie mit den vorhandenen Maschinen zu bearbeiten.

Dass die Lebensraumparzellen etwas bringen, belegt eine kürzlich auf dem Feld an der B 176 aufgestellte Wildkamera: Kaum war sie installiert, fing sie Bilder von Feldhamstern ein, die sich auf diesem Feld tummeln. Alexander Weiß, der die Fotos per E-Mail empfängt und jederzeit auf seinem Smartphone betrachten kann, ist deshalb froh darüber, dass das Andisleber Agrarunternehmen nicht der einzige Betrieb ist, den er für das Projekt gewinnen konnte: In der Gemarkung Sundhausen bei Gotha hat auch die Agrargenossenschaft Kirchheilingen eine 20 Hektar große Lebensraumparzelle angelegt, eine zwölf Hektar große betreibt die Agrargenossenschaft Großengottern, in der Gemarkung Seebach nahe Mühlhausen und eine fünf Hektar große die Agrarprodukte Großfahner in Döllstädt (Landkreis Gotha).

Andere Unternehmen wie das Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut in Buttelstedt bei Weimar oder die Nicklas-Hof GbR in Herbsleben im Unstrut-Hainich-Kreis haben sich für eine weitere Maßnahme, die „rotierenden Blühstreifen“, erwärmen können. Dabei sorgen zwei möglichst breite und direkt nebeneinander liegende Blühstreifen dafür, dass der Feldhamster im Herbst Wintervorräte sammeln und im Frühjahr nach dem Öffnen des Winterbaus Deckung und Nahrung finden kann. Und wieder andere Unternehmen haben sich davon überzeugen lassen, nach der Ernte bis Ende September entweder nur die Stoppeln oder aber zusätzlich Strohschwaden auf den Feldern zu belassen – als Feldhamster-Deckung beim Sammeln der Wintervorräte. Auch dieser Mehraufwand wird den Betrieben aus den Mitteln des ENL-Feldhamsterschutzprojekts vergütet, wie sich generell neue Strukturen in der Landwirtschaft nur etablieren lassen, wenn sich das für die Unternehmen auszahlt.

Alexander Weiß: „Unser Ziel ist es, diese Modelle als Praxisvorschläge in die künftige Agrarförderperiode zu überführen.“ Das heißt: Betriebe, die sich künftig für solche Schutzmaßnahmen entscheiden, sollten dafür auch Fördermittel bekommen – und das möglichst unbürokratisch, um den Anreiz zu erhöhen. Aktuell, so Weiß, gebe es nur für Blühstreifen eine Feldhamsterförderung: „Doch die Anforderungen dafür sind so hoch, dass das Interesse an dieser Maßnahme sehr gering ist.“

Rebhuhnschutzprojekt wenig erfolgreich

Derzeit befindet sich das im Mai 2017 gestartete Feldhamsterschutzprojekt in der zweiten von drei Phasen, die erst im Mai 2021 abgeschlossen sein wird. Forstwirtschaftler Alexander Weiß ist davon überzeugt, dass die drei Maßnahmen Stoppelbrache, Rotierende Blühstreifen und Lebensraumparzelle praxistauglich sind und nichts, was am grünen Tisch entworfen worden wäre, aber dem Alltag nicht standhält.

Wie er auch davon überzeugt ist, dass man sich von Rückschlägen nicht demotivieren lassen darf. Denn dem Rebhuhnschutzprojekt, das die Stiftung Lebensraum Thüringen e.V. vor dem Feldhamsterprojekt betreut hat, war leider wenig Erfolg beschieden: Der Rebhuhn-Bestand konnte nicht erhöht werden.

„Das lag aber nicht daran, dass unsere Maßnahmen nicht gewirkt hätten“, erklärt Alexander Weiß. Vielmehr hätten der sehr schneereiche und nasse Winter 2012/2013 und der mangelnde Schutz vor Räubern wie Füchsen, Waschbären und Dachsen die Bemühungen zunichte gemacht, die Bedingungen für die Rebhühner zu verbessern.

Weiß, der von Haus aus Forstwissenschaftler ist und im Landesjagdverband Thüringen außerdem Obmann für Niederwild und Lebensraum, plädiert deshalb für eine ganzjährige Fütterung etwa von Rebhühnern und für eine Bejagung von Füchsen & Co. mit Fallen.

Denn anders werde es nicht gelingen, gefährdete Arten der Feldflur zu erhalten. „Deshalb verzichten die Jäger in Thüringer auch freiwillig darauf, das Rebhuhn zu bejagen, obwohl es nach wie vor eine jagdbare Art ist und im Thüringer Jagdgesetz steht“, erklärt der 29-Jährige.

Eine Art kämpft ums Überleben

  • Das Feldhamsterschutzprojekt wird zum einen aus ENL-Mitteln (Programm „Entwicklung von Natur und Landwirtschaft“) finanziert, zum anderen ist die Sonderaufgabe „Feldhamsterschutz“ der Natura 2000-Station „Mittelthüringen/Hohe Schrecke“ der Stiftung Lebensraum Thüringen e.V. zugeordnet. Dadurch wird in der Stiftung eine halbe Personalstelle gefördert und die Beratung insbesondere von Landwirtschaftsbetrieben ermöglicht.
  • Aktuell gibt es in Thüringen 12 Natura 2000-Stationen, die als regionale und nichtstaatliche Einrichtungen des Naturschutzes in gemeinnütziger Trägerschaft errichtet wurden und eng mit der jeweiligen Verwaltung, den Landnutzern und weiteren Akteuren vor Ort zusammenarbeiten.
  • Bis in die 70er und 80er-Jahre hinein wurden Hamsterbauten vergast und Prämien für Hamsterfelle gezahlt.
  • Dem Hamster schaden unter anderem die Praxis, nach der Getreideernte die Stoppeln sofort in den Boden einzuarbeiten, und der Wechsel zu früher reifenden Getreidesorten.