Offenbach. Warmes Meerwasser befeuert die Hurrikan-Saison mit Überschwemmungen und Verwüstungen. Meteorologe warnt: Risiko steigt auch für Europa.

  • Die Wassertemperatur in den Weltmeeren ist so hoch wie noch nie: Das hat Folgen für das Wetter in Europa
  • Hohe Wassertemperaturen schaffen perfekte Bedingungen für Hurrikans
  • Ein Meteorologe erklärt, wo in Europa das Risiko für die tropischen Wirbelstürme besonders hoch ist

Die Oberflächentemperaturen des Wassers im Atlantik und im Pazifik sind seit Monaten außergewöhnlich hoch. Sie befeuern die Hurrikan-Saison. Insbesondere der Nordatlantik ist so warm wie nie zu dieser Jahreszeit. Das zeigen Daten des Climate Change Instituts der Universität im US-amerikanischen Maine.

Weil hohe Wassertemperaturen die Entwicklung der tropischen Wirbelstürme begünstigen, hat das US-amerikanische National Hurricane Center die aktuelle Hurrikan-Saison von „durchschnittlich“ auf „mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich“ nach oben korrigiert.

Das warme Oberflächenwasser sei mit dafür verantwortlich, dass „derzeit auch im westlichen Pazifik um Japan und die Philippinen schon zahlreiche kräftige Wirbelstürme ihr Unwesen treiben“, bestätigt auch Meteorologe Lars Kirchhübel vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

Warme Weltmeere: Hurrikan kann mehr Wasser aufnehmen

„Aktuell sind die Bedingungen für die Entstehung von Hurrikans super“, erklärt Kirchhübel auch mit Blick auf Hurrikan „Idalia“, der am Ende in den US-Bundesstaaten Florida, South Carolina und Georgia zum Glück weniger Schaden angerichtet hat als befürchtet. „Regional haben wir etwa im Golf von Mexiko Meerestemperaturen von 31 Grad.“ Auch der Atlantik und Pazifik seien erschreckend warm.

Schon ab 26 Grad sprechen Meteorologen von guten Entwicklungsbedingungen für tropische Wirbelstürme. Am Beispiel „Idalia“ konnte man gut sehen, „welches Potenzial allein durch die Oberflächenwassertemperatur zur Verfügung steht“, erklärt Kirchhübel. Diese ist die Hauptenergiequelle eines Hurrikans.

Auch Hurrikan Lorenzo hatte 2019 Europa erreicht. Starke Wellen brachen damals etwa am Leuchtturm der Hafeneinfahrt im portugiesischen Hafen von Ponta Delgada.
Auch Hurrikan Lorenzo hatte 2019 Europa erreicht. Starke Wellen brachen damals etwa am Leuchtturm der Hafeneinfahrt im portugiesischen Hafen von Ponta Delgada. © picture alliance | Ballasch

Aktuell ist Halbzeit bei der Hurrikan-Saison 2023 – begonnen hat sie Anfang Juni und dauert noch bis Ende November. In diesem Zeitraum bilden sich erfahrungsgemäß die meisten subtropischen oder tropischen Wirbelstürme. Grundsätzlich ist dies aber immer möglich.

„Auf Grund der hohen Temperaturen gibt es eine hohe Verdunstung", so der DWD-Experte. „Dadurch wird dem System sogenannte latente Energie zugeführt, die bei Aufsteigen der Luft durch Kondensation als Wärmeenergie wieder freigesetzt wird. In der Folge verstärken sich die Aufwinde sowie auch die Drehbewegung des Sturms.“ Sprich: Es kann leichter zu sehr hohen Windgeschwindigkeiten kommen.

Auch in Europa haben Tropenstürme noch „großes Verwüstungspotenzial“

Doch nicht nur das birgt Gefahrenpotenzial für uns Menschen: Auch hohe Wassermengen, die ein Hurrikan wegen hoher Wassertemperaturen aufnehme und dann bei Landgang wieder als Regen ablasse, sorgten oft für große Schäden, so der Meteorologe. Daher ist die Einstufung eines Hurrikans, die nur auf den Windgeschwindigkeiten basiert, nur bedingt aussagekräftig.

„Auch bei uns in Deutschland kann man einen erhöhten Feuchtegehalt bei hohen Lufttemperaturen durch das häufigere Auftreten von lokalen Starkregenereignissen beobachten“, ergänzt der Wetterexperte. Jedoch sei dies mit den Wassermassen beim Hurrikan nicht zu vergleichen, da Hurrikans die Feuchte direkt aus dem Wasser ziehen.

Einen zwangsläufigen direkten kausalen Zusammenhang der diesjährige Hurrikan-Lage und dem Klimawandel sieht Kirchhübel jedoch vorerst nicht. „Bei der Aktivität gibt es von Jahr zu Jahr immer einer gewisse Fluktuation“, erklärt der Experte. „Dennoch ist der Einfluss des Klimawandels auf die steigenden Meerestemperaturen und somit auch auf die Entwicklung von Hurrikans nicht gänzlich von der Hand zu weisen.“

Und noch etwas gilt es laut Kirchhübel zu bedenken: Wegen des warmen Oberflächenwassers im Atlantik steigt die Gefahr, dass Hurrikans künftig häufiger auch bis nach Europa wandern und dort auf die iberische Halbinsel treffen könnten – also auf Portugal oder Spanien mit seinen beliebten Urlaubsinseln.

„Selbst wenn ein Hurrikan am Ende dort in Anführungszeichen nur als Tropensturm oder umgewandeltes Tief ankommt, hat dieser oft noch großes Schadenspotenzial“, so der DWD-Experte. Zudem steige auch im Mittelmeerraum durch die hohen Wassertemperaturen die Gefahr für die Entstehung und Entwicklung sogenannter Medicane, ergänzt Kirchhübel. Meteorologen gehen davon aus, dass sich die Häufigkeit und vor allem die Intensität dieser zukünftig weiter erhöhen könnte. Das könnte Sie auch interessieren: Mallorca: Chaos am Flughafen – Deutsche Segler vermisst