Ariège. Die Besichtigung von Burgen, Wege durch eindrucksvollen Landschaften und das Reiten lässt sich bei einer Reise durch die französischen Pyrenäen verbinden. Sogar unerfahrene Reiter haben dabei Spaß.

Verreisen geht wegen der Corona-Pandemie erstmal für unbestimmte Zeit nicht - doch es spricht ja nichts dagegen, sich schon jetzt ein paar Gedanken über den nächsten Urlaub zu machen. Wie wäre es zum Beispiel mal mit Wanderreiten in den Pyrenäen?

Es ist so eine Sache mit den Vorurteilen. Man kann sich oft schlecht von ihnen verabschieden - so geht es anfangs bei meinem ersten Reiturlaub. Ein sechs Tage Wanderritt steht bevor.

Auf rund 140 Kilometern erwartet mich eine Tour durch das "Land der Katharer" in Okzitanien, einer Region in den französischen Pyrenäen. Es ist der erste lange Ritt für mich, noch dazu in einer Gruppe.

Die Pferde sind besser ausgebildet als viele Reiter

In die Vorfreude mischt sich daher Skepsis: Hoffentlich nehmen daran nicht nur überambitionierte Reiter teil. Hoffentlich reden die nicht den ganzen Tag nur über Pferde. Und hoffentlich reicht die Polsterung meiner Radlerunterhose.

Die Pferde sind besondere Tiere. Gruppenleiterin Chloé Moulin, eine staatlich geprüfte Wanderreitführerin, züchtet speziell für Bergtrails alte Pyrenäenrassen. Drei Jahre lang wachsen die Tiere in den Bergen rund um die Reitanlage Centre du Soularac in Ariège auf und lernen, schon als Fohlen die steilen Hänge zu erklimmen.

Erst bekommen die Pferde das Futter, dann die Reiter

Am ersten Morgen zeigt sich: Wanderreiten heißt auch, einige Strecken zu Fuß zurückzulegen. So beginnt die Tagesetappe von Camurac nach Montségur mit einem Spaziergang, damit sich die handgefertigten Sättel an den Pferderücken anpassen können. In gemütlichem Tempo verlassen wir so die Hochebene der Pays d’Aillou und reiten dann zwischen den hohen Kalksteinwänden der Schlucht Gorges de la Frau.

Lektion: Man kann dem Pferd vertrauen

Nach einem Mittagspicknick erwartet den unerfahrenen Reiter die wichtigste Lektion der gesamten Tour: Man kann dem Pferd vertrauen. Tourguide Chloé führt uns zu einem steilen Trampelpfad. Während ich noch überlege, wie in aller Welt wir dort hoch kommen sollen, stapft der junge Wallach unter mir bereits los.

Mir wird mulmig, denn ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Was, wenn eines der Pferde auf dem matschigen Pfad ausrutscht? Auch die anderen Reiter wirken ratlos. "Einfach laufen lassen, die suchen sich schon ihren Weg", ruft uns Chloé gelassen zu.

Schnauben, Klappern und laute Darmgeräusche

Wie die Gämse klettern die Pferde mit uns den Hang hoch. In die Stille mischen sich Schnauben, das Klappern von Hufeisen und Darmgeräusche. Zweimal am Tag bekommen die Tiere Kraftfutter. "Ein Pferd, das diese Auslastung nicht hat, würde sonst abgehen wie eine Rakete", sagt Chloé. Nach etwa drei Kilometern erreichen wir eine Hochebene - beeindruckt von der Leistung der Tiere.

Am Tagesziel angekommen versorgen die Reiter die Tiere auf einer Koppel. Nicht weit davon entfernt liegt unser Nachtlager in einer Gîte, einem Ferienhaus, unterhalb der Burg von Montségur.

Die Festung ist nach dem dortigen "Schutzberg" benannt und gilt als letzter Zufluchtsort der Katharer. Während des Albigenserkreuzzugs 1209 bis 1229 floh die christliche Minderheit dorthin vor den Anhängern der römisch-katholischen Kirche. Im Frühjahr 1244 wurden die letzten Katharer schließlich in Montségur niedergeschlagen.

Die Füße baumeln, die Gedanken auch

Tag 2. Der Weg zum zweiten Ziel, Roquefixade, führt hinauf und hinab durch dichte Fichten- und Mischwälder. Erneut wechseln sich Absteigen und Aufsitzen, Schritt und Trab, Führen und Reiten ab. Es ist eine ruhige Etappe - und ich beginne Gedanken und Füße baumeln zu lassen.

Den dritten Tag beginnen wir mit einer Besichtigung der Burgruine von Roquefixade, einem weiteren Zufluchtsort der Katharer. Auf 750 Metern Höhe bietet sich dort ein weitläufiger Ausblick auf die grünen Täler und blauen Hügel des Pyrenäen-Vorlands. Weiter unten leuchten die Sonnenblumenfelder in satten Gelbtönen.

Nachmittags erreichen wir den Stausee Lac de Montbel. Ein kälteresistenter Mitreisender schafft es sogar, den bewölkten Himmel auszublenden und eine Runde im türkisblauen Wasser zu drehen.

Limbo auf dem Pferd

Die vierte Etappe führt an Walnuss- und Feigenbäumen vorbei durch mehrere Dörfer. Felder mit Strohballen ruhen vor der grau-blauen Gebirgslandschaft. Im Wald muss sich die Gruppe auf den Tieren immer wieder vor tief gewachsenen Ästen ducken. Was ein bisschen an eine schnelle Version von Limbotanzen erinnert, vor allem, wenn es in die schnelleren Gangarten geht. Schließlich taucht in einigen Kilometern Entfernung die Burg Puivert auf - die Etappe ist schon geschafft.

Zum Abendbrot leistet uns eine Wandergruppe Gesellschaft. Der Wein geht um, und die Belgier erzählen im rheinischen Frohnatur-Dialekt bunte Geschichte aus der Eifel. Auch die anderen Sprachbarrieren sind schnell vergessen. Das ist das Schöne an so einer Reitwanderung: Das gemeinsam Erlebte verbindet schnell.

Während die Tour bislang vor allem durch die Ausläufer der Midi-Pyrenäen führte, erwartet die Gruppe am letzten Tag die wohl schönste Etappe über das von blauen Bergen und bunten Almen geprägte Hochplateau von Aillou. Grün-gelbe Felder mit violetten Distelblüten, satte Kuhweiden und tiefgrüne Nadelbäume liegen zwischen den grau-blauen Anhöhen der Gebirgslandschaft.

Die Kameras werden gezückt, mittlerweile freihändig und in völligem Vertrauen zum Pferd. Ein schmaler Pfad führt an den steilen Hängen oberhalb der Gorges de la Frau entlang, die wir am ersten Tag durchquert haben. Das letzte Stück des Wanderritts endet daher wie es begonnen hat: zu Fuß.