Chiang Mai. Im Norden Thailands, weit weg von den Inseln, versinkt man auf einem Roadtrip im satten Grün der Berge und Reisfelder. Dabei lernt man das Land von einer weitgehend unbekannten Seite kennen.

Thailand besteht in der Wahrnehmung vieler Reisender aus Inseln wie Ko Samui, Ko Phangan und Phuket. Wie schade! Denn gerade der Norden des Landes hat landschaftlich und kulturell viel zu bieten. Und ist touristisch noch nicht überlaufen.

Der optimale Startpunkt der Reise ist Chiang Mai, die größte Stadt der Region. Von einer der Dachterrassen-Bars zeigt sich die besondere Lage: Einen Steinwurf entfernt erheben sich die ersten Berge. Selbst von der Altstadt aus ist man in einer Viertelstunde in der Natur.

Warum aber die Schönheit der Natur nur aus der Ferne erhaschen, wenn man ein paar Tage in ihr versinken kann? Am besten gelingt das auf dem Mae Hong Son Loop, eine mindestens siebentägige Rundreise, die in Chiang Mai beginnt und endet. Dazwischen liegen 1200 Kilometer.

Knatternd über den Standstreifen

Ganz fitte spulen die Strecke auf dem Fahrrad ab. Wer es lieber bequem und klimatisiert mag, mietet sich ein Auto. Der goldene Mittelweg ist eine Reise auf dem Motorrad oder Motorroller. Es ist empfehlenswert, den Mae Hong Son Loop im Uhrzeigersinn zu fahren, denn so baut sich der Streckenverlauf dramaturgisch schöner auf. Damit verlässt man Chiang Mai auf der Landstraße 106.

Als Motorradfahrer nutzt man oft den Standstreifen, um entweder am langsam fließenden Verkehr vorbeizuziehen oder um Autos das Überholen zu erleichtern. Besonders in besiedelten Gebieten muss man hellwach sein, schnell kann jemand aus dem Nichts auftauchen.

Zu Besuch im Homestay bei Mister William

Spätestens hinter dem Khruba Sriwichai Monument, einem riesigen Mönch in goldener Farbe, verdichtet sich die 106 zu einem intensiven Erlebnis aus Kurven und Hügeln, gesäumt von Reisfeldern und wilder Natur. Nach rund 200 Kilometern erreicht man Thoen. Es ist der ideale Ort für eine Übernachtung in einem privaten Homestay.

Mister William, wie der Gastgeber gerne genannt werden möchte, hat sich ein Haus komplett aus Teakholz bauen lassen. Zusätzlich legte der Botaniker im Ruhestand einen tropischen Garten an, der einem den Atem verschlägt. Eine Ruheoase, die nur ab und zu durch den Gesang der Mönche im benachbarten Tempel spirituell zum Leben erwacht.

Auf den Spuren der Karen-Minderheit

Vorbei an den Tempeln verlässt man Thoen auf der Landstraße 1102 Richtung Tak. Die alte Verbindungsader wurde mittlerweile durch andere Straßen ersetzt. Und so kommt man als Biker in den vollen Genuss der Landschaft bei wenig Verkehr. Saftige Reisfelder reihen sich aneinander, während am Horizont die Berge Konturen zeigen.

Von Tak aus wechselt man auf die Schnellstraße Nummer 12, die durch die Berge bis an die Grenzstadt Mae Sot führt. Direkt an der Grenze zu Myanmar, wo Tausende birmanischer Flüchtlinge leben, trifft man einen einzigartigen Mix der Kulturen an.

Viele der Birmanen, meist der Karen-Minderheit zugehörig, arbeiten auf Feldern und Märkten, in Werkstätten und Restaurants. Man erkennt sie an ihren traditionellen Thanaka-Bemalungen im Gesicht. Die gelbliche, aus einer fein geriebenen Baumrinde gewonnene Paste dient nicht nur als Sonnenschutz, sondern ist auch schmückendes Make-up.

Immer an der Grenze zu Myanmar entlang

Von Mae Sot aus geht es auf der 105 weiter Richtung Norden. Während man entlang des Moei-Flusses auf einer der eindrucksvollsten Straßen Thailands unterwegs ist, passiert man Mae La. Hier leben rund 50.000 Karen-Flüchtlinge. An einem Bergmassiv wirken die dicht besiedelten Bambus-Hütten wie ein idyllisches Dorf - doch es handelt sich um ein Flüchtlingscamp. Der Stacheldrahtzaun verrät es.

Von der 105 geht es auf die 108, über die man schließlich Mae Hong Son erreicht. Schon kurz vor der Ankunft ahnt man, warum dieser Ort der Rundreise ihren Namen gab. Auf dem Weg dorthin bilden Berge und Täler ein spektakuläres landschaftliches Ensemble.

Mae Hong Son selbst liegt in einem Bilderbuch-Tal. Den besten Blick darauf hat man vom Tempel Wat Phra That Doi Kong Mu. Zwischen zwei Löwen-Statuen schaut man auf die Dächer der Stadt, den Flughafen und natürlich die Bergkette, an der sich oft Nebelschwaden bilden.

Spirituelle Erfahrungen im buddhistischen Kloster

Wer sich nach ein paar Tagen an Mae Hong Son sattgesehen hat und eine spirituelle Erfahrung machen möchte, der muss nur etwas weiter nördlich reisen. Nach rund 40 Kilometern erreicht man Wat Pa Tam Wua. Es ist eines der schönsten buddhistischen Klöster Thailands. Das ganze Jahr über werden unangemeldete Gäste aufgenommen.

Unterkunft, Kleidung und Mahlzeiten stehen kostenlos zur Verfügung. Weil sich auch dieses Kloster über Spenden finanziert, ist eine Gabe am Ende des Besuchs selbstverständlich. Um in die buddhistische Meditationslehre einzusteigen, sollte man Anpassungsfähigkeit, Offenheit und Demut mitbringen. Zudem ist der Tagesablauf im Kloster strikt reglementiert. Als Lohn winken ein freier und reiner Geist.

Kulinarische Höhepunkte in Pai

Nach der Klostererfahrung geht es zur letzten Station der Rundreise. Die Kleinstadt Pai liegt etwa 70 Kilometer von Wat Pa Tam Wua entfernt. Sie entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem Backpacker-Paradies mit einer erstaunlichen Vielfalt an Restaurants, Bars, Yoga-Studios, Homestays und Hostels.

Die Landstraßen 1095 und 1096, die zurück nach Chiang Mai führen, gehören zu den kurvenreichsten und aufregendsten Thailands. Besonders bei Nässe sind sie mit Vorsicht zu genießen. Die gesammelten Erfahrungen und Eindrücke sind am Ende so überwältigend, dass man ein paar Tage braucht, um sie zu verarbeiten - und dafür bietet sich dann vielleicht eine der hübschen Inseln an.

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