Erfurt. Eine Kampagne der Fachhochschule Erfurt Erfurt zum Thema Geisterradler läuft noch bis zum Jahr 2021.

Wenn ein Autofahrer auf der falschen Seite der Autobahn fährt, schafft er es als Warnmeldung bis in den Verkehrsfunk. Bei einem Radfahrer, der entgegen der Verkehrsrichtung unterwegs ist, zucken die Passanten nur mit den Achseln.

Geisterradler werden die Radfahrer genannt, die Straßen – aber insbesondere auch oft richtungsgebundene Radwege – entgegengesetzt benutzen. An der Fachhochschule Erfurt widmet sich ein neues Forschungsprojekt dieser besonderen Spezies im Straßenverkehrs.

Denn, so Juliane Böhmer, von der Fachrichtung Verkehrs- und Transportwesen, die das Projekt betreut, das entgegengesetzte Befahren der Spuren oder Fahrbahnen ist gefährlich. Vor allem für die Biker selbst.

Geisterradeln gehört zu den Hauptunfallursachen im Radverkehr, weshalb Prävention und Aufklärung an vorderster Stellen stünden. So ist eine Kampagne über Plakate und eine eigens erstellte Internetseite Kern des ersten Bestandteils der Arbeit.

Hier wird mit einem rot eingehüllten Geisterradler anhand verschiedener Situationen gezeigt, was das Ganze so gefährlich macht. Wenn an einer vierspurigen Straße, wie etwa dem Juri-Gagarin-Ring in Erfurt, ein Autofahrer an einer Ausfahrt steht, wird er nicht den Radfahrer von der falschen Seite erwarten. Selbst Radler untereinander bringen sich so durch unerwarteten Gegenverkehr oft in Gefahr.

Wo Radwege auf beiden Seiten der Straßen existieren, dürfen sie auch nur in die jeweilige Richtung benutzt werden.
Wo Radwege auf beiden Seiten der Straßen existieren, dürfen sie auch nur in die jeweilige Richtung benutzt werden. © www.geisterradeln.de

„Wir wollen aber keineswegs die Radfahrer in ein schlechtes Licht rücken“, sagt Juliane Böhmer. Und sie weiß auch, warum Radfahrer gerade hier gegen Regeln verstoßen. „Der Radfahrer verhält sich ganz natürlich, am ehesten noch wie ein Fußgänger.“

Was sie damit meint: Er sucht sich den Weg, der am kürzesten und am schnellesten zum Ziel führt – wo er eben am wenigsten Kraft einsetzen muss. Dieses energiebewusste, kraftsparende Handeln aber werde bei den Verkehrsplanungen oft kaum beachtet, wenn es um die Radwege gehe, erklärt Juliane Böhmer.

Hier setzt der zweite Teil des bis 2021 laufenden Forschungsvorhabens an, das auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen in Thüringen entstand, sowie von dort und dem Nationalen Radverkehrsplan des Bundesverkehrsministeriums gefördert werde. Die Erkenntnisse sollen strukturelle Verbesserungen im Radwegenetz unterstützen.

So starten im Frühherbst auch Befragungen von Radfahrern, um deren Erfahrungen und Bedürfnisse bei der Nutzung der vorhandenen Infrastruktur aufzulisten. „Es sind vor allem die Grenzen der Akzeptanz für Umwege und Wartezeiten, die für die Planungspraxis interessant sind“, erklärt die Expertin.

In einer zweiten Umfrage geht es dann ans Eingemachte, nämlich darum, ob den Geisterradlern ihr Handeln bewusst ist und ob sie möglicherweise ganz „selbstbewusst“ diese Regelüberschreitungen begehen.

Womit wir wieder bei der Motivation sind, sich für den Weg entgegen der eigentlichen Richtung zu entscheiden. Findet der Radler nicht die richtige Verknüpfung oder den Zugang zum richtigen Radweg, fährt er halt auf der falschen Seite und so gegen den Strom. Auch wenn die Kampagne bundesweit wirken soll, wird sie doch vor allem in Erfurt ins Blickfeld rücken. So sollen wechselnde Motive der Aktion als Plakate zu sehen sein. Auch der Kampagnen-Film, der auf der Website aufzurufen ist, wurde in den Straßen der Stadt gedreht.

Und so werden Erfurter – ob Rad- oder Autofahrer – schon einige brenzliche Ecken wiedererkennen.

Mehr zum Thema gibt es hier

www.geisterradeln.de