Erfurt. Bei der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Thüringen gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. Laut einer Studie bestimmt auch die soziale Herkunft das Wohlbefinden.

Erliegen Kinder in der Stadt häufiger der Versuchung, Süßes zu essen? Putzen sie sich seltener die Zähne als Gleichaltrigen auf dem Land? Was schlägt Heranwachsende auf dem Land auf Immun- und Magen-Darm-System, dass sie da häufiger krank sind als Stadtkinder?

Fakt ist, dass es offenbar bei der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Thüringen erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt. Wie die Krankenkasse DAK-Gesundheit in ihrem Länderreport zu Thüringen anhand Tausender Gesundheitsdaten herausfand, haben Kinder und Jugendlichen in städtischen Regionen fast doppelt so häufig Zahnkaries. Auch bei Verhaltens- und Entwicklungsstörungen liegen sie vorn. Bei Depressionen beträgt das Plus über 60 Prozent, bei Viruserkrankungen über 20 Prozent. Bei Kindern in ländlichen Gebieten wurden dafür häufiger Allergien oder Magen-Darm-Infekte dokumentiert.

Die Ursachen dafür kennen die Studienmacher ebenso wenig wie die Effekte der unterschiedlichen Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistungen. In ländlichen Gebieten bekommen mehr Kinder Medikamente verschrieben, insbesondere Schmerzmittel oder Antibiotika. Bei Stadtkindern sind dagegen mehr Verschreibungen von Schnupfenmedikamenten zu beobachten. Zudem übertreffen sie ihre Gleichaltrigen auf dem Land bei den durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für ambulante Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte. „Kostentreiber“ sind vor allem die doppelt so hohen stationären Versorgungskosten für die 15- bis 17-Jährigen.

Akademikerkinder sind seltener beim Arzt

Auch die soziale Herkunft bestimmt mit über das Wohlbefinden der Heranwachsenden. Überraschend deutliche Effekte ergeben sich laut Studie aus dem Bildungsgrad der Eltern: Kinder von Eltern ohne oder mit niedrigeren Abschlüssen sind nicht nur häufiger übergewichtig oder zahnkrank. Sie bekommen auch je nach Alter bis zu 43 Prozent mehr Arzneimittel verschrieben als Kinder von Eltern mit hohem Bildungsabschluss. Noch größer ist der Unterschied bei Krankenhausaufenthalten mit einem Plus von fast 70 Prozent. Die Kosten für diese Kinder liegen fast 20 Prozent über denen von Akademikerkindern Statistisch gesehen gehen Letztere deutlich seltener zum Arzt.

Auch zwischen den Krankheiten von Eltern und Kindern gibt es Zusammenhänge. Die Wahrscheinlichkeit, als Kind an einer bestimmten Erkrankung zu leiden, zeigt sich am stärksten bei akuten Infektionskrankheiten. Wird bei Eltern eine gesicherte Influenzainfektion diagnostiziert, ist die Wahrscheinlichkeit bis zu 45-mal höher, dass auch das Kind eine entsprechende Erkrankung hat. Ähnlich verhält es sich bei Adipositas, Zahnkaries oder Diabetes.

Auch für eine Reihe weiterer Erkrankungen gibt es zum Teil deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Kinder, wenn ein Elternteil erkrankt ist. So treten Tumorerkrankungen (gut- und bösartige) unter Kindern und Jugendlichen mehr als doppelt so häufig auf, wenn auch bei einem der Elternteile eine entsprechende Erkrankung beobachtet wurde. Selbiges gilt für Augenerkrankungen. Bedenklich ist der Zusammenhang auch bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch: Der Anteil der Kinder mit klinisch diagnostizierter Suchterkrankung ist um zwei Drittel höher, wenn sie selbst suchtkranke Eltern haben. Auch Depressionen, ADHS oder Angststörungen treten dann gehäuft auf. Zudem gilt dies für das Erkrankungsbild der Schulangst beziehungsweise Schulphobie.

Jedes dritte Kind in Thüringen ist chronisch krank