Erfurt/Berlin. Starten die Winterferien früher, und kommt der 15-Kilometer-Radius? Am Dienstagabend hat das Land Thüringen eine neue Variante der Corona-Regeln festgelegt.

In Thüringen wird die Bewegungsfreiheit der Menschen vorerst nicht per Verbot eingeschränkt. Stattdessen beschloss das Kabinett die Empfehlung an die Bürger, sich privat innerhalb eines 15-Kilometer-Radius zu bewegen. Alle aktuellen Entwicklungen in unserem Corona-Liveblog

Die Formulierung im Beschlussentwurf, über den diese Zeitung bereits berichtet hatte, blieb unverändert. Sie lautet: „Jede Person ist angehalten, Versorgungsgänge für die Gegenstände des täglichen Bedarfs und der Grundversorgung, die Inanspruchnahme sonstiger Dienstleistungen sowie Aktivitäten, die der Erholung bzw. individuellen sportlichen Betätigung dienen, Wohnort nah zu erledigen (circa 15 km).“

Wintersportorte werden zugemacht

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte sich öffentlich für eine eindeutige Vorschrift nach sächsischem Vorbild eingesetzt und damit die Koalitionspartner SPD und Grüne gegen sich aufgebracht. In der Videoschalte des Kabinetts nach der Konferenz der Länderchefs mit der Bundeskanzlerin wurde am Dienstagabend nochmals teilweise heftig miteinander diskutiert – zumal der Regierungschef zuvor in der Bund-Länder-Runde mit dafür gesorgt hatte, dass der 15-Kilometer-Radius als Vorgabe für besonders von der Pandemie betroffene Hotspot-Regionen beschlossen wurde. In Thüringen würde das nach aktuellem Stand 14 von 17 Kreisen betreffen, die bei der Sieben-Tage-Inzidenz über 200 liegen.

Ramelow sagte nach der Kabinettssitzung in der Nacht, die Beschränkung sei jetzt erst einmal eine „Option im Instrumentenkasten“ der Landkreise und kreisfreien Städte. Gleichzeitig würden „alle Wintersportorte zugemacht“, um Ansammlungen zu vermeiden. Er verstehe aber „Menschen, die mit ihren Kindern in den Schnee wollen“, erklärte er. Wenn sie es allein täten, sei dagegen auch nichts zu sagen.

Neue Verordnung soll ab 10. Januar gelten, wenn der Landtag zustimmt

Die neue Thüringer Corona-Verordnung soll am Mittwoch an den Landtag gehen, am 8. Januar veröffentlich werden und am 10. Januar in Kraft treten.

Winterferien starten früher

Die Kontaktbeschränkungen werden ab der kommenden Woche synchron zur Bund-Länder-Regelung verschärft. Ein Haushalt – dazu zählen Kinder in Pflege und Patchworkfamilien – darf sich dann nur noch mit einer Person aus einem anderen Haushalt treffen.

Bei einem anderen Streitthema setzte sich Bildungsminister Helmut Holter (Linke) durch: Die eigentlich für die Woche vom 8. bis 13. Februar geplanten Winterferien werden in die letzte Januarwoche vorgezogen. In der ursprünglichen Ferienwoche im Februar soll aber die Präsenzpflicht aufgehoben werden, wenn die Eltern bereits frei genommen haben. Damit könnte – falls die Pandemie mitmacht – am 1. Februar wieder der eingeschränkte Regelbetrieb in den Kindergärten und Schulen beginnen. Die Abschlussklassen sollen aber bereits im Januar zumindest in den Prüfungsfächern Präsenzunterricht bekommen.

Krankenhauspersonal soll sich impfen lassen

Ramelow appellierte erneut an das Krankenhauspersonal, sich impfen zu lassen. Das Land hatte einen Großteil seiner Impfdosen – mehr als 33.000 – an die Kliniken gegeben. Allerdings wurde davon teilweise bislang offenbar nur ein Bruchteil verimpft. Gleichzeitig kamen die Impfungen in den Pflegeheimen nur langsam voran. Kritik daran wies aber Ramelow zurück.

Das Thüringer Kabinett tagte im Anschluss an die Verhandlungen der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung. Eine Entscheidung, wie die Regelung in Thüringen angewendet wird, fiel erst nach Redaktionsschluss dieser Zeitung.

Lockerungen für Einzelhandel in Sicht

Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) hatte bereits am Sonntag darauf gedrängt, den 15-Kilometer-Radius landesweit einzuführen. Allerdings widersprachen ihm mehrere Kabinettsmitglieder von SPD und Grünen öffentlich. In einer Beschlussempfehlung der Staatskanzlei für die Kabinettssitzung, die dieser Zeitung vorlag, war der 15-Kilometer-Radius nur als Empfehlung formuliert.

Überraschend war in dem Papier auch eine Lockerung für die Geschäfte enthalten: "Für den Einzelhandel einschließlich der Baumärkte wird die Möglichkeit des Verkaufs über die Abholung vorbestellter Ware mit kontaktloser Bezahlung eröffnet." Das heißt, es könnte online oder telefonisch bestellt werden. Die Bezahlung müsste aber elektronisch erfolgen.

Staatskanzlei lenkt ein: Bewegungseinschränkung nur als Empfehlung

Neue Regeln für Anspruch auf Notbetreuung

Das Kabinett sollte laut der Vorlage zudem beschließen, "dass Kindertagesbetreuungseinrichtungen und Schulen bis zum 25. Januar 2021 geschlossen bleiben" und sich weiter alle Schüler "im häuslichen Lernen" befänden. Die Winterferien will das Land vom 8. bis 13. Februar auf die Woche vom 25. bis 29. Januar vorziehen.

Ab dem 1. Februar könnte dann "der eingeschränkte Kindergarten- und Schulbetrieb in Phase Gelb des Stufenkonzepts wiederaufgenommen" werden, wie er bereits in den meisten Regionen im November und Anfang Dezember galt.

Auch die Notbetreuung wird neu geregelt. Bis Ende Januar soll in den Kindergärten und Schulen bis zur sechsten Klasse eine Betreuung für Kinder angeboten werden, deren Eltern "aufgrund dienstlicher oder betrieblicher Gründe an einer Betreuung des Kindes gehindert" seien. Zudem müssten die Sorgeberechtigten "zum zwingend benötigten Personal in der Pandemieabwehr beziehungsweise -bewältigung" oder zu Bereichen von erheblichem öffentlichem Interesse gehören. Die Details waren aber noch bis zum Abend umstritten.

"Wir haben lange gedacht, das Virus macht einen Bogen um Thüringen" - So argumentiert Ramelow für den schärferen Lockdown

Appell an die Wirtschaft

Die Thüringer Unternehmen sollen stärker als bisher versuchen, Kontakte einzuschränken. In einer Beschlussvorlage für das Kabinett heißt es: „Das Kabinett richtet die dringende Aufforderung an die Wirtschaft, auf alle Arbeiten zu verzichten, die derzeit nicht unabweisbar sind.“ Stattdessen könnten Betriebsrevisionen durchgeführt oder der Betriebsurlaub vorgezogen werden. Zudem werden die Firmen aufgefordert, möglichst viele Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken.