Berlin. Vor wenigen Wochen kämpfte Bayerns Vize-Landeschef in der Flugblatt-Affäre ums politische Überleben. Nun ist er stark wie nie zuvor.

War da was? Irgendeine unappetitliche Affäre um ein antisemitisches Flugblatt, die ganz grundsätzliche Fragen aufwarf? Und zwar zur Geisteshaltung des Spitzenkandidaten und zur Zukunft der gesamten Regierungskoalition in Bayern?

Nach der Schließung der Wahllokale scheint die Antwort der Wähler klar zu sein: Mag sein, dass da etwas war. Aber den Freien Wählern um ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger tragen wir das nicht nach. Im Gegenteil. Die Partei des Wirtschaftsministers und Vize-Ministerpräsidenten ist neben der AfD die große Gewinnerin der Landtagswahlen im Freistaat. Sie konnte ihr Ergebnis gegenüber 2018 deutlich verbessern.

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Schon vor dem Urnengang vom Sonntag hatten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und die Freien Wähler selbst deutlich gemacht, dass sie ihr Regierungsbündnis in München fortsetzen wollen. So dürfte es nun auch kommen. Und zwar mit einem gestärkten Junior-Partner, der nun noch selbstbewusster in die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen gehen wird. Aiwanger selbst sprach am Sonntagabend von einem „Superergebnis“.

Bayern: Freie Wähler melden Ansprüche auf viertes Ministerium an

Noch vor fünf, sechs Wochen freilich war überhaupt nicht abzusehen, dass dieser Wahltag für die Freien Wähler ein Triumph werden könnte. Ihr Frontmann Aiwanger kämpfte damals um sein politisches Überleben. Der 52-jährige Niederbayer stand ehedem wegen einer alten Geschichte aus seiner Schulzeit unter Druck. Die allerdings war so abstoßend, dass sie auch außerhalb der bayerischen Landesgrenzen tagelang die Schlagzeilen beherrschte.

Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und Vize-Ministerpräsident, gab seine Stimme am Sonntag in seiner Heimatstadt Rottenburg an der Laaber ab.
Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und Vize-Ministerpräsident, gab seine Stimme am Sonntag in seiner Heimatstadt Rottenburg an der Laaber ab. © dpa | Armin Weigel

Aiwanger, so schien es, war in seiner Schulzeit vor dreieinhalb Jahrzehnten von den Nationalsozialisten fasziniert. In seiner Schultasche wurde ehedem ein antisemitisches Flugblatt gefunden. Das will er aber nicht selbst verfasst haben, sein Bruder soll es gewesen sein.

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Die alte Geschichte kochte im August hoch, weil ein ehemaliger Lehrer der „Süddeutschen Zeitung“ einen Tipp gab. Danach förderten auch andere Medien verstörende Details aus der Jugend des zweiten Mannes im Freistaat zutage. Die Rede war davon, dass Aiwanger als Schüler öfter Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ mit in die Schule gebracht und Hitler-Reden imitiert habe.

Flugblatt-Affäre: Viele Wähler solidarisierten sich mit Aiwanger

Die Empörung war groß, Aiwanger musste öffentlich Buße tun und versichern, kein Antisemit zu sein. Ministerpräsident Söder ließ seinen Stellvertreter tagelang zappeln, schickte ihm einen Fragebogen – und entschied dann, ihn nicht zu entlassen und die Koalition mit den Freien Wählern fortzusetzen.

Aiwanger hingegen setzte umgehend zum Gegenschlag an und inszenierte sich in Wahlkampfauftritten als Opfer einer Schmutzkampagne. Das verfing offenbar. Schnell stellte sich heraus, dass die Flugblatt-Affäre ihm keineswegs geschadet, sondern vielmehr genutzt hatte: In den Umfragen kletterten die Freien Wähler nach oben. Ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft solidarisierte sich mit Hubert Aiwanger – offenbar nach dem Motto „jetzt erst recht“.

Nach den Vorstellungen Aiwangers soll sich das Wahlergebnis auch im künftigen bayerischen Kabinett niederschlagen. Ein viertes Ministerium hätten die Freien Wähler gern, am liebsten das für Landwirtschaft. Doch damit soll noch lange nicht Schluss sein: 2025 wollen die Freien Wähler in den Bundestag einziehen. Der Vorsitzende auf Bundesebene ist der gleiche wie in Bayern: Hubert Aiwanger.

NameMarkus Söder
Geburtsdatum5. Januar 1967
SternzeichenSteinbock
AmtMinisterpräsident (Bayern)
ParteiCSU
Parteimitglied seit1983
FamilienstandVerheiratet, vier Kinder
Größe1,94 Meter
WohnortNürnberg