Berlin. Die Letzte Generation kündigt andere Formen des Protests an. Das ist gut so. Die Gruppe hat der Klimapolitik in Deutschland geschadet.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Für die Politik gilt das allemal. Zu dieser Erkenntnis scheint jetzt auch die Klimagruppe Letzte Generation gekommen zu sein: Die Aktivisten haben angekündigt, sich nicht mehr auf Straßen festkleben und so den Verkehr blockieren zu wollen. Stattdessen seien andere Formen des Protests geplant: Demonstrationen an Orten der „fossilen Zerstörung“, wie die Gruppe das nennt – also zum Beispiel an Kohlekraftwerken oder Pipelines. Zudem sollen etwa Politiker „öffentlich und vor laufenden Kameras“ zur Rede gestellt werden.

Wenn die künftigen Proteste der Letzten Generation friedlich bleiben und ohne Nötigung Dritter vonstattengehen, dann kann man den Aktivisten zu ihrer Entscheidung nur gratulieren. Die Klimakleber lassen das Kleben sein: Das ist eine gute Nachricht. Und zwar deshalb, weil diese Art des Protests erheblich dazu beigetragen hat, dass der Klimaschutz insgesamt hierzulande in Verruf geraten ist. Es wäre wünschenswert, wenn er nun eine neue Chance bekäme.

Klimaschutz: Binnen zwei Jahren hat sich die Stimmung komplett gedreht

Das unsägliche Gezerre der Ampel-Koalition um das Heizungsgesetz sowie die Proteste der Letzten Generation haben ein Thema, das für die gesamte Menschheit überlebenswichtig ist, zum Verliererthema gemacht. Binnen zwei Jahren hat sich die Stimmung in Deutschland komplett gedreht: Bei der Bundestagswahl 2021 waren die klimaschutzpolitischen Ambitionen der Parteien noch wahlentscheidend. Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet (CDU) ging nicht nur deshalb unter, weil er nach der Jahrhundertflut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen inmitten des Elends lachte wie ein pubertierender Jugendlicher. Sondern auch deshalb, weil die Wähler ihm und der Union nicht zutrauten, in der Klimapolitik neue Wege zu gehen.

Politik-Korrespondent Thorsten Knuf
Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

Inzwischen aber bringen etliche Bürger Klimaschutz vor allem mit Gängelung und Bevormundung in Verbindung. Und den Schuh muss sich nicht nur die Berliner Regierung, sondern vor allem auch die Letzte Generation anziehen: Eine Gruppe, die Kulturschätze mit Farbe oder Suppe beschmiert und unbescholtene Bürger systematisch in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt, mag zwar ein hehres Ziel verfolgen. Sie muss sich aber vorwerfen lassen, dafür die völlig falschen Mittel gewählt zu haben.

Im Ergebnis hat die Letzte Generation dem Klimaschutz in Deutschland einen Bärendienst erwiesen. Klimapolitische Entscheidungen werden auf absehbare Zeit nur mit größter Mühe durchzusetzen sein. Schon versuchen erste Akteure die Rolle rückwärts und planen beispielsweise, nach den Europawahlen das für 2035 geplante Verbot neuer Autos mit Verbrenner-Motor zu kippen.

Klimapolitik: Parteien und Parlamente brauchen neuen Schwung

Welche Kraft in der Klimabewegung steckt, haben in den vergangenen Jahren die Fridays for Future bewiesen. Millionen von jungen Menschen folgten in der Vergangenheit ihrem Aufruf und demonstrierten in Deutschland für mehr Klimaschutz – entschieden, aber friedlich.

Es gibt auch noch einen anderen wirkungsvollen Weg, um der Klimapolitik wieder mehr Geltung zu verschaffen: Man kann in demokratische Parteien eintreten und sich dort sowie in den Parlamenten für das Thema einsetzen. Es wäre sogar wünschenswert, wenn das mehr Leute tun würden als bisher. Denn eines ist mal klar: Klimaschutz mag im Moment vielen Bürgern lästig oder gar überflüssig erscheinen. An dem Umstand, dass sich die Atmosphäre aufheizt, Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten und ganze Landstriche unbewohnbar werden, ändert das aber nichts.