Berlin. Früher war die Gesundheit der Mächtigen ein Staatsgeheimnis. Das hat sich geändert. Auch König Charles sollte noch transparenter sein.

Per Eilmeldung ging die Nachricht um die Welt: König Charles III. ist an Krebs erkrankt. Die Transparenz des britischen Königshauses ist mit Respekt aufgenommen worden. Bei manchen löste dies aber auch Unbehagen aus: Muss die Krankenakte eines Menschen geteilt werden, weil es sich um Kanzler, Kaiser, König oder Königin handelt? Ja, sie muss. In diesen Zeiten gehört es in offenen Gesellschaften dazu, dass die Bevölkerung über das Wohlergehen der Mächtigen informiert wird.

Früher ist das anders gewesen: Ex-Bundeskanzler Willy Brandt hatte schwere Depressionen und schaffte es deswegen bisweilen tagelang nicht aus dem Bett. Sein Kanzleramtschef Horst Ehmke soll ihn dann aus der Melancholie gerissen haben mit den Worten: „Willy, wir müssen regieren.“ Erst lange nach seiner Amtszeit gestand der SPD-Kanzler Brandt: „In Wirklichkeit war ich kaputt.“

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Brandts Nachfolger Helmut Schmidt litt während seiner Kanzlerschaft regelmäßig an Ohnmachtsanfällen. Er sei wahrscheinlich an die hundert Mal besinnungslos vorgefunden worden, räumte der Sozialdemokrat ebenfalls erst nach Ende seiner Zeit im Kanzleramt ein. Wie auch Willy Brandts Depressionen wurden die gesundheitlichen Probleme von Helmut Schmidt als Staatsgeheimnis verschwiegen.

Politiker stehen heute viel stärker im medialen Fokus

Eine solche Geheimnistuerei wäre heute undenkbar. Auch, weil Politiker viel stärker im öffentlichen und medialen Fokus stehen. Tauchte Olaf Scholz einige Tage nicht in der Öffentlichkeit auf, würde das Kanzleramt mit Fragen bombardiert. Kein Wunder also, dass die Bundesregierung transparent mit den Corona-Erkrankungen von Scholz umging. Zuletzt erwischte es den Kanzler kurz vor Weihnachten. „Bei wenig Symptomen baue ich auf einen milden Verlauf und arbeite erstmal nur vom Schreibtisch aus“, teilte Scholz mit.

Jan Dörner ist Chefreporter in der FUNKE Zentralredaktion.
Jan Dörner ist Chefreporter in der FUNKE Zentralredaktion. © Reto Klar | Reto Klar

Dahinter steht die Erkenntnis: Das gesundheitliche Befinden des politischen Spitzenpersonals ist keine Privatsache mehr. Ein offener Umgang auch mit persönlichen Aspekten entspricht einerseits unserer Zeit, in denen auch Kleinigkeiten zu großen Nachrichten werden können. Vor allem aber zeigt sich darin ein moderner Regierungsstil. Die Tage, in denen ein Regent ohne das Wissen der Bevölkerung hinter den Mauern seines Regierungssitzes dahin siechen konnte, sind vergangen. In den USA sind Bulletins über die Gesundheit des Präsidenten ohnehin längst Normalität.

Krebserkrankung: Regierende und Staatsoberhäupter müssen transparent sein

Als Angela Merkel während ihrer Kanzlerschaft an Zitteranfällen litt, sparte sie mit konkreten Informationen und bat die Öffentlichkeit, sich darauf zu verlassen, dass es ihr gut gehe. Damit schuf sie umso mehr Spekulationen. Dass mehr Offenheit der richtige Weg ist, erfuhr kürzlich auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Der 70-Jährige hielt sich wegen einer Prostatakrebserkrankung Anfang Januar mehrere Tage in einem Krankenhaus auf – zunächst ohne die Öffentlichkeit oder gar Präsident Joe Biden zu informieren. Dem Vertrauen in den Minister hat dies geschadet.

Regierende und Staatsoberhäupter sind der Bevölkerung Rechenschaft über ihren Zustand schuldig, selbst wenn die Fähigkeit zur Amtsführung nicht infrage steht. Die Offenheit des britischen Königshauses zur Erkrankung von König Charles III. ist daher der richtige Schritt. Der Buckingham Palace hat allerdings Krebsart und Stadium der Erkrankung des Monarchen offengelassen. Somit bleibt es dann doch beim Rätselraten darüber, ob der 75-Jährige sein Amt künftig ausüben kann.

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