München. Auf der Sicherheitskonferenz inszeniert sich der Kanzler als Antreiber in Sachen Ukraine-Hilfen. Bei einem Punkt bleibt er lieber vage.

Olaf Scholz‘ größter Fan heißt Olaf Scholz. Das war schon immer so. Und weder er selbst noch seine engsten Mitarbeiter haben Verständnis für Leute, die in der Scholz-Bewertung zu grundlegend anderen Ergebnissen kommen. So gesehen dürfte der Bundeskanzler an diesem Wochenende wieder zufrieden sein mit sich und der Welt.

Am Samstagmorgen hält der Sozialdemokrat eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Darin geht es um die Unterstützung der Ukraine, Putins Russland und die transatlantischen Beziehungen. Im Publikum sitzen Staatslenker und Minister aus aller Welt sowie etliche andere Leute, die mit Außen- und Sicherheitspolitik zu tun haben. Als der Auftritt des deutschen Regierungschefs vorüber ist, gibt es zwar keinen überschwänglichen, aber doch einen herzlichen Applaus. Es wirkt wie: Da macht einer seine Sache eigentlich ganz gut.

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Olaf Scholz: Bei Waffenhilfe für die Ukraine wird der Getriebene zum Treiber

Der Kanzler steht in Deutschland seit geraumer Zeit stark unter Druck. Seine Ampel-Koalition ist bei den meisten Wählerinnen und Wählern unten durch. Und zwar so sehr, dass man sich fragt, ob sie überhaupt noch bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält.

Auf der anderen Seite ist Olaf Scholz in der Außenpolitik gerade so etwas wie der Mann der Stunde in Europa. Der Krieg in der Ukraine geht bald in sein drittes Jahr. Nach anfänglichem Zögern ist Deutschland zum zweitwichtigsten Waffenlieferanten der Ukrainer nach den USA aufgestiegen – und zwar mit großem Abstand gegenüber allen anderen Nationen. Der SPD-Kanzler ist inzwischen in einer Situation, in der er andere europäische Regierungen antreiben und von ihnen mehr Engagement einfordern kann.

Und das tut er, auch bei seinem Auftritt in München. Scholz sagt: „Die Vereinigten Staaten haben der Ukraine seit Kriegsbeginn etwas mehr als 20 Milliarden Dollar an militärischer Hilfe pro Jahr geleistet – bei einem Bruttoinlandsprodukt von 28 Billionen Dollar. Eine vergleichbare Anstrengung muss doch das Mindeste sein, was auch jedes europäische Land unternimmt.“ Schließlich gehe es um die größte Sicherheitsbedrohung, einen Krieg in Europa mit globalen Folgen. Deutschland habe seine Militärhilfe für die Ukraine 2024 auf mehr als sieben Milliarden Euro verdoppelt. Für das kommenden Jahr kämen Zusagen von sechs Milliarden Euro hinzu.

Olaf Scholz: „Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“

Scholz ergänzt: „Nur, wenn wir hier glaubwürdig sind, dann wird auch Putin begreifen: Einen Diktatfrieden auf Geheiß Moskaus wird es nicht geben, weil wir das nicht zulassen werden.“ Ja, der Krieg verlange allen schon jetzt viel ab. Das Geld, das für Sicherheit ausgegeben werde, fehle an anderer Stelle. „Das spüren wir. Ich sage aber auch: Ohne Sicherheit ist alles andere nichts. Nur wenn wir alle die dafür nötigen Mittel solidarisch und langfristig bereitstellen, wird unsere Verteidigungsindustrie ihre Produktion verlässlich steigern und damit auch zu unserer Sicherheit beitragen.“

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In München redet der Kanzler auch über die besondere Bedeutung der Nato. „Wir stehen geschlossener zusammen denn je“, sagt er. Und: „Unser transatlantisches Bündnis bleibt auch in Zukunft wertvoll und stark – und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks.“ Damit wischt er en passant auch sämtliche Gedankenspiele der vergangenen Tage über den möglichen Aufbau eines europäischen Nuklearschirms beiseite.

Scholz‘ Position auf der internationalen Bühne ist auch dadurch gestärkt, dass Deutschland in diesem Jahr erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten kann – also mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben wird. Das werde auch den kommenden Jahren, „in den 20er-, den 30er Jahren und darüber hinaus“ der Fall sein, sagt er in München. Doch es ist nicht nur das Geld, das den deutschen Kanzler außenpolitisch gerade in die Vorwärtsbewegung bringt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, rechts) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, rechts) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. © DPA Images | Michael Kappeler

Deutschland wird in der Kooperation mit der Ukraine zum Vorreiter

Am Freitag erst hat er in Berlin gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein bilaterales Sicherheitsabkommen unterzeichnet. Ziel ist es, die militärische Unterstützung der Ukraine so lange zu verstetigen, bis das Land in fernerer Zukunft der Nato beitreten kann. Damit ist Deutschland Vorreiter im westlichen Lager – gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich, die ebenfalls entsprechende Abkommen mit Kiew geschlossen haben.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Ukraine nicht nur langfristig Waffen und Munition braucht, sondern auch sehr kurzfristig. An der Front sieht es vielerorts zappenduster aus, erst am frühen Samstagmorgen meldeten die ukrainischen Streitkräfte die Aufgabe der seit Monaten umkämpften Stadt Awdijiwka im Osten des Landes. Grundsätzlich leidet das Militär an einem akuten Mangel an Artilleriemunition. Die Soldatinnen und Soldaten, die zum Teil seit zwei Jahren ohne Pause kämpfen, sind erschöpft.

Die Debatte um die Taurus-Marschflugkörper bleibt

Und dann ist da noch das eine Thema, bei dem der selbstbewusste deutsche Kanzler immer sehr schmallippig wird – so auch an diesem Samstag bei der Sicherheitskonferenz. Die Ukraine will von Deutschland unbedingt Marschflugkörper vom Typ Taurus haben. Diese verfügen über eine Reichweite von 500 Kilometern, die ukrainische Armee könnte damit Ziele weit im russischen Hinterland angreifen. Der ukrainische Präsident Selenskyj, der in München unmittelbar nach Scholz‘ Auftritt spricht, bittet in seinem Redebeitrag abermals um Waffen großer Reichweite. „Russland hat sie, wir haben sehr wenige davon. Das ist die ganze Wahrheit.“

Scholz aber will Taurus bislang nicht liefern. Er befürchtet eine weitere Eskalation des Krieges. Darauf angesprochen sagt er am Samstag, Deutschland tue bereits alles, was notwendig sei, um die Ukraine stark zu machen. Die Frage nach Taurus erscheine ihm „ein wenig merkwürdig“.