Berlin. Nicaraguas Präsident Ortega wirft der Bundesregierung vor dem Internationalen Gerichtshof Beihilfe zum Völkermord vor.

Ausgerechnet Daniel Ortega. Der Machthaber in Nicaragua, einer der schlimmsten Despoten im Amt, beschuldigt Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag der Beihilfe zum Völkermord im Gaza-Krieg. In zwei bis drei Wochen soll das Urteil fallen. Wer ist der Mann, der Deutschland auf die Anklagebank gezerrt hat?

Deutschland wegen Völkermord-Beihilfe beschuldigt - Verfahren vor UN-Gericht

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    Daniel Ortega war ein Held der Linken und Antiimperialisten der frühen 80er Jahren, heute ist er ihnen mehr als peinlich. Er stürzte 1979 mit seiner Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) den Diktator Anastasio Somoza und seinen Clan und wollte Nicaragua zu einem alternativen Politik- und Gesellschaftsmodell umformen – links, idealistisch.

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    Zunächst übernahm Ortega mit acht weiteren Comandantes gleichberechtigt die Macht. Erst 1985 wurde er zum Präsidenten gewählt. Die Abwahl fünf Jahre später wegen der Folgen des Contra-Krieges und einer Wirtschaftskrise hat er bis heute nicht verwunden. Es folgten 17 Jahre neoliberaler und korrupter Regierungen, die das Elend des Landes weiter vergrößerten.

    Ortega verwandelte Nicaragua in einen Unterdrückungsstaat

    2007 übernahmen Ortega und die FSLN wieder die Macht. Und seither tut er alles dafür, diese nicht wieder abzugeben. Er hat Nicaragua seinen Stempel aufgedrückt wie niemand vorher. Er hat die Verfassung gebeugt, um sich wiederwählen zu lassen, und seine Gegner kaltgestellt. Unabhängige Juristen oder Medien gibt es nicht mehr. Unter Ortega wurde das kleine Land in Mittelamerika zu einem schäbigen Unterdrückungsstaat.

    Kurz nachdem ein unabhängiges UN-Gremium, das ein Deutscher leitet, einen Bericht zur Lage in Nicaragua vorgelegt hatte, kam Ortegas Klage: Die Bundesregierung soll  „Beihilfe zum Völkermord“ im Gazastreifen leisten. 
    Kurz nachdem ein unabhängiges UN-Gremium, das ein Deutscher leitet, einen Bericht zur Lage in Nicaragua vorgelegt hatte, kam Ortegas Klage: Die Bundesregierung soll  „Beihilfe zum Völkermord“ im Gazastreifen leisten.  © AFP | CESAR PEREZ

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    Heute ist der Ex-Revolutionär einer dieser lateinamerikanischen Despoten, die weder links noch rechts sind, deren einzige Ideologie die Macht und ihr Erhalt ist. Niemand hat es dabei so weit getrieben wie Ortega und seine Frau Rosario Murillo, die seit 2017 seine Vize-Präsidentin ist. Rechtsstaatliche Urteile kann man nicht mehr erwarten. Längst sind Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen verboten, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Seit vielen Jahren geht er auch gegen die katholische Kirche vor, die ihn anfangs noch unterstützte. Größere Menschenansammlungen sind ihm ein Gräuel, weil schnell Protest daraus erwachsen kann, der gefährlich für ihn werden könnte. Sogar die Festlichkeiten zu Ostern versucht er, aus der Öffentlichkeit wegzudrängen.

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    Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gratulierte der 78-Jährige kürzlich euphorisch zu seiner Wiederwahl. Er sprach von einem Triumph Putins, der zur Stabilität und zu einer besseren Zukunft der Menschheit beitragen werde, und nannte die Wahlen selbst vorbildlich. Die Freundschaft zu Russland geht so weit, dass Ortega Putin erlaubte, russische Soldaten nach Nicaragua zu entsenden. Um China zu gefallen, brach er die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab. Mit Iran sucht er geleakten Informationen zufolge eine militärische Zusammenarbeit. Ausgerechnet dieser Mann klagt Deutschland an.

    Ortega: Auf einer Linie mit Russland, China und dem Iran

    Überraschend ist das nicht. Kurz nachdem ein unabhängiges UN-Gremium, das ein Deutscher leitet, einen Bericht zur Lage in Nicaragua vorgelegt hatte, kam die Klage. Die Bundesregierung soll wegen ihrer politischen, finanziellen und militärischen Unterstützung Israels „Beihilfe zum Völkermord“ im Gazastreifen leisten. Die Anhörungen in diesem Verfahren haben am Montag begonnen.

    Am Dienstag wies Deutschland vor Gericht die Vorwürfe entschieden zurück. Die Anschuldigungen hätten keine faktische und keine rechtliche Grundlage, erklärte Tania von Uslar-Gleichen, Leiterin der Rechtsabteilung und Völkerrechtsberaterin des Auswärtigen Amts. Nicaraguas Erfolgsaussichten sind Experten zufolge eher gering.

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    Auch wenn Nicaragua nur ein sehr kleiner Teil des antidemokratischen Blocks ist, in dem China, Russland und Iran die entscheidende Rolle spielen, so sind die Nadelstiche doch spürbar und nützlich für den antiwestlichen Kurs der Großmächte.

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