Berlin. Habeck, Graichen, Letzte Generation: Der Klimaschutz gerät in Verruf. Das haben auch Leute zu verantworten, die viel mehr davon wollen.

Politik ist ein schnelllebiges Geschäft. Dinge, die heute zwingend erscheinen, können morgen als Gängelung empfunden werden. Einzelne Akteure steigen in der Gunst des Publikums auf und ab. Themen, die Wahlen entscheiden, verblassen in der öffentlichen Wahrnehmung binnen kurzer Zeit.

Es ist noch gar nicht so lange her, da schien Deutschland zur Klimaschutz-Republik zu mutieren: Die Bewegung Fridays for Future brachte mit Demos und Schulstreiks Millionen Menschen auf die Straßen. Das Verfassungsgericht schrieb der Politik ins Stammbuch, dass sie im Sinne der jüngeren Generation endlich ernst machen müsse mit dem Klimaschutz. Markus Söder umarmte einen Baum. Und als CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Bundestagswahlkampf 2021 im Flutgebiet vor laufenden Kameras lachte wie ein pubertierender Halbwüchsiger, da war es um seine Karriere geschehen.

Heizungsgesetz: Die Wähler wenden sich von den Grünen ab

Fühlt man jetzt den Puls der Gesellschaft, so scheint sich die Debatte zu drehen. Zwar sind immer noch vier von zehn Deutschen der Ansicht, dass es nicht schnell genug gehe mit dem Klimaschutz. Eine genau so große Zahl meint aber, dass es bereits jetzt zu schnell gehe oder das eingeschlagene Tempo genau richtig sei. Das ergab unlängst der ARD-Deutschlandtrend.

Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent  Foto: Reto Klar
Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent Foto: Reto Klar

Seit Wochen diskutiert das Land aufgeregt über das verkorkste Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Noch ist nichts beschlossen. Aber Habeck und seine Partei befinden sich in der Gunst der Wähler im freien Fall. In der Ampelkoalition knirscht es gewaltig. Und es ist ja nicht nur das Thema Heizen, dass die Menschen verunsichert. Viele fragen sich, ob sie in Zukunft noch Auto fahren können. Oder was aus ihren Jobs wird angesichts der großen Transformation.

Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass ausgerechnet solche Akteure zum Ansehensverlust des Klimaschutzes beitragen, die ihn eigentlich zu ihrem Lebensthema gemacht haben. Das betrifft Habeck selbst. Aber auch seinen geschassten Staatssekretär Patrick Graichen, der sich durch die Verquickung von dienstlichen und privaten Belangen unmöglich machte.

Letzte Generation: Großrazzia bei den Klimaklebern

Und nicht zuletzt betrifft das die Klimakleber von der Letzten Generation, die am Mittwoch Ziel einer bundesweiten Razzia wurden. Mit ihren Aktionen nerven und nötigen sie unbescholtene Bürger. Jetzt steht der Verdacht im Raum, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Das ist starker Tobak und irritiert auch Bürger, die grundsätzlich mit den Zielen der Gruppe sympathisieren.

Denn daran kann ja eigentlich kein Zweifel bestehen: Ein wirkungsvoller Klimaschutz ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Politiker, die zum Thema nur ein taktisches Verhältnis einnehmen, werden ihrer Verantwortung nicht gerecht. CDU-Chef Friedrich Merz etwa sagte kürzlich: „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht.“ Das soll er mal den Leuten in Italien, Spanien oder Frankreich erzählen, deren Heimat gerade von fürchterlichen Überschwemmungen oder Dürren heimgesucht wird.

Man braucht auch nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass bei uns in wenigen Wochen wieder Wälder brennen und Flüsse austrocknen können. Es ist gut möglich, dass sich dann hierzulande die Debatte abermals dreht. Selbst dann wird aber die wichtigste Erkenntnis der jüngsten Zeit bleiben: Klimaschutz darf nicht nur gut gemeint sein, er muss auch gut gemacht werden. Das bringt Veränderungen und Härten mit sich. Aber wer die Menschen auf Dauer verängstigt und verunsichert, der gewinnt am Ende nichts.