Gera. 33 Jungtiere sind bei Einsätzen aus den Wiesen und Feldern rund um Gera geholt worden. Die Tierfreunde sind bei ihren Rettungsaktionen u.a. mit Drohnen ausgestattet.

Morgens halb drei in Rusitz vor den Toren Geras, irgendwo auf einem Feldweg. Es ist stockdunkel und noch richtig kalt. Trotzdem trifft sich hier mitten in der Nacht eine kleine Gruppe Tierfreunde von den Rehkitzrettern Gera und macht sich startklar für den nächsten Einsatz.

Drohnen werden ausgepackt, Akkus und Taschenlampen eingepackt, Funkgeräte verteilt, Gummistiefel und wasserdichte Hosen angezogen und dicke Jacken übergeworfen. Es ist Eile geboten, denn am bevorstehenden Morgen kommt der Mähdrescher mit seinem bis zu elf Meter breitem Mähwerk auf die jeweilige Wiese - meist um Silage für Milchkühe einzufahren. Diese saftigen Wiesen sind ein ideales Versteck für Rehkitze. Die Ricke kommt nur alle paar Stunden zum Säugen vorbei. Zum Schutz vor Fressfeinden, wie dem Fuchs, hat sich diese Strategie bewährt, weil die fast geruchslosen Kitze - zu dem Zeitpunkt kleiner als eine Katze - unter den überhängenden Grashalmen nur schwer zu finden sind.

20 ehrenamtliche Rehkitzretter

Monika und Burgard Hebold  gehören zum Team.
Monika und Burgard Hebold gehören zum Team. © Ulrike Kern

Doch weder ihre Tarnflecken noch der Instinkt, sich flach auf den Boden zu drücken und reglos zu verharren, nützen gegen die landwirtschaftlichen Großmaschinen. Doch dagegen möchten die rund 20 ehrenamtlichen Rehkitzretter des Tierschutzvereins, übrigens bislang die einzigen in Thüringen, etwas tun. Von Anfang Mai bis Ende Juni sind sie bis zum Morgengrauen rund um Gera, im Landkreis Greiz und Zeitz unterwegs, um Kitze vor dem Mähtod zu retten.

Ein paar nehmen dafür Urlaub, manche sind in Rente und wiederum andere gehen nach jedem Einsatz, an dem sie teilnehmen, anschließend zur Arbeit. Die Strapazen und den Schlafmangel nehmen die Tierschützer gern in Kauf, denn der Erfolg ihrer Arbeit belohnt für alles. Diesmal wurde die Truppe sogar noch von zwei Privatpersonen mit ihren eigenen Drohnen unterstützt.

Oft genug muss alles schnell gehen: Landwirte, Agrargenossenschaften oder Jäger melden sich kurz vorher beim Tierschutzverein und informieren, dass am nächsten Tag gemäht wird. Dann werden schnell die Teams und die Technik zusammengestellt - zwei hochwertige Drohnen mit Wärmebildkameras, deren Kosten sich schon pro Drohne und Ausstattung um die 4500 Euro belaufen. Der Einsatz ist für den Landwirt kostenlos, das Equipment wird vom Verein über Spenden finanziert, die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich.

Neben Kitzen auch Hasenbabys und Füchse gerettet

Für die Retter endet jetzt im Juli die Saison.
Für die Retter endet jetzt im Juli die Saison. © Andreas Nowack

19 Mal sind die Rehkitzretter in dieser Saison ausgerückt, konnten dabei 33 Kitze retten. Streifen für Streifen wird die Wiese mit der Drohne in circa zwölf Metern Höhe abgeflogen und von der Kamera jede noch so kleine Wärmequelle entdeckt. Dann wird einer aus dem Team übers Funkgerät zu der Stelle gelotst, um nachzuschauen und gegebenenfalls mit einem Korb das Jungtier einzusammeln und am Waldrand zu sichern, bis das Gras abgemäht ist. Neben den Kitzen konnten die Tierschützer auch Hasenbabys und erwachsene Tiere, wie Rehe, Dachse, Hasen, Füchse aus den Wiesen verscheuchen und die Maschinenführer warnen, so dass diese langsamer und noch aufmerksamer fahren konnten.

Die größte Herausforderung sei, „den Landwirten und Agrargenossenschaften nahe zu bringen, dass sie eine Pflicht zur Vermeidung von Tierleid haben und mit uns und den Jagdpächtern gemeinsam die Tiere aus ihren Flächen retten können. Wir stellen immer wieder fest, dass es leider noch viel zu viele Landwirte gibt, denen das Thema nicht wichtig ist und die nicht einmal dem Jagdpächter rechtzeitig Bescheid geben, damit dieser seine eigenen Vergrämungsmaßnahmen anwenden kann“, erklärt Nicole vom Tierschutzverein Gera und Umgebung.

Deutschlandweit komme es jedes Jahr laut deutscher Wildtierstiftung zu etwa 90.000 vermähten Rehkitzen. Derzeit suchen die Rehkitzretter weiterhin nach Unterstützern, benötigen aber für bessere Technik im kommenden Jahr auch weitere Spenden.

Das könnte Sie auch interessieren: